Kriegsgegner protestieren eine Woche lang in der Lüneburger Heide gegen Rheinmetall, weil immer noch Kriege mit Waffen aus Deutschland stattfinden

Im Hintergrund knallen Schüsse

Im niedersächsischen Unterlüß lässt Rheinmetall Waffen und Munition testen. »Krieg beginnt hier« lautet daher das Motto eines antimilitaristischen Camps, das neben Workshops auch Blockaden plant.

Das Camp im niedersächsischen Unterlüß unterscheidet sich von den üblichen Sommerlagern. Das zeigt sich schon daran, dass es mitten im Ort liegt, nicht irgendwo außerhalb auf einem Acker. Auch der Zweck des Camps ist speziell. Die rund 60 Teilnehmer*innen, die zum Auftakt am Sonntag eingetroffen waren, wollen keine Wanderungen in der waldreichen Umgebung der Lüneburger Heide unternehmen, wie es der Verkehrsverein Unterlüß empfiehlt. Sie interessiert vielmehr das Erprobungszentrum Unterlüß (EZU), das der Rüstungskonzern ….

…..Rheinmetall in unmittelbarer Nähe betreibt. Es zählt mit seinen 50 Quadratkilometern zu Europas größten Versuchsgebieten für Waffen.

Auf der Rheinmetall-Homepage wird den Kund*innen »kompetente Beratung bei der Versuchsführungsplanung, Durchführung der Versuche sowie Analyse und Auswertung der Versuchsergebnisse« garantiert. »Hierfür stehen eine Reihe modernster Anlagen und Feuerstellungen zur Verfügung«, umwirbt Rheinmetall Interessent*innen aus aller Welt.

Dazu gehört die türkische Regierung. 2018 konnte man weltweit sehen, wie »Leopard«-Panzer aus deutscher Produktion in das nordsyrische Afrin einrückten und die junge kurdische Selbstverwaltung zerstörten. »Die Kanonen und die Munition für diese Panzer kamen von Rheinmetall«, erklärt Marco Niers von der Vorbereitungsgruppe des antimilitaristischen Protestcamps, das vom Antikriegstag bis zum 8. September stattfindet. Während des Aufbaus hörten sie immer wieder Schüsse vom Testgelände, das nicht einmal 500 Meter entfernt ist. »Dort werden die Waffen für die nächsten Kriege ausprobiert.«

»Krieg beginnt hier« lautet deshalb das Motto des Camps, und die Schüsse sind die passende akustische Untermalung. Die Organisator*innen des Camps kommen aus der gesamten Republik. Aber auch eine Delegation aus Sardinien ist vor Ort, wo gegen die Firma Rheinmetall-Defense protestiert wird, die gegründet wurde, um die strengeren Ausfuhrbestimmungen in Deutschland zu umgehen. Die Campteilnehmer*innen eint die Überzeugung, dass es nicht ausreicht, gegen die Kriegspolitik mit einer Demonstration oder Mahnwache zu protestieren. Es gehe vielmehr darum, die Kriegsvorbereitung in Deutschland zu benennen und zu sabotieren, erklärt Marco Niers. So soll am Freitag das EZU mit Blockaden für einen Tag stillgelegt werden.

Einige der Organisationen, die in Unterlüß aktiv sind, beteiligten sich schon zwischen 2013 und 2017 an Protestcamps gegen die Kriegsspiele in der Altmark. Dort wurde mit dem Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr (GÜZ) ein Geisterdorf errichtet, in dem Militäreinsätze geprobt werden. Seit drei Jahren konzentrieren sich die Antimilitarist*innen auf den Rheinmetall-Konzern in der niedersächsischen Kleinstadt.

Vor zwei Jahren sind sie das erste Mal zum Protest nach Unterlüß gekommen. Langsam werden Kontakte zur Bevölkerung geknüpft. »Das ist nicht leicht in einem Ort, in dem viele Menschen bei Rheinmetall beschäftigt sind«, gesteht Campaktivistin Monika Talbot. Doch einige der 3500-Einwohner-Gemeinde hätten ihnen erzählt, dass auch sie es bevorzugen würden, andere Produkte als Waffen herzustellen. Da wollen die Kriegswaffengegner einhaken. Im Programm stehen auch Diskussionsrunden über Rüstungskonversion. Und für die antimilitaristische Demonstration unter dem Motto »Rheinmetall entwaffnen« am Samstag hoffen sie auf Teilnehmer*innen aus dem Ort.

Daneben gibt es Veranstaltungen zu internationaler Solidarität oder einen Tag zum wenig erforschten Einsatz von Zwangsarbeiter*innen bei Rheinmetall im Nationalsozialismus. So waren im Lager Tannenberg, einem Außenlager des KZ Bergen-Belsen, von 1944 bis 1945 etwa 900 jüdische Frauen aus Osteuropa inhaftiert und zur Arbeit bei Rheinmetall gezwungen. Nach der Flucht der SS wurden sie vom aus örtlichen Nazis bestehenden »Volkssturm« nach Bergen-Belsen verschleppt, wo einige noch kurz vor Ende des NS ermordet wurden. Neben Tannenberg gab es in der Nähe von Unterlüß noch etwa 20 weitere Zwangsarbeiterlager von Rheinmetall. Heute erinnert nichts mehr an dieses Kapitel der Unternehmensgeschichte. Die Camporganisator*innen wollen einen Anstoß für weitere Forschungen und Aktivitäten dazu geben.

Peter Nowak

Weitere Infos zum Campprogramm gibt es hier: https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org/camp/