Der Druck auf Lafontaine, sich wieder für eine Spitzenposition in der Partei zur Verfügung zu stellen, dürfte zunehmen
Nach dem Rücktritt der Co-Vorsitzenden der Linkspartei, Gesine Lötzsch, wird ihr in der Partei offiziell nur Respekt bezeugt. Schließlich hat sie am Dienstagabend ihren Rücktritt mit der gesundheitlichen Situation ihres Mannes begründet. Allerdings dürfte es inoffiziell auch Erleichterung über diesen Schritt geben.
Schließlich wurde Lötzsch auch parteiintern dafür mitverantwortlich gemacht, dass die Linkspartei mittlerweile in den Mühen der Ebene angekommen ist und nicht mehr als neue, wachsende Kraft angesehen wird. Dabei ist auch viel Heuchelei im Spiel. Dass der Reiz des Neuen schnell verloren geht, wird demnächst auch die Piratenpartei erfahren müssen, deren medialen Höhenflug auch manche in der Linkspartei neidvoll verfolgen, ohne sich groß um die völlig unterschiedlichen Inhalte zu kümmern.
Lötzsch wird noch immer vorgeworfen, dass sie sich an einer Debatte über „Wege zum Kommunismus“ (Der Weg zum Kommunismus wird weiter beschritten) beteiligt hat. Kaum jemand erwähnt, dass sie sich dort ausdrücklich zum demokratischen Sozialismus bekannt hat. Auch ein Geburtstagsgruß an den Elder Statesman der kubanischen Revolution Fidel Castro, der jedes Jahr von der Linken verschickt wird und von Lötzsch nicht einmal persönlich formuliert worden war, taugte für die kurzzeitige Erzeugung von Empörung.
In Wirklichkeit haben Lötzsch und ihr Kollege Klaus Ernst für nicht wenige in der Linken zu wenig Glamour und Medientauglichkeit. Deswegen sind sie seit längerem daran interessiert, die Ära der beiden beim nächsten Parteitag enden zu lassen. Noch vor einigen Monaten konterte Lötzsch ihren Kritikern, indem sie als erste ihre erneute Kandidatur ankündigte. Mit ihrem Rücktritt aus persönlichen Gründen hat sie sich jetzt aus dem Machtkampf zurückgezogen.
Debatte um neue Führung eröffnet
Mit diesem Schritt ist die bisher inoffizielle Debatte um die neue Leitung der Linkspartei eröffnet. Nicht überraschend gab der thüringische Parteivorsitzende Bodo Ramelow den Einstieg und wiederholte im Deutschlandfunk seine Lieblingskonstellation, das Duo Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Damit wären nach dem Vorbild der Grünen die beiden starken Flügel, die von Wagenknecht repräsentierten Parteilinke und die Realos um Bartsch, an der Spitze repräsentiert. Ob Ramelow allerdings mit seiner schnellen Nennung diesen Kandidaten einen Gefallen tut, scheint er selbst zu bezweifeln. Schließlich fügt er in dem Interview hinzu, dass er das Duo nicht für wahrscheinlich hält, nur um die Namen drei Spitzenpolitikerinnen aus Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen sozusagen als zweite Wahl ins Gespräch zu bringen.
In der NRW-Linken dürfte die aktuelle Entwicklung im Streit um die Leitung der Linken mit mehr als gemischten Gefühlen gesehen werden. Schließlich muss die Partei fürchten, bei der vorgezogenen Landtagswahl unter die Fünfprozenthürde zu geraten. Das würde in großen Teilen der Medien sofort als Scheitern der Westausdehnung der Linken gewertet, zumal auch ihr Wiedereinzug in den Landtag von Schleswig-Hostein nicht sicher ist. In der vom gewerkschaftlichen Flügel der WASG geprägten NRW-Linken genießen sowohl Lafontaine als auch Wagenknecht, deren Wahlkreis in NRW liegt, einiges Ansehen.
Eine Aufwertung beider Politiker innerhalb der Linkspartei würde als Motivationsschub für die Wahlen angesehen. Daher dürfte dort der Rücktritt von Lötzsch nicht ungern gesehen werden. Dass sich aber der Parteivorstand heute darauf verständigte, wie geplant erst auf dem Parteitag im Juni über das Personaltableau der Linken entscheiden zu wollen, dürfte nicht nach dem Geschmack der NRW-Linken sein. Denn dann ist der Wahltermin sowohl in NRW als auch in Schleswig-Holstein vorbei. Bis dahin soll Ernst die Partei alleine leiten.
Neue Chance für Lafontaine?
Deshalb dürfte darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Denn einen Parteitag mit zwei Wahlniederlagen zu beginnen, würde kaum als Aufbruch bewertet werden. Das könnte eine Chance für Oskar Lafontaine sein, sich wieder in die Bundespolitik zurück zu melden. Schon länger wird er neben Gysi als einer der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gehandelt. Lafontaine hat immer betont, sich vor der Landtagswahl im Saarland nicht festlegen zu wollen. Die ist vorbei und Lafontaine dürfte mit einer Rolle als Vorsitzender der größten Oppositionspartei dort nicht ausgelastet sein.
Eine Bekanntgabe seiner Spitzenkandidatur für die Bundestagswahlen noch vor den Landtagswahlen würde denn zumindest von seinen nicht wenigen Anhängern im Westen nicht als Brüskierung der Parteigremien, sondern als Unterstützung gewertet. Wenn dann noch zumindest in NRW der Einzug in den Landtag wieder klappt, wäre ihm der Beifall auf dem Parteitag sicher. Aber auch nach einer Doppelniederlage in NRW und Schleswig-Holstein dürften sich viele um Lafontaine scharren, der bereits 2005 mit seiner Ankündigung einer Spitzenkandidatur die Gründung der Linken überhaupt erst in Gang gebracht hat.
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Peter Nowak