Wie umgehen mit dem rechten Rand der Piraten?

Der Fall Bodo Thiesen: Für die Meinungsfreiheit oder politisch nicht tragbar? Das Bundesschiedsgericht der Piraten entscheidet gegen einen Ausschluss

Die Piratenpartei befindet sich zur Zeit im Aufwind und gewinnt auch viele neue Mitglieder. Doch wie wird man ein Mitglied los, das nach Meinung des Parteivorstands politisch nicht tragbar ist? Über diese Frage streitet die Partei seit zwei Jahren. Es geht um Bodo Thiesen, dem nicht wenige in der Partei parteischädigende Äußerungen vorwerfen.

„Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat (und das hat Polen indirekt durch die Generalmobilmachung), dann hatte Deutschland jede Legitimation, Polen anzugreifen“, soll beispielsweise Thießen gesagt haben. Für nicht wenige war diese Äußerung parteischädigend und damit ein Ausschlussgrund. Zumal Thiesen noch andere Geschichtslektionen parat hatte. Dazu zählt sicher die ihm zugeschriebene Äußerung:

„Solange der Holocaust als gesetzlich vorgeschriebene Tatsache existiert, sehe ich keine Möglichkeit, diesen neutral zu beschreiben. Zur Erinnerung an vergangene Zeiten. Es gab auch mal andere Doktrinen, z. B. die ‚Tatsache‘, dass die Erde eine Scheibe sei.“

Besonders mit dieser Äußerung sahen viele den Tatbestand der Holocaustrelativierung oder gar der Leugnung erfüllt. Jetzt hat das Bundesschiedsgericht der Piraten in seinem Urteil klargestellt, dass Thiesen Pirat bleiben kann. Dabei ging das Gericht nicht auf die Äußerungen ein, sondern bezog sich auf das Prozedere. Thiesen sei bereits 2008 vom damaligen Bundesvorstand verwarnt worden. Eine Ausschluss wäre daher eine Doppelbestrafung und die sei zu vermeiden, lautet die Begründung. Auch das Landesschiedsgericht der Piraten von Rheinland-Pfalz hatte sich bereits mit Thiesens Äußerungen beschäftigt. Der Landesverband versuchte in einer Pressemeldung den Eindruck zu widerlegen, dass die Entscheidung ein Sieg für Thiesen ist. Der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Roman Schmitt erklärt:

„Sowohl aus dem Urteil des Landes- wie des Bundesschiedsgerichts wird deutlich, dass es sich auf keinen Fall um einen ‚Freispruch‘ handelt. Vielmehr seien es ‚politisch und historisch in hohem Maße unsensible‘ Äußerungen. Diese werden von den Mitgliedern des Landesverbandes nicht unwidersprochen hingenommen, unabhängig davon, ob sie für einen Ausschluss hinreichend sind oder nicht!“

Grenzen der Meinungsfreiheit?

An der Personalie von Thiesen entspann sich in der virtuellen Piratenwelt ein heftiger Streit über die Grenzen der Meinungsfreiheit. An der Debatte beteiligte sich auch Thiesen mit einer persönlichen Stellungnahme. Dort stellt er klar:

„Meine Ansichten über die deutsche Geschichte entsprechen sicherlich nicht der allgemeinen Lehrmeinung, allerdings ist es Teil der freiheitlich demokratischen Grundordnung, seine Meinung auch dann äußern zu können/dürfen, wenn sie eben nicht der allgemeinen Lehrmeinung entspricht.“

Lange Zeit interessierten sich nur sehr kleine Kreise für die Gedankenwelt des Bodo Thiesen. Doch da die Piraten in Umfragen mittlerweile als drittstärkste Partei erscheinen, hat der Umgang mit Thiesen und die Entscheidung des Schiedsgerichts bundespolitisch für Wirbel gesorgt. Grüne und SPD kritisierten heftig, dass Thiesen nicht ausgeschlossen wurde. Ob diese Entscheidung den Umfragehöhepunkt der Piraten stoppt, muss sich zeigen. Schon 2009, als Thiesens Geschichtslektionen bekannt wurden, sahen manche Kommentatoren voreilig das Ende der Piraten gekommen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151828
Peter Nowak


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