Von welcher der Parteien geht die größte Bedrohung aus?

Gefahrensphären

Eine linke Strategie gegen die aktuellen Krisen kann der Schulterschluss mit dem progressiven Neoliberalismus jedenfalls nicht sein; das stellte die US-Sozialwissenschaftlerin Nancy Fraser bereits 2017 fest. Vielmehr müssten Linke eigene Strategien ebenso gegen »woken« Kapitalismus wie Rechtspopulismus entwickeln – aber daran scheitert sowohl nicht nur das Wagenknecht-Lager in der Linkspartei als auch seine Kritiker*innen. 

Für Außenstehende ist oft schwer nachvollziehbar, worum in der Linkspartei eigentlich gestritten wird. Jüngst sorgte wieder einmal Sahra Wagenknecht in der eigenen Partei für Empörung, mit der Aussage, die Grünen seien die derzeit gefährlichste Partei im Bundestag. Sogar einige Parteiaustritte gab es deswegen: Hier würde die AfD verharmlost, lautete der Vorwurf. Diese Aufregung ist etwas verwunderlich, denn schließlich …

… hauen sich Parteien, die in der bürgerlichen Demokratie um Wähler*innen konkurrieren, nicht selten das Etikett »gefährlich« um die Ohren. Der erste Bundeskanzler der BRD, Konrad Adenauer, bezeichnete in den 1950er Jahren etwa die SPD als Gefahr für die Sicherheit des Landes, weil sie sich (noch) nicht rückhaltlos zu Nato und Wiederaufrüstung bekannte. In den Anfangsjahren der Grünen wurden diese von den restlichen Parteien als Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Sicherheit des Landes gebrandmarkt. Diese Zeiten sind allerdings lange vorbei und spätestens mit dem Kosovokrieg 1999 wuchs auch die linke Kritik an den Grünen, nicht zuletzt von ehemaligen Parteimitgliedern, die austraten, weil sie die Anpassung der Partei an Staat, Kapital und Nato nicht mittragen wollten. Schon damals wurde von linker Seite gemutmaßt, die Grünen seien besonders gefährlich, weil sie mit ihrem Image als Partei des Friedens und des Umweltschutzes unpopuläre Maßnahmen in der Bevölkerung umso besser durchsetzen könnten. Einige Beispiele: das Bahnprojekt Stuttgart 21, das geplante Wegbaggern des Dorfes Lützerath, das der Kohle weichen soll – oder auch die Agenda 2010, in der die Grünen zusammen mit der SPD das größte Sozialabbau-Programm der Bundesrepublik einleiteten. Und eben die Kriegstreiberei. Viele Antimilitarist*innen erinnern sich zu gut daran, wie die Grünen um den damaligen Außenminister Josef Fischer 1999 ihr Image als Partei der Friedensbewegung einsetzten, um umso vehementer ein Eingreifen der Bundeswehr in Jugoslawien zu fordern.  Im aktuellen Krieg um die Ukraine gilt innerhalb der Grünen – auch jetzt wieder Regierungspartei – und ihnen nahestehenden linksliberalen Milieus schon die bloße Diskussion über Waffenstillstand und Friedensverhandlungen als Verrat. Einen Grund für diese Haltung der Grünen sieht der linke Theoretiker Detlef Hartmann darin, dass die Partei heute von aggressiven Kapitalfraktionen unterstützt würde. Eine linke Strategie gegen die aktuellen Krisen kann der Schulterschluss mit dem progressiven Neoliberalismus jedenfalls nicht sein; das stellte die US-Sozialwissenschaftlerin Nancy Fraser bereits 2017 fest. Vielmehr müssten Linke eigene Strategien ebenso gegen »woken« Kapitalismus wie Rechtspopulismus entwickeln – aber daran scheitert sowohl nicht nur das Wagenknecht-Lager in der Linkspartei als auch seine Kritiker*innen. Peter Nowak

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