Rüge für die deutsche Polizei

Die Polizei hat gleich mehrere Grundrechte von zwei Demonstranten verletzt, die sich an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 20087 beteiligt hatten

Die Verletzung der Grundrrechte stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte heute in einem Urteil fest und sprach den beiden Klägern jeweils 3000 Euro Entschädigung zu. Sie waren im Juni 2007 bei einer Polizeikontrolle kontrolliert, festgenommen und fünf Tage bis zum Gipfelende in Gewahrsam genommen worden. Damit sei das Recht auf Versammlungsfreiheit, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden, so die Richter.

Grund für die Festnahme waren Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für alle Häftlinge“, die beiden Männer bei sich trugen. Sie wurden daher verdächtigt, Häftlingen beim gewaltsamen Ausbruch aus einem Gefängnis helfen zu wollen. Diese kreative Rechtsauslegung sorgte schon bald auch in juristischen Kreisen für Kopfschütteln. Danach könnte jeder Demonstrant, der Freiheit für Gefangene fordert, mit dieser Unterstellung juristisch belangt werden.

Es gab jedoch keine Hinweise, dass die beiden Gewalt anwenden oder Straftaten begehen wollten, deshalb sei dieser Gewahrsam nicht nötig gewesen, hieß es jetzt auch in dem Urteil des Straßburger Gerichts. Schließlich sei bei den Klägern keinerlei Werkzeug gefunden worden, das auf eine geplante Gefangenenbefreiung hindeutete.

Es hielt die Lesart der Demonstranten für glaubwürdig, die angaben, die Parolen hätten sich an die Polizei gerichtet. Schließlich sorgten die vielen Festnahmen während der G8-.Proteste und die Unterbringung in speziellen Käfigen für heftige öffentliche Diskussionen und Kritik.

Es ist nicht das erste Mal, dass die deutsche Justiz vom EMRG zur Zahlung von Schadensersatz oder Entschädigung wegen unrechtmäßiger Festnahmen verurteilt wurde. Doch die Anwältin Anna Luczak, die die Kläger vertritt, hofft, dass es auch darüber hinaus Konsequenzen hat.

Konsequenzen für D-Day in Stuttgart?

Für Deutschland, beziehungsweise die Bundesländer, müsse es mehr Zurückhaltung beim vorsorglichen Polizeigewahrsam geben. Polizeigesetze sind Ländersache. Das gelte für politische Proteste, Castor-Transporte oder Kundgebungen gegen Großbauvorhaben wie Stuttgart 21, so Luczak.

Gerade in Stuttgart sollte man das Urteil sehr genau lesen. Denn nachdem sich bei der Volksbefragung eine Mehrheit für den Weiterbau von Stuttgart 21 ausgesprochen hatten und eine starke Minderheit die Proteste fortsetzen will, dürfte der Abriss von Gebäudeteilen des alten Bahnhofs noch einmal zu einer Kraftprobe zwischen Gegnern des Bauprojekts und der Polizei werden.

Unter dem Titel D-Day sind Polizeiplanungen für diesen Tag X in die Öffentlichkeit gedrungen. Es muss sich nun zeigen, ob unter einen grünen Ministerpräsidenten solche Polizeieinsätze nach der Maßgabe der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolgen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150947

Peter Nowak


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