Anwohner wollen mitbestimmen

Ein Bauprojekt im Friedrichshainer Südkiez sorgt für massiven Unmut

Bis auf den letzten Platz war der Pavillon im Innenhof der Schule am Traveplatz in Friedrichshain besetzt. Eltern mit ihren Kindern waren ebenso vertreten wie Rentner und Jugendliche und bildeten so einen Querschnitt der Bewohner im südlichen Teil von Friedrichshain. Sie wollten sich über ein Bauprojekt informieren, das seit Wochen für Diskussionen sorgt. 550 Wohnungen sollen auf dem 26 000 Quadratmeter großen Gelände der ehemaligen Autozubehörfabrik Freudenberg zwischen Boxhagener Straße und Weserstraße gebaut werden.

Gleich zu Beginn der Informationsveranstaltung in der vergangenen Woche wurden die unterschiedlichen Meinungen zu dem Projekt deutlich. Der Geschäftsführer der Bauwert Investment Gruppe Jürgen Leibfried, der für das Projekt verantwortlich ist, lobte die gute Kooperation zwischen Bewohnern, dem Bezirk und dem Investor. Zudem sei es Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) zu verdanken, dass auf dem neuen Areal neben Wohnungen im oberen Preissegment auch Sozialwohnungen für Mieter mit geringen Einkommen geplant werden. Zudem überlasse der Investor dem Bezirk Bauland für eine Kita.

Leibfried verwies weiterhin darauf, dass seine Firma mit der Abtragung von giftigem Boden auf dem Gelände, das noch eine ökologische Altlast der Vorwendezeit gewesen sei, in Vorleistung gegangen sei. Nicht nur im Lob über das gelungene Konzept waren sich Investor und Bürgermeister einig. Beide begründeten das Bauvorhaben mit dem Bevölkerungszuzug in Berlin. Allein im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg würden in den nächsten Jahren Tausende weitere Wohnungen benötigt.

Ein Großteil der Bewohner blieb skeptisch und mochte in das Selbstlob von Politik und Investor nicht mit einstimmen. Die Gründe waren höchst unterschiedlich. Einige Eltern im Saal bezeichneten die Schulsituation im Friedrichshainer Südkiez als katastrophal und befürchteten eine weitere Verschärfung durch den Wohnungsneubau.

Wie groß das Misstrauen ist, zeigte sich an einer Kontroverse um die Einladungen zu dem Treffen, die einige Nachbarn nicht erhalten hatten. Schließlich stellte sich heraus, dass die versandten Briefe vielleicht deshalb nicht überall ankamen, weil sie als Werbesendung deklariert nicht überall gesteckt werden durften. Einige Bewohner hinterfragten grundsätzlich, warum die letzte große Freifläche im Bezirk von einem Großinvestor bebaut werden soll.

Zu den Kritikern gehört auch der Architekt Carsten Joost, der gemeinsam mit der Nachbarschaftsinitiative die Ideenwerkstatt Traveplatz Freudenbergareal gegründet hat. Die Initiative verteilte auf der Veranstaltung einen Brief, der einen sehr kritischen Blick auf die bisherige Planung des Areals wirft. Es sei unverständlich, dass das Vorhaben schon im Vorfeld gefeiert werde, meinte Joost. Er befürchtet, dass sich das Projekt zu einer Geldmaschine für den Investor entwickelt. Dass die Kritik von vielen Anwesenden geteilt werde, zeigte der Applaus, den Joost und andere an der Ideenwerkstatt Beteiligte bekamen. Ob sie sich mit ihrer Forderung durchsetzen können, die gesamte Planung zu dem Areal auf den Prüfstand zu stellen, bleibt offen. Allerdings hat auch Bürgermeister Schulz mehrmals betont, dass man mit der Planung noch ganz am Anfang stehe und in dem Stadtteil die Realisierung eines solchen Projekts in der Regel 18 Monate benötige.

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Peter Nowak