Maß und Mitte

Die Grünen setzen auf Rot-Grün, aber manche wollen auch die Hürden für ein Bündnis mit der Union senken

Bloß keine Koalitionsdebatte vor den Wahlen, lautete die Devise vor dem grünen Bundeskongress, der am Freitag in Berlin begonnen hat. Deswegen werden Anträge, die eine zu starke Konzentration auf die SPD vermeiden wollen, keine Chance haben. Denn die Grünen wissen, jede Koalitionsdebatte schmälert die Wahlchancen, was sich nicht zuletzt bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin zeigte. Die Grünen wollen nicht verantwortlich sein, wenn es, wie alle derzeit erwarten, nach der Bundestagswahl nicht für das präferierte Bündnis mit der SPD reicht. Sollte auch die gegenwärtige Koalition keine Mehrheit mehr haben, wären Grüne und SPD Konkurrenten im Kampf die Juniorpartnerschaft in einer Koalition mit der Union.

Da wollen führende Grünen schon mal die Hürden für eine solche Zusammenarbeit senken, wie die Diskussion um die Erhöhung der Vermögenssteuer zeigte, die Winfried Kretschmann wenige Tage vor dem grünen Bundeskongress mittels eines offenen Briefs initiierte. Dass diese Intervention auch vom seinem sozialdemokratischen Stellvertreter in Baden Württemberg unterstützt wird, soll suggerieren, hier würden zwei Landespolitiker sich für den heimischen Mittelstand einsetzen. Doch auf der bundespolitischen Ebene wird damit eine Distanz zur Wahlrhetorik der SPD deutlich und eine Brücke zur Union gebaut.

„Eine Besteuerung von Betriebsvermögen kann, je nach konkreter Ausgestaltung, das Eigenkapital aufzehren und die Investitionsmöglichkeiten des Unternehmens schmälern“, zitiert die Frankfurter Allgemeine aus dem Brief. Eine Vermögensteuer dürfe es nur dann geben, wenn Betriebsvermögen hiervon nicht angetastet würde, erklärten Kretschmann und Schmid. Andernfalls könnte eine Steuerinitiative einer rotgrünen Regierung nicht mit der Unterstützung des Landes Baden Württemberg im Bundesrat rechnen, heißt es hypothetisch.

Die Initiative liefert nun zunächst denen Argumente, die in dem Steuerprogramm einer rotgrünen Koalition eine Gefahr für die Wirtschaft sehen. Schließlich hat die Union prompt alle Steuererhöhungen ausgeschlossen. Auch wenn Renate Künast daran erinnern, dass die von Kretschmann inkriminierte Steuererhöhung nicht mal die Höhe der Vermögenssteuer in der Ära Helmuth Kohl abdecken würde, wird doch die öffentliche Diskussion wieder einmal davon bestimmt, dass die Grünen sich nun verteidigen müssen, keine Steuererhöhungspartei zu sein.

Ein Herz für Superreiche – Kälte für Hartz-IV-Empfänger

Nur der als Exponent des linken Parteiflügels geltende Daniel Wesener verteidigte die Steuerpläne seiner Partei offensiv.

„Fakt ist, dass wir über 90 Prozent der Einkommenssteuerzahler entlasten wollen. Zusätzlich belastet werden nur diejenigen, die man mit Fug und Recht als Superreiche bezeichnen kann.“

Doch Kretschmer und seine Freunde können sich bei ihrer Initiative für eine Senkung der Vermögenssteuerpläne, die sie als einen Beitrag zu „Maß und Mitte“ bezeichnen, auf einen wirtschaftsliberalen Diskurs stützen, der jede Belastung von Millionären als Teufelszeug ansieht und dafür den einkommensschwachen Teil der Bevölkerung zum Gürtelengerschnallen auffordert. So hat ein Urteil des Berliner Sozialgerichts wenig Beachtung gefunden, das die Heizkostenzuschüsse für Hartz-IV-Empfänger als zu hoch ansieht.

Wenn der Berliner Senat die Kosten für Zuschüsse aus der Kategorie „zu hoch“ berechnet, würde die Verschwendung zum Grundsatz gemacht – und das kann nicht angemessen sein, begründete der Richter seine Entscheidung und bringt damit den aktuellen Sozialdiskurs gut auf die Punkt. Ein Herz für Superreiche und soziale Kälte für einkommensschwache Menschen gehören zusammen.

Die über die Binnenlage der Grünen stets gut informierte Taz hat kürzlich zwischen den Zeilen gelesen, wie es um das Verhältnis zur Union bestellt ist. Sie sezierte einen Absatz des grünen Leitantrags, in dem es heißt: „CDU und CSU blockieren den grünen Wandel.“

„Blockaden lassen sich lösen, dass ist der Sinn von Politik“, weiß der Taz-Kommentator. Kretschmann lieferte dazu einen Beitrag.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154182
Peter Nowak


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