Dialogagenda Stuttgart 21: Reden und Weiterbauen

Mappus könnte mit seiner Gesprächsbereitschaft eine schwarz-grüne Koalition nach den Landtagswahlen anstreben

Als Rambo wurde der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus in den letzten Tagen von den Gegnern des Verkehrsprojekts Stuttgart 21 nach den Polizeieinsätzen der letzten Woche immer wieder karikiert. Der so Gescholtene gab sich in einer Landtagssitzung am 6. Oktober versöhnungsbereit, betonte aber in der Regierungserklärung an dem Projekt festhalten zu wollen. Er verwies auf die ökonomischen Vorteile, die das Projekt seiner Meinung nach für die Region und ganz Baden-Württemberg habe. Sollte der Bahnhof nicht gebaut werden, drohe das Land ökonomisch abgehängt zu werden, warnte Mappus.

Damit wird auch schon seine Wahlkampfstrategie in den kommenden Monaten deutlich. Denn nach dem Streit um Stuttgart 21 wurden der CDU sinkende Umfragewerte prognostiziert. Dem will die CDU mit ihrem Bekenntnis zum Industriestandort Baden-Württemberg begegnen. Gleichzeitig aber muss Mappus den Eindruck zerstreuen, er wolle das Projekt mit aller Gewalt durchsetzen, weil davon sogar Teile der CDU-Basis nicht angetan waren.

Deshalb gab sich Mappus auch etwas selbstkritisch, ohne den Polizeieinsatz direkt zu kritisieren. Vielmehr sprach er von Szenen im Stuttgarter Schlossgarten, die sich nicht wiederholen dürften, und bekundete, wegen des Streits um den Bahnhof dürfe niemand verletzt werden. Als Vermittler hat er mit Heiner Geißler einen Mann vorgeschlagen, von dem er überzeugt ist, dass er auch von den Kritikern, die Mappus mehrmals als Gegnerbewegung titulierte, nicht abgelehnt werden kann. Tatsächlich genießt das CDU- und Attac-Mitglied Geißler auch in oppositionellen Kreisen Respekt. Zudem hat er schon in Tarifkonflikten zwischen Gewerkschaften und Unternehmern vermittelt. Doch dabei ging es meist um die Annäherung von Lohnprozenten. Wie aber soll ein Kompromiss in Stuttgart aussehen? An dieser Frage dürfte auch die Vermittlungsfähigkeit eines Heiner Geißler an Grenzen stoßen. Schließlich sind die Ausgangspositionen klar: Die Kritiker wollen Stuttgart 21 stoppen und über konkrete Abwicklungsmodalitäten diskutieren. Die Landesregierung hingegen will die Kritiker in das Projekt einbinden.

Schwarz-grün noch nicht vom  Tisch?

Wenn auch kaum Aussicht auf eine Einigung besteht, so könnte die Landesregierung doch von der versöhnungsbereiten Handlung profitieren. Schließlich wurden durch den Polizeieinsatz, den Abriss eines Teils des Bahnhofs und des Fällens von Bäumen Fakten geschaffen. Mappus betonte in seiner Rede, immer nur die Arbeiten vorgenommen zu haben, die für den Fortgang des Projekts in der jeweiligen Phase unumgänglich sind.

Der Bau kann auch weitergehen, wenn der noch nicht abgerissene Teil des Bahnhofs erhalten, in Teilen des Parks ein besonderer Schutzraum für die Juchtenkäfer geschaffen und auf besondere Barrierefreiheit aller Bauten Wert gelegt wird. Doch die Grünen, die sich besonders für eine Vermittlung einsetzen, was von Mappus in der Regierungserklärung mit einen Lob für deren Vorsitzenden Winfried Kretschmann ausdrücklich gewürdigt wurde, könnten mit solchen Kompromissen sogar eine schwarz-grüne Koalition nach den Landtagswahlen anstreben. Dass war schon länger das Ziel von großen Teilen der grünen Basis in dem Land und auch von Kretschmann. Die Auseinandersetzungen in Stuttgart waren für solche Pläne scheinbar eher hinderlich. Zumindest diejenigen unter den Stuttgarter Demonstranten, die angesichts des Polizeiaufmarsches das Deutschlandlied anstimmten, dürften für Mappus Dialogagenda noch nicht verloren zu sein.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148515

Peter Nowak


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