
Maja T. schrieb in einer Erklärung, dass sie ihren Hungerstreik nach fast 6 Wochen unterbricht, weil sie nicht bereit ist, schwere körperliche Schäden oder gar den Tod auf sich zu nehmen. Ihr Gesundheitszustand hatte sich in den letzten Tagen dramatisch verschlechtert. Die Ärzte in dem Gefängniskrankenhaus, in dem sie untergebracht ist, hatten sogar überlegt, ihr einen Herzschrittmacher zu implantieren, um einen Herzstillstand zu verhindern. Die Gefangene war am 5. Juni 2025 …
… in den Hungerstreik mit der zentralen Forderung getreten, aus Ungarn nach Deutschland zurückkehren zu kennen. In ihrer Abschlusserklärung bezeichnete es Maja T. als naiv zu glauben, dass sie mit dem Hungerstreik den Druck so erhöhen könnte, um die Forderung durchzusetzen. Erst in den letzten Tagen war die Unterstützung für ihre Forderung gewachsen. Dafür setzt sich jetzt auch die SPD-Fraktion ein. Schließlich ist die Forderung nach Rückführung nach Deutschland keineswegs linksradikal. Damit würde eine Forderung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, die Majas Auslieferung nach Ungarn für rechtswidrig erklärt hatte. Doch dieses Urteil hatte keine weiteren Folgen. Maja T. blieb in ungarischer Isolationshaft. Dass die Bedingungen ihrer Gefangenschaft in Ungarn mittlerweile in Deutschland ein größeres Thema sind, ist vor allem Majas Vater zu verdanken.
Über 300 Kilometer ist Wolfram Jarosch Anfang Juli von Jena nach Berlin gelaufen. In verschiedenen Städten wurde er von Unterstützern begleitet. Denn Jarosch verbindet mit dem Lauf ein sehr existentielles Ziel. Es geht um das Leben von Maja. Der Antifaschistin wird vorgeworfen, im Februar 2023 an militanten Angriffen auf Neonazis beteiligt gewesen zu sein. Die Rechten hatten sich in Budapest an einem Aufmarsch zu Ehren von Wehrmacht und SS, dem sogenannten Tag der Ehre, beteiligt. Deswegen wird gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten in verschiedenen europäischen Ländern ermittelt. Auch in Deutschland sitzen mittlerweile zahlreiche Antifaschisten in Untersuchungshaft, obwohl sie sich freiwillig den Verfahren gestellt haben.
In Budapester Gefängnissen
Nur Maja wurde am 28. Juni 2024 in einer Blitzaktion nach Ungarn ausgeliefert. Das Bundesverfassungsgericht hat noch am gleichen Tag diese Abschiebung für unrechtmäßig erklärt, weil der queeren Antifaschistin in Ungarn massive Verletzungen ihrer Rechte drohten. Das hat sich mittlerweile bestätigt, erklärte der Rechtsanwalt Sven Richwin kürzlich auf einer Solidaritätsveranstaltung in Berlin.
Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass sich manche der geschilderten Haftbedingungen gar nicht so sehr von denen in Deutschland unterscheiden, besonders wenn es sich um Gefangene mit politischem Hintergrund handelt. Dazu gehört die Einzelhaft, der Maja seit über einem Jahr ausgesetzt ist. Jarosch wies in der Veranstaltung mit Recht auf die gesundheitsschädlichen Folgen einer solchen Isolierung hin, der allerdings seit vielen Jahrzehnten auch in Deutschland Gefangene ausgesetzt waren und sind. Schon in den 1970er Jahren sind die Schriften über die Folgen von sensorischer Deprivation verfasst wurden, wie die Isolationshaftbedingungen in einer Fachsprache heißen.
