Nobelpreis für Nothing

Die Preisverleihung des Friedensnobelpreises an die EU interessiert kaum jemanden, und hat dem Nobelpreiskomitee viel Kritik eingebracht

„Wir sind Papst“, hat Bild einst getitelt, als ein Mann mit deutschem Pass diesen Posten bekommen hat. Können wir jetzt auch sagen: „Wir sind Nobelpreisträger“, wie der bayerische Rundfunk eine Meldung zum Thema betitelte?

Zumindest die EU-Bürger könnten diese Aussage machen. Doch da sich in allen EU-Ländern viel weniger Menschen mit ihr identifizieren als mit dem Papst, wird die Aussage wohl kaum jemand machen. Tatsächlich hat Wahl des Preisträgers dem Nobelpreiskomitee viel Kritik sowie Spott eingebracht, die von der Taz am Wochenende noch mal in dem Titel „Der entwertete Preis“ zusammengefasst wurde.
Sogar drei ehemalige Friedensnobelpreisträger haben sich mit einer Protesterklärung zu Wort gemeldet und sehen mit der EU-Ehrung die Maßgabe des Preisstifters nicht erfüllt:
„Die EU strebt nicht nach der Verwirklichung von Nobels globaler Friedensordnung ohne Militär. Die EU und ihre Mitgliedsländer gründen kollektive Sicherheit weit mehr auf militärischen Zwang und die Durchführung von Kriegen als auf die Notwendigkeit eines alternativen Herangehens.“

Während der Preisverleihung haben in Oslo hunderte Menschen gegen den Preisträger protestiert.

Preis als Warnung?

Wer das Komitee vorher politisch noch ernst genommen hat, die Zahl der Menschen hielt sich in Grenzen, wird nach der Entscheidung an der politischen Ernsthaftigkeit zweifeln. Denn zu deutlich war, dass das alleinige Kriterium dafür, der EU diesen Preis zu verleihen, die politische Opportunität war. Die aber ist immer ein schlechter Ratgeber. Auch die Schaufensterreden die heute bei der Preisverleihung wieder gehalten wurden, haben gezeigt, dass die Kritiker Recht hatten. Denn ein plausibles Argument für den Preisträger EU hat es dort nicht gegeben.

„Der Preis steht dafür, dass wir in Zeiten der Krise, wo Leute zweifeln (…), eine Warnung kriegen, das große Erbe des 20. Jahrhunderts, nämlich diese Friedens- und Wohlstandsgemeinschaft, nicht aufs Spiel zu setzen“, ließ sich der sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident Martin Schulz vernehmen. Dem Satz mangelt es nicht nur an grammatikalischer, sondern auch an inhaltlicher Klarheit.

Denn soll nun der Preis eine Warnung sein, die EU nicht aufs Spiel zu setzen? Das wäre tatsächlich eine ganz neue Funktion eines Friedensnobelpreises. Werden dann auch bald Staaten mit abspaltungswilligen Bevölkerungsteilen damit beehrt, wenn es politisch opportun ist? Oder wollte Schulz eigentlich sagen, dass die EU, da sie den Preis jetzt schon einmal hat, bloß nicht zerbrechen darf? Dass wäre dann ja für die Preisträger noch peinlicher als die Verleihung an des Friedensnobelpreises an Politiker, die Kriege führen, wenn es opportun ist. Dann bleibt aber immer noch die Frage, wofür denn nun der EU der Nobelpreis verliehen wurde?

Sie habe den Frieden in Europa garantiert, heißt es dann. Im ehemaligen Jugoslawien hatte die EU eher eine kriegerische Funktion. Denn es war das Bemühen der wirtschaftsstarken Teilstaaten Kroatien und Slowenien, sich selbstständig vom ärmeren Rest zu machen und sich in die EU einzugliedern, die den Krieg dort anheizte. Damals gab es in allen Bundesstaaten Kräfte, die ein einheitliches Jugoslawien ohne Nationalismus erhalten wollten. Ihnen vor Beginn des Krieges den Friedensnobelpreis zu verleihen, wäre eine Geste mit einer politischen Aussage gewesen. Aber die hat man wohl vom Nobelpreiskomitee schon damals nicht erwarten können.

UDSSR light?

Die EU habe für Demokratie und Menschenrechten gesorgt, so das Nobelkomitee. Man kann es auch anders formulieren. In vielen osteuropäischen Ländern wird die EU schon als eine „UDSSR light“ gesehen, die sich in die inneren Angelegenheiten von Ländern mischt, wenn es ihr opportun erscheint. So hat es der bei einer Mehrheit der rumänischen Bevölkerung verhasste wirtschaftsliberale Präsident Basescu einer massiven EU-Einmischung zu verdanken, dass er nach einem Referendum, das er klar verlor, noch im Amt ist (Erneut Verfassungskrise in Rumänien).

Insofern war der Ausgang der rumänischen Parlamentswahl am Sonntag, wo die den EU-Günstling nahestehenden Parteien klar abgewählt wurden, eine weitere Klatsche gegen die EU. Einen Vorteil hat die Preisverleihung doch. Das Preisgeld soll an eine wohltätige Organisation gespendet werden. Wie wäre es wenn es an die Flüchtlingsorganisationen ginge, die sich um die Menschen kümmern, die von der Festung Europa und ihren Organen an der Einreise gehindert werden?
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153343
Peter Nowak