Tagung der Bundeserwerbslosenkonferenz von Verdi

Fremdeln mit dem ver.di-Chef

Erwerbslose Gewerkschafter wollen raus aus der Nische

«Regelsatz erhöhen», «Weg mit dem Sanktionsregime», Übernahme der tatsächlichen Miet- und Nebenkosen« – so lauteten einige der Slogans auf den Papierrollen, die in der Bundeszentrale der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auf dem Boden ausgelegt waren. Dort tagte am Montag und Dienstag die…

… Bundeserwerbslosenkonferenz von ver.di. Auf deren aufgelistete Forderungen ging ver.di-Chef Frank Bsirske im ersten Teil seiner Rede ein. »Ja, Minijobs müssen in normale Arbeitsverhältnisse umgewandelt wird. Ja, die Arbeitslosenversicherung muss das Risiko der Erwerbslosigkeit abfedern. Ja, die SGB-Regelsätze müssen auf ein bedarfsdeckendes Niveau aufgewertet werden«, rief Bsirske unter wohlwollendem, aber mäßigem Applaus. Erst als der ver.di-Chef eine »bedarfsdeckende Grundsicherung, die das Sanktionsregime überwindet« forderte, wurde der Applaus hörbar lauter. Schließlich ist bekannt, dass der Wegfall der Sanktionen innerhalb der Gewerkschaft umstritten ist. Vor allem die bei ver.di organisierten Beschäftigten von Arbeitsagenturen und Jobcentern verteidigen Sanktionen immer wieder. Der Bundeserwerbslosenausschuss, der bundesweit Beratungen für Betroffene anbietet, fordert hingegen die Abschaffung der »existenzgefährdenden Sanktionen«, führten diese Maßnahmen doch zu Mangelernährung, Schulden, Wohnungsverlust.

Den größeren Teil seiner Rede widmete Bsirske jedoch der schwindenden Tarifbindung in Deutschland, was bei manchen Teilnehmenden für Unmut sorgte: »Hat er nicht realisiert, dass er vor Erwerbslosen redet?«, fragte ein Aktivist, der als Gast an dem Kongress teilnahm. In unabhängigen Erwerbslosenorganisationen ist der Vorwurf verbreitet, dass Erwerbslose in den Gewerkschaften ein Nischendasein führten. Und auch der erste Delegierte, der sich nach Bsirskes Rede zu Wort meldete, bemängelte, dass Engagement in den Gewerkschaftsgremien oft ausgebremst würde. Zudem wollte er wissen, wann die Tarifverträge für die Leiharbeit aufgehoben werden, durch die der Grundsatz »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« ausgehebelt würde. Das Thema sorgt seit Jahren für Auseinandersetzungen in den Gewerkschaften.

Die Delegierten verabschiedeten zudem Anträge, in denen sie die Wiederbelebung des sozialen Wohnungsbaus sowie eine existenzsichere Rente fordern. Altersarmut betrifft viele Delegierte persönlich. Das verweist zugleich auf ein Strukturproblem der Erwerbslosenorganisierung in ver.di: »Die Überalterung ist ein Problem«, meinte ein Mann aus Bochum, der zum ersten Mal dabei war. Von den Schwierigkeiten, junge Menschen für die Mitarbeit zu gewinnen, können viele Gewerkschafter*innen berichten. Bei der Bundeserwerbslosenkonferenz kommt noch hinzu, dass vor allem junge Menschen im Hartz-IV-System vielfältigen Anforderungen ausgesetzt sind und wenig Zeit haben, sich politisch zu engagieren.