Es sind nicht immer Gesetze, die Verschlechterungen für die Mieter bringen. Manchmal genügt dazu auch ein Gerichtsurteil
Die Zahl der Menschen, deren Arbeitsplatz sich nicht mehr in einer Fabrik, sondern in der eigenen Wohnung befindet, ist in den letzten Jahren gewachsen. Da wirkt es besonders anachronistisch, dass der Bundesgerichtshof Kündigungen erleichtet hat, wenn Mieter ihren Arbeitsplatz in ihrer Wohnung einrichten.
Noch im Jahr 2009 hatte der Bundesgerichtshof [1] eine berufliche Nutzung der eigenen Wohnung für unproblematisch gehalten, solange der Mieter keine Mitarbeiter beschäftigt und keine Kunden empfängt. 2013 entschied der BGH gegen einen Mieter, der einen Hausmeisterservice in seiner Wohnung unterhielt und sich darauf berief, dass er weder Mitarbeiter beschäftigt, noch durch das Gewerbe besondere Beeinträchtigungen ausgehen.
Wenn die Heimarbeit zum Kündigungsgrund wird
Das Gericht urteilte in diesen Fall gegen den Mieter [2] und schrieb in der Begründung:
Wie das Mietermagazin, die Mitgliederzeitschrift des Berliner Mietervereins, berichtete [3], wurde diese vermieterfreundliche Rechtssprechung sofort genutzt, um Mieter, die sich seit Langen im juristischen Streit mit ihren Eigentümern befinden, nun auf eine neuen Weg zu kündigen. Im Mietermagazin heißt es:
Das Unternehmen weist den Vorwurf zurück, dass über die Mieter eine Internetrecherche durchgeführt wurde. „Unsere Mitarbeiter haben festgestellt, dass die Mieter ihre Wohnung als Unternehmenssitz im Internet bewerben“, heißt es dort. Die Gewobag spricht von Zweckentfremdung einer Wohnung. Das aber würde voraussetzen, dass die Wohnung ausschließlich zu gewerblichen Zwecken genutzt wird. Doch Frank Volm und Christoph Baumgarten können nachweisen, dass sie dort wohnen.
Das kann auch Martina Lannatewitz nachweisen Sie lebt seit 30 Jahren in einer Dreizimmerwohnung in der Raumerstraße 11. Auch dieses Haus gehört der Gewobag. Nach einer Modernsierung sollte die Miete bei Frau Lannatewitz um über 120 Prozent von 284 Euro kalt auf 632 Euro steigen. Die Mieterin wehrte sich und ging an die Öffentlichkeit [4]. Weil die Gewobag herausgefunden hat, dass auch Frau Lannatewitz von ihrem Computer aus für eine Agentur arbeitet, wurde sie ebenfalls wegen gewerblicher Nutzung abgemahnt. Weil die Mieterin weiterhin mit ihrer Privatadresse im Internet zu finden ist, hat die Gewobag mittlerweile eine Räumungsklage eingeleitet.
Eine solche rechtliche Verschlechterung für die Mieter, in einer Zeit, in der die Zahl der Berufe wächst, die vom häuslichen PC aus erledigt werden, ist besonders unverständlich. Die Gewobag ist nicht der einzige Haubesitzer, der die rechtlichen Möglichkeiten, die ihm hier an die Hand gegeben wurden, ausgiebig nutzt. So sollen die Mieter gezwungen werden, für ihren Arbeitsplatz ein weiteres Büro oder zumindest einen Arbeitsplatz zu mieten, was sich vor allem Beschäftigte im prekären Bereich oft schon finanziell nicht leisten können.
Die Vermieter profitieren von den Urteilen gleich mehrmals. Sie haben einen weiteren Kündigungsgrund, um Mieter loszuwerden und können nun auch noch Wohnraum als Büros vermieten. Ein Beitrag zur Behebung der Wohnungsnot in vielen Städten ist das allerdings keineswegs. Frau Lannatewitz hat sich bei ihren Vermietern bestimmt keine Freunde gemacht, als sie wegen der drohenden Mieterhöhung an die Öffentlichkeit ging.
Wenn die Telefonnummer des Vermieters zur Geheimsache wird
Auch die Rentnerin Irmgard Warnke ging wegen der Kündigung ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg an die Öffentlichkeit [5]. Doch sie bekam neuen Ärger. Im Mieterecho, der Zeitschrift der Berliner Mietergemeinschaft [6], wurde ihr Fall so kommentiert [7]:
Mittlerweile ist die Frau umgezogen. 500 Euro Strafe muss sie zahlen, weil sie einem Redakteur des Berliner Kurier die Telefonnummer ihres Vermieters weitergegeben hat. Dabei hat sie ihm dadurch nur seine Arbeit erleichtern und ermöglichen wollen, auch die Gegenseite in den Konflikt anzuhören. Doch viele Eigentümer haben überhaupt kein Interesse, dass auch ihre Position in einen Beitrag dargestelltwird. Sie wollen überhaupt keine Berichterstattung über Mieterhöhungen und Kündigungen und sie wollen auch nicht erreichbar sei.
Die Zeiten, als man einfach zum Telefonbuch greifen oder sich bei der Telefonauskunft nach einer Telefonnummer erkundigen konnte, sind lange vorbei. Wenn nun eine Seite des Konflikts nicht erreichbar ist, werden sich viele Medien überlegen, ob sie überhaupt darüber berichten. Entscheiden sie sich doch dazu, gibt es in letzter Zeit häufiger Versuche, auch dagegen juristisch vorzugehen. Sie seien keine Personen der Zeitgeschichte, lautet die Argumentation. Zudem zeige schon, dass eine Stellungnahme des Vermieters fehle, dass es sich nicht um einen ausgewogenen Beitrag gehandelt habe, wird oft noch nachgeschoben.
Der ehemalige Vermieter von Frau Warnke hätte nun die Möglichkeit einer Stellungnahme gehabt, machte davon aber keinen Gebrauch und fand Richter, die die Mieterin tatsächlich zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilten, weil sie eine Telefonnummer an einen Journalisten weitergaben. Es wäre zu wünschen, dass solche juristischen Absurditäten, die im Ergebnis nicht nur eine Einschränkung der Mieterrechte, sondern auch der Pressefreiheit darstellen, kritischer betrachtet werden. Vielleicht führt die Keule des Landesverrats gegen kritische Journalisten dazu, dass auch die Sensibilität für die vielfältigen scheinbar unspektakulären Reglementierungen im Alltag größer wird.
http://www.heise.de/tp/news/Wie-Richterentscheidungen-Vermieter-beguenstigen-2775300.html
Peter Nowak
Links:
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