Gastbeitrag von Peter Nowak, Journalist: Erinnerung an die Aktualität der Zimmerwalder Linken

Erinnerung an die Aktualität der Zimmerwalder Linken –

Es ist heute notwendiger denn je, sich mi den Positionen der Zimmerwalder Linken auseinanderzusetzen. Eine wichtige Aufgabe von linken Bewegungen müsste es heute sein, Aktionen von Arbeiterinnen gegen Krieg und Militarismus bekannt zu machen und sich mit den verfolgten Gewerkschafterinnen in allen Ländern zu solidarisieren, die gegen Kapitalismus und Krieg auf beiden Seiten kämpfen. Dazu gehören die unabhängigen Gewerkschafterinnen in Belorussland und Russland, aber auch die ukrainischen Gewerkschafterinnen, die gegen ein gewerkschaftsfeindliches Gesetz kämpfen, das kürzlich von der Selenskij-Regierung beschlossen wurde. Dazu gehören auch die Basisgewerkschaften in Italien und Griechenland

Seit mehr als zwei Jahren führt die Armee des kapitalistischen Russland gegen die kapitalistische Ukraine Krieg. Es geht in beiden Seiten um die kapitalistischen Interessen von zwei bürgerlichen Staaten. Auf beiden Seiten sterben überwiegend Proletarierinnen und arme Menschen, so wie in allen Kriegen, die die herrschenden Kapitalisten führen. Wenn man die Debatten in der gesellschaftlichen Linken in Deutschland aber auch in anderen Ländern verfolgt, hat man den Eindruck, diese Debatte aus der Arbeiterinnenbewegung ist an ihr vorbeigegangen. Kaum jemand, knüpft an die Position der Zimmerwalder Linken an, die …

… mitten im ersten imperialistischen Weltkrieg einen revolutionären Ausweg aus Kapitalismus und Krieg suchte. Hier soll an die Aktualität der Zimmerwalder Linke erinnert
werden

Von Stuttgart nach Zimmerwald

Vor dem I. Weltkrieg wurde auf dem Internationalen Kongress der Sozialistinnen 1907 in Stuttgart beschlossen, dass ein Krieg zwischen den Nationen mit allen Mitteln verhindert werden soll und wenn das nicht gelingt, alles getan werden muss, damit er schnellstens beendet wird. Nach Beginn des I. Weltkriegs gingen aber die meisten Sozialistinnen auf die Seite ihrer Bourgeoisie und wurden
zu „linken“ Vaterlandsverteidigerinnen. Kleine Minderheiten in vielen Parteien sowie die russischen Bolschewiki hielten an der Ablehnung fest, sich in einem Krieg zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten auf eine Seite zu stellen. Ein erstes internationales Treffen fand vor 109 Jahren vom 5. bis 9. September 1915 im schweizerischen Zimmerwald statt. Es war der Startschuss für die Zimmerwalder Bewegung, die gegen jegliche Unterstützung des Krieges agierte. Aus der Zimmerwalder Bewegung entwickelte sich die Zimmerwalder Linke, die die russischen Bolschewiki ebenso erfasste, wie den Spartakusbund in Deutschland und Sozialistinnen aus anderen Staaten.

Zentrale Rolle von Lenin

Eine zentrale Rolle bei der Herausbildung der Zimmerwalder Linken spielte Lenin. Bereits Anfang September 1914 legte ein kurzes Thesenpapier unter dem Titel „Die Aufgaben der revolutionären Sozialdemokratie im europäischen Kriege“ vor, das international verbreitet wurde. Darin wurden die Grundsätze des revolutionären Defätismus erstmalig grob formuliert, die in den folgenden Jahren von den radikalen Linken in Broschüren, Artikeln, Reden oder Flugschriften tausendfach verbreitet wurden. Hier wurde die Grundlage
für die Zimmerwalder Linke gelegt. Nach der Konferenz sorgten Lenin und die Bolschewiki dafür, dass die Lehre von Zimmerwald bei den ausgebeuteten
Massen in allen kriegsführenden Staaten bekannt wurde. Auf einer internationalen Kundgebung am 8. Februar 1916 in Berlin erklärte Lenin:
„Seit mehr als anderthalb Jahren wütet der europäische Krieg. Und mit jedem weiteren Monat, mit jedem weiteren Tage des Krieges wird es für die Arbeitermassen immer klarer, daß das Zimmerwalder Manifest die Wahrheit gesagt hatte, als es sagte, daß die Phrasen von der ,Vaterlandsverteidigung‘ und dergleichen nichts als Betrug der Kapitalisten sind“. Lenin ging dann auf die wichtige Rolle des Kampfes der revolutionären Arbeiter*innen in Russland gegen Krieg und Kapitalismus ein. Aber er zeigte in seiner Rede auch auf, wie die Ideen von Zimmerwald beim Proletariat vieler anderer Länder auf Zustimmung stieß. So zitierte Lenin den US-Sozialisten Eugene Debs: „Ich bin kein kapitalistischer Soldat; ich bin ein proletarischer Revolutionär. Ich gehöre nicht zur regulären Armee der Plutokratie, wohl aber zur irregulären Armee des Volkes. Ich verweigere den Gehorsam, in den Krieg zu gehen für die Interessen der Kapitalistenklasse. Ich bin gegen jeden Krieg außer einem Kriege.
Für diesen Krieg stehe ich mit meiner ganzen Seele, und das ist der Weltkrieg für die soziale Revolution. An diesem Kriege bin ich bereit teilzunehmen, wenn die herrschenden Klassen einen Krieg überhaupt notwendig machen wollen.“
Diese Position des revolutionären Defätismus mündete in Russland in die
Oktoberrevolution und in verschiedene Räterepubliken beispielsweise in Bremen, Bayern, aber auch vielen anderen Ländern.

Es ist heute notwendiger denn je, sich mi den Positionen der Zimmerwalder Linken auseinanderzusetzen. Eine wichtige Aufgabe von linken Bewegungen müsste es heute sein, Aktionen von Arbeiterinnen gegen Krieg und Militarismus bekannt zu machen und sich mit den verfolgten Gewerkschafterinnen in allen Ländern zu solidarisieren, die gegen Kapitalismus und Krieg auf beiden
Seiten kämpfen. Dazu gehören die unabhängigen Gewerkschafterinnen in Belorussland und Russland, aber auch die ukrainischen Gewerkschafterinnen, die gegen ein gewerkschaftsfeindliches Gesetz kämpfen, das kürzlich von der Selenskij-Regierung beschlossen wurde. Dazu gehören auch die Basisgewerkschaften in Italien und Griechenland. So haben italienische und griechische Hafenarbeiter erfolgreich Waffentransporte verweigert. und damit ein Zeichen gesetzt. Wir dürfen nicht vergessen, jede Haubitze und jeder Panzer, der in der Kasseler Rüstungsindustrie produziert wird, muss transportiert werden. Peter Nowak

Erstveröffentlichungsort:
https://www.rf-news.de/rote-fahne/2024/nr10