Warum nicht mal die FDP besetzen?

Occupy-FDP ruft zum Entern bzw. zu einer freundlichen Übernahme der Liberalen durch einen Masseneintritt in die Partei auf

Die Tage werden kürzer und kälter und das Leben der Occupy-Aktivisten in ihren Zelten dementsprechend härter. Da scheinen einige auf die Idee gekommen zu sein, mal die FDP zu besetzen. Platz genug ist dort ja, seit die Partei in der Wählergunst zur Splittergruppe degradiert wird. Ist sie am Ende auch mathematisch das ominöse 1% in der Gesellschaft, gegen das die Occupy-Bewegung mobil macht?

Wer auf der Homepage von Occupy-FDP dazu Antworten erwartet, wird allerdings enttäuscht sein. Dort heißt es:

„Wir zeigen der FDP, was freie Märkte bedeuten. Wir übernehmen die Mehrheit der FDP und stellen sie auf ein neues Fundament. Oder wir lösen sie auf.“

Unter den Zielen wurde aus der ursprünglichen feindlichen mittlerweile die freundliche Übernahme. Als erstes wollen die Initiatoren 65.000 Mitglieder gewinnen, soviel wie die FDP bereits hat. Um auch niemanden auszuschließen, wird den potentiellen Neueintritten versichert, dass sie die FDP ja nicht wählen müssen. Zudem sollen Personen, „die einen sozial, ökologisch und ökonomisch verantwortungsvollen Kurs nicht unterstützen“, aus allen Schlüsselpositionen entfernt werden. Doch auch wenn die FDP die Besetzer nicht hereinlässt, sehen sich die Besetzer als Sieger. Am Ende des Absatzes heißt es dann fast kämpferisch: „Der Angriff auf die FDP ist also in jedem Fall erfolgreich.“

Da ist das Interview, das zwei FDP-Besetzer mit den Alias-Vornamen Guido und Philipp der Süddeutschen Zeitung gegeben haben, mehr auf das neue Zielobjekt zugeschnitten.

„Wir sind keine Anarchisten, sondern kommen aus der bürgerlichen Mitte“, bekennt Philipp. Sein Mitbesetzer ergänzt. „Wir sind keine linken Spinner, die mit Schildern auf der Straße stehen, sondern mittelständische Unternehmer, teils auch mit Familie. Was die Anonymität angeht, ist es wichtig zu betonen, dass es nicht um einzelne Köpfe, sondern um die Gemeinschaft geht.“

Bei solchen Statements fragt man sich, warum sie nicht einfach einen Mitgliedschein ausfüllen. Aber es scheint zur Zeit besonders angesagt, überall Occupy-Label dranzuheften. Die Phrasendichte im Interview reicht auch bei den Neubesetzern schon an die etablierter Politiker. So darf die Leerformel, dass der Mensch systemrelevant ist, nicht fehlen. Auch einige Kostproben ihrer männlichen Steherqualitäten haben Guido und Philipp schon abgegeben:

„Die FDP ist ein sehr sinnvoller Übernahmekandidat. Es gibt eine Regierungsbeteiligung, aber es fehlt an kompetentem Personal. Wenn Angela Merkel etwas passieren würde, wäre Philipp Rösler Kanzler – mit null Prozent Unterstützung in der Bevölkerung. Hätte die FDP Eier in der Hose, hätte sie längst aufgehört.“

Vielleicht gelingt es den Neueinsteigern damit, die Frauenquote in der FDP in Richtung Piratenpartei zu senken.

Vorbild „Projekt Absolute Mehrheit“ scheiterte

Die Frage, ob es sich hier um eine freundliche oder feindliche Übernahme handelt, ob hier Occupy-Aktivisten über den Winter ein warmes Plätzchen suchen oder gelangweilte Mittelständler ihren Parteieintritt modisch zelebrieren, dürfte bald uninteressant werden. Schließlich gibt es für die Aktion ein Vorbild.

Während des Studierendenstreiks 1998 riefen einige Berliner Bildungsaktivsten das Projekt Absolute Mehrheit aus. Auslöser war ein Taz-Beitrag des Politologen Tobias Dürr, in dem er schrieb, die Teilnehmerzahl eines überfüllten Proseminars würde genügen, um in Orts- und Kreisverbänden der etablierten Parteien neue Mehrheiten zu schaffen und andere Themen auf die Tagesordnung zu setzen.

Während vor allem die konservativen FDP-Bezirke die studentische Übernahme mit allen bürokratischen Mitteln behinderten, freuten sich andere auf den Zulauf. Nach einigen Monaten haben die Organisatoren ihr Projekt offiziell für gescheitert erklärt. Der Initiator wechselte zu den Grünen. Für ihre Wiedergänger 12 Jahre später stünde dann wohl die Piratenpartei bereit.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/150909
Peter Nowak


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