st die Zeitschrift »Konkret« etwa zu russlandfreundlich?

Berührungsverbote

So begründen 29 Autor*innen, warum sie die Mitarbeit bei der linken Monats zeitung »Konkret« einstellen. Die Unterzeichner*innen werfen der Redaktion vor, im Ukraine-Konflikt zu russlandfreundlich berichtet zu haben, während sich die Berichterstattung der »Konkret« tatsächlich positiv von einem Großteil vieler – auch linker – Medien in Deutschland abhebt. Die Zeitschrift hat sich nicht einge reiht in die Phalanx der Journalist*in nen, die das »ukrainische Volk« als heldenhaften Verteidiger der »westlichen Werte« abfeierten.

Wir wollen und können nicht weiter in einer Zeitschrift publizieren, die sich in dieser Frage in die Nachbarschaft der AfD, des völkischen Flügels der Linkspartei oder Jürgen Elsässers ›‹Compact, von Henry Kissinger … oder den Lobbyverbänden der deutschen Industrie begibt.« So be gründen 29 Autor*innen, warum sie die Mitarbeit bei der linken Monatszeitung »Konkret« einstellen. Die Unterzeichner*innen werfen der Redaktion vor, im Ukraine-Konflikt zu russlandfreundlich berichtet zu haben, während sich die Berichterstattung der »Konkret« tatsächlich positiv von einem Großteil vieler – auch linker – Medien in Deutschland abhebt. Die Zeitschrift hat sich nicht eingereiht in die Phalanx der Journalist*in nen, die das »ukrainische Volk« als heldenhaften Verteidiger der »westlichen Werte« abfeierten. Hier wurde nicht geschwiegen über …

… ukrainische NS-Kameradschaften wie Asow und der antisemitische Gründungsvater des ukrainischen Nationalismus, Stepan Bandera, wurde nicht zum frühen Kämpfer gegen den russischen Imperialismus verklärt. Derweil wurde das Putin-Regime keineswegs schöngeredet. Die Qualität der Berichterstattung bestand gerade darin, dass beide Seiten kritisiert wurden. Auch einige der Autor*innen, die jetzt die Mitarbeit aufkündigten, haben in den letzten Monaten ihre prononcierte Russland-Kritik in »Konkret« veröffentlicht. Daran wären sie wohl auch weiterhin nicht gehindert worden. Nur konnten sie selbst es nicht mehr ertragen, dass ihre Kritik neben Texten von Autor*innen wie Jörg Kronauer steht, die die Verantwortung der Nato und auch der deutschen Politik in den Fokus rückten. So lässt sich der Offene Brief auch als ein Dokument linker Kritikunfähigkeit lesen, die bereits seit der Debatte um die Corona-Pandemie und die Gegenmaßnahmen um sich greift. Statt Argumenten und durchaus auch polemisch geführtem Streit, wofür die »Konkret« bekannt ist, dominieren nun Abgrenzung und Unterstellungen. Wie eingangs zitiert, stellen die Unterzeichner*innen hier gleich eine Nähe zur politischen Rechten und zum Kapital her.Wie aber gerät der jüdische US-Emgirant Henry Kissinger in diese Reihe der Feindbilder – ausgerechnet durch Autor*innen, die stets ihre Abwehr von Antiamerikanismus und Antisemitismus bekräftigen? Für Kritik am politischen Handeln des Politikers Henry Kissinger gibt es viele gute Gründe, aber muss er in eine Reihe mit der AfD gestellt werden, weil er als Senior für einen realistischen Ausgleich zwischen Russland und der Ukraine eintritt? Die Ex-Autor*innen berufen sich mit Recht darauf, dass die »Konkret« für eine strikte Linie gegen die Relativierung der Shoah steht. Aber warum erwähnen sie nicht, dass führende ukrainische Politiker genau dies betreiben, indem sie den Krieg Russlands mit dem Vernichtungskrieg der deut schen NS-Volksgemeinschaft gleichsetzen? Besonders absurd ist die Passage des Offenen Briefes, in der bestimmten anderen »Konkret«-Autor*innen vorgeworfen wird, »Bewohnerinnen und Bewohnern eines Landstrichs, in dem die Wehrmacht gewütet hat wie kaum irgendwo sonst, Lehren über die ›berechtigten russischen Sicherheitsinteressen‹ zu erteilen«. Mit keinem Wort erwähnen die Unterzeichner*innen, dass ausgerechnet die Strömung des ukrainischen Nationalismus, die mit Unterstützung von Nazi-Deutschland den Kampf gegen Juden und Kommunisten führte, seit 2014 in der Ukraine wieder Oberwasser bekommen hat. Es bleibt zu hoffen, dass solche historischen Wahrheiten auch weiter hin in »Konkret« zu lesen sein wer den, schon weil sie damit fast solitär in der linken Presselandschaft in Deutschland steht. Peter Nowak

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