Gentechnisches Netzwerk warnt vor Gesetzen, die angeblich das Strafverfahren modernisieren soll. Doch das Problem ist die Diskreditierung von Rechten für Verdächtige oder Angeklagte

Sind erweiterte DNA-Analysen eine Gefahr für Minderheiten?

Das Problem besteht aber gerade darin, dass große Teile der Bevölkerung es völlig in Ordnung finden, wenn die eines Verbrechens Beschuldigten oder Angeklagten ihrer Rechte beschnitten werden. Dass gegen alle Fakten eine steigende Kriminalität bei Teilen der Bevölkerung als Tatsache angesehen wird und diese gerne mit Nichtdeutschen in Verbindung gebracht wird, ist ein weiteres Problem. Erst in diesem Kontext können diese Gesetzesveränderungen zur Gefahr werden

Es ist eine eher trockene Materie, mit der sich der Bundestag derzeit beschäftigt. Dazu gehört die Reform des Strafprozessrechts mit zahlreichen Einzelpunkten, die wahrscheinlich auch ein Großteil der Bundestagsgeordneten nicht überblicken. Der großspurige Titel „Modernisierung des Strafverfahrens“ erinnert an das „Gute Kita-Gesetz“ und ähnliche Namensgebungen, denen ein Propagandaeffekt nicht abgesprochen werden kann. Am vergangenen Mittwoch hat der Rechtsausschuss dem Gesetz zur „Modernisierung der Strafverfahren“ zugestimmt. Am heutigen Freitag soll das Gesetz im Plenum beschlossen werden. Die wichtigste Änderung besteht wohl darin, dass die Polizei ….

…. in die Lage versetzt wird, aus Tatortspuren wie Blut oder Sperma künftig Hinweise auf das Aussehen und das Alter eines unbekannten Täters gewinnen zu können.

Damit soll der Kreis der potenziell Verdächtigen eingegrenzt werden. Allerdings bleiben auch bei der erweiterten DNA-Analyse die Prognosen ungenau.

Dass der Täter weiße Hautfarbe hat, kann mit 98-prozentiger Wahrscheinlichkeit vermutet werden, bei blonden Haaren liegt die Genauigkeit nur bei 70 Prozent. „Die Polizei dürfte das Instrument vor allem nützlich finden, wenn es um in Deutschland noch eher seltene Merkmale wie eine dunkle Hautfarbe geht“, schreibt die Taz.

Eine kritische Einschätzung unterbleibt, doch zumindest ein leichter Zweifel scheint dem Taz-Journalisten nicht fremd. Schließlich ist dort zu lesen: „Eine Stigmatisierung sei damit aber nicht verbunden, denn auch die Zeugenaussage, dass ein Täter dunkelhäutig war, darf verwendet werden, heißt es.“

Sicherheit von Minderheiten bedroht?

Das Gen-ethische Netzwerk (GeN) erhebt schwere Kritik gegen das Gesetzesvorhaben. Es sei technisch unausgereift und der Nutzen fraglich. Doch die zentrale Kritik der NGO ist die Gefahr der Gefährdung von Minderheiten.

Die Analyse der Pigmentierung von Augen- Haar- und Hautfarbe sowie des Alters ist zwar grundsätzlich möglich, doch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben immer wieder darauf verwiesen, dass die Vorhersagegenauigkeiten stark schwanken können und nicht den Testdaten aus dem Labor entsprechen. Eine Fehlleitung von Ermittlungen aufgrund von zu großem Vertrauen in die DNA-Technologie erscheint demnach höchst wahrscheinlich.

Gen-ethisches Netzwerk

Zwei falsche DNA-Spuren im NSU-Komplex

Wie wahrscheinlich solche Fehlleitungen sind, zeigte sich im Fall des NSU-Komplexes gleich zwei Mal. Zunächst sorgten verunreinigte Wattestäbchen bei der Auswertung dafür, dass von einer ominösen Frau als Täterin fabuliert und noch ein Roma-Hintergrund dazu fantasiert wurde. Hier zeigte sich konkret, wie aus einer falsch zugeordneten DNA-Spur eine rassistische Fama produziert wurde.

Dass man dazu keine falsche DNA-Spur braucht, zeigt die Erzählung von den „Döner-Morden“, die die Opfer zu Tätern machte. Aber in der Geschichte des NSU-Komplexes gab es noch eine falsche DNA-Zuordnung. So stand für kurze Zeit der Verdacht im Raum, ob der NSU-Terrorist Böhnhardt auch für den Mord an der Schülerin Peggy verantwortlich ist.

Bald stellte sich heraus, dass auch hier die DNA-Spurensuche versagt hat. Wenn es allein beim NSU-Komplex solche Fehlleistungen gab, wird deutlich, wie unsicher die DNA-Spurensuche ist.

Daher ist es zu begrüßen, dass das Gen-ethische Netzwerk (GeN) davor warnt, auf die DNA-Untersuchungsmethoden zu vertrauen. Gleichzeitig wurde deutlich, wie schnell mit falschen DNA-Ergebnissen rassistische Kampagnen entstehen können. Das GeN sieht hierin das zentrale Problem.

Die Gefