EU drängt auf Bahnprojekt in Italien

Widerstand gegen Tunnel im Susa-Tal hält an

 »Zusammenstöße bei Protesten gegen Bahnprojekt.« Wer solche Meldungen in diesen Tagen liest, denkt sofort an den Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21. Doch auch in Norditalien ist der Widerstand gegen ein Bauvorhaben der Bahn wieder eskaliert.

Am vergangenen Sonntag protestierten im Susa-Tal in der Nähe von Turin nach Veranstalterangaben 50 000 Menschen gegen den geplanten Bau eines Hochgeschwindigkeitstunnels, der Lyon und Turin verbinden  verbinden soll. Damit soll die Fahrzeit mit der Bahn zwischen Mailand und Paris von 7 auf 4 Stunden verkürzt werden.  Seit Jahren wehren sich dagegen Anwohner,  die vor allem  auf die Umweltfolgen im Susa-Tal,  aber auch die massiven Kosten des Projekts  verweisen.  Die Tunnelgegner haben sich schon 2003 zum Bündnis No TAV zusammengeschlossen. Einer der Protesthöhepunkt war im November 2006 eine Demonstration von 70000 Gegnern des Projekts. Der  massive Widerstand zeigte Wirkung. Das Bahnprojekt ist seit Jahren ins Stocken geraten. Doch jetzt macht die EU Druck. Denn  ein Teilstück des  Schnellbahntunnels   soll den Bahnkorridor zwischen Lissabon und Kiew schließen.  Die Europäische Union fordert von der italienischen Regierung den sofortigen Baubeginn. Ansonsten würde die EU-Mittel in Höhe von 671 Millionen Euro gestrichen, die Brüssel für die Fertigstellung des Tunnels zur Verfügung gestellt bekommen hat.    Damit lieferte die EU der italienischen Rechtsregierung eine Steilvorlage. 
„Das Projekt wird gebaut. Sonst müssten wir auf Hunderte von Millionen Euro EU-Subventionen verzichten und vor allem auf eine Verbindung zu Europa – und das wäre ein Abschied von der Zukunft“,  erklärte der italienische Innenminister Roberto Maroni. Um die Proteste  einzudämmen fordert der Politiker der rechtspopulistischen Lega Nord mehr Polizei und härtere Strafen. Dabei verweist er auf militante Auseinandersetzungen im  Anschluss an die Proteste am 3. Juli, bei denen es zahlreiche Verletzte gegeben hat.  
  Doch die Tunnelgegner wollen nicht klein beigeben. Sofort nach dem die neuen Pläne bekannt geworden sind, errichteten sie mehrere  Campst, mit denen sie  die Vorbereitungen zum  Baubeginn blockieren wollen. Die Region gilt  traditionell als widerständig und war während des Mussolini-Regimes eine Hochburg des antifaschistischen Kampfes.  Die Aktivisten erhoffen sich auch Unterstützung aus anderen Ländern. In Deutschland haben sich die Stuttgarter 21-Gegner mit den  italienischen Anti-Tunnel-Kämpfern solidarisiert.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/201578.eu-draengt-auf-bahnprojekt-in-italien.html

Peter Nowak