Die Unterschiede zwischen der deutschen und ungarischen Gefängnissystemen lassen sich vor allen an dem Umgang mit Besuchen deutlich machen. So schilderte eine Freundin von Nele, einer in der JVA Chemnitz inhaftieren Antifaschistin, dass sie regelmäßig mit der Gefangenen telefonieren und sie auch öfter besuchen und umarmen kann. In Ungarn sind die seltenen Besuche nur mit Trennschreiben möglich, was allerdings auch für manche Gefangene in Deutschland zutrifft. Doch besonders die Prozessführung unterscheidet sich in Ungarn in zentralen Punkten von der in Deutschland, wie es Sven Richwin auf der Veranstaltung erläuterte.
Ungarische Prozessführung
So kann Maja nicht neben ihren Anwalt sitzen und sich daher während des Prozesses auch nicht mit ihm kommunizieren. Die Anwälte kennen auch nicht die gesamte Akte, was eine Prozessführung massiv erschwert. Die Belastungszeugen müssen auch nicht vor Gericht erscheinen, sondern werden per Video zugeschaltet und können daher von den Anwälten der Verteidigung nicht kritisch befragt werden. Vielmehr lässt sich der Richter nur bestätigen, was die Zeugen zuvor beispielsweise bei der Polizei ausgesagt haben. Selbst wenn sich die Zeugen daran nicht mehr erinnern können, sei das für den Richter kein Anlass, an der Aussage zu zweifeln.
Das ist eine gravierende Einschränkung für Majas Verteidigung, betont Richwin. „In Deutschland ist es wichtig, den Zeugen direkt im Prozess zu hören und nicht einfach ältere Aussagen zu wiederholen. Vor allem können die Zeugenaussagen in Budapest nicht kritisch hinterfragt werden.“ Das macht Richwin daran deutlich, dass sich die Zeugen als unpolitische Budapest-Touristen darstellen, die von Antifaschisten angegriffen wurden, weil sie ihn ihnen Neonazis vermutet hatten. Dabei bestätigen mehrere der Zeugen, dass sie Insignien rechter Gruppen getragen hätten. Das rechtfertigt nun nicht die Angriffe. Doch in Deutschland würden die Anwälte der Angeklagten den Neonazi-Hintergrund der Zeugen im Prozess thematisieren, weil die ja auch einen Grund haben könnten, eine unliebsame Antifaschistin mit ihren Aussagen über Jahrzehnte im Gefängnis verschwinden zu lassen. Tatsächlich droht Maja eine lange Gefängnisstrafe, wenn sie schuldig gesprochen wird. Maja T. fordert die Rückführung nach Deutschland und würde sich wie die übrigen Antifaschisten, die wegen des Budapest-Verfahrens angeklagt sind, hier einem Prozess stellen.
„Marsch für Gerechtigkeit“
Majas Vater hatte auf seinen Marsch für Gerechtigkeit über 100 000 Unterschriften unter die Petition „Holt Maja zurück“, die er mit Unterstützern am Morgen des 7. Juli im Auswärtigen Amt übergeben hatte. Begleitet wurde er von ca. 90 Unterstützern. Außenminister Wadephul war zu einem erbetenen persönlichen Gespräch mit Majas Vater nicht bereit. Es gab lediglich ein vierzigminütiges Treffen mit einem Mitarbeiter im Ministerium, über deren Inhalt bisher beide Seiten Stillschweigen bewahren. Das Ministerium betont immer, es sieht keine rechtliche Möglichkeit, Majas Rückführung aus Ungarn durchzusetzen. Lediglich eine konsularische Betreuung wurde Maja angeboten, die allerdings jeden deutschen Staatsbürger im Ausland zusteht. Zudem gibt es eine Vereinbarung, dass Maja nach ihrem Prozess in Ungarn ihre Haftstrafe in Deutschland absitzen könnte. Doch darauf will sich die Antifaschistin nicht verlassen, wie sie mit ihrem Hungerstreik deutlich macht.
Gefängnisseelsorge setzt sich für Maja ein
Eine länderübergreifenden Solidaritätskampagne will auch nach der vorläufigen Beendigung den Druck so zu erhöhen, dass Maja nach Deutschland überstellt wird, erklärte Konstantin vom Solidaritätskomitee für die Antifaschisten im Budapest-Verfahren.
Ziel ist es, die bürgerliche Öffentlichkeit zu erreichen, um Druck für Majas Rückkehr zu erhöhen. Einige Erfolge hat das Bündnis in den letzten Wochen erzielt. So haben evangelische und katholische Gefängnisseelsorger eine Erklärung verfasst, in der sie sich mit Maja solidarisieren. Auch mehrere Pfarrer aus Jena haben ähnliche Erklärungen veröffentlicht. Sogar Kontakte zu deutschen Wirtschaftskreisen, die vom Billiglohnland Ungarn profitieren, sind geplant.
Eine solche zivilgesellschaftliche Solidaritätsarbeit ist wohl auch aus der Analyse entstanden, dass es keine gesellschaftliche Linke momentan gibt, die dazu in der Lage wäre, den Druck zu erhöhen. Aber es ist schon auffallend, dass eine Arbeit, die vor Jahrzehnten linksliberale und zivilgesellschaftliche Organisationen leisteten, heute von Teilen der außerparlamentarischen Linken getragen werden muss. Um die bürgerlichen Kräfte nicht zu verschrecken, muss in der Kampagne die Kritik an den rechtsstaatlichen Zuständen in Deutschland recht leise ausfallen. Dabei sind viele der im Fall Maja in Ungarn kritisierten Praktiken, wie Einzelhaft, Besuch mit Trennscheibe, Postkontrolle auch hierzulande keineswegs unbekannt. Es waren auch deutsche Justizstellen, die Maja in einen Blitzverfahren nach Budapest ausgeliefert haben, obwohl klar war, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch ausstand.
Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass gegen 6 Antifaschisten, gegen die im Budapest-Komplex ermittelt wird und die sich freiwillig gestellt haben, Anklage vor dem OLG Düsseldorf erhoben wird. Das ist für die Mehrheit der in Ostdeutschland lebenden Angeklagten, Angehörigen und Unterstützern mit großen Wegstrecken verbunden, erschwert also die Solidaritätsarbeit wie es in einer Stellungnahme heißt.
Eine weitere Auslieferung nach Ungarn?
Zumindest droht ihnen nicht mehr die Auslieferung nach Ungarn. Davon ist allerdings noch Zaid A. bedroht, der nur die syrische und nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Gegen ihn wird nach dem Budapest-Komplex ermittelt und er hat sich wie andere Antifaschisten in Köln gestellt und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Doch bisher ermittelt die deutsche Justiz nicht gegen ihn.
Was auf den ersten Blick eine positive Nachricht sein könnte, ist es in diesem Fall nicht. Denn dadurch droht ihm ebenfalls die Auslieferung nach Budapest. Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten, in denen eine Strafverfolgung vor der deutschen Justiz schon eine gute Nachricht, weil sie die weniger schlechte Alternative ist, könnten wir Brecht persiflierend dazu sagen.
Solidarität geht nach Unterbrechung des Hungerstreiks weiter
Die Solidaritätsgruppen betonen, dass sie nach dem Ende des Hungerstreiks weiter für die Forderungen eintreten. Am Dienstagmittag haben Unterstützer von Maja das ZDF-Hauptstadtstudie besucht und auf einem Transparent gefordert, dass der Sender über die Situation von Maja T. informiert. Denn eins ist klar. Wenn sich an ihren Haftbedingungen nichts ändert, wird die Gefangene, wenn sie sich einigermaßen gesundheitlich erholt hat, den Hungerstreik wieder aufnehmen, wie sie in ihrer Erklärung ankündigte. Es ist schon traurig, dass sie ihre Gesundheit auf Spiel setzen muss, um einen Gerichtsbeschluss durchzusetzen. Die rechte Regierung in Italien hat sich energischer für eine italienische Antifaschistin eingesetzt, die unter ähnlich schlechten Bedingungen und mit den gleichen Vorwürfen wie Maja T. inhaftiert war. Peter Nowak
https://overton-magazin.de/top-story/maja-t-beendet-hungerstreik-im-ungarischen-gefaengnis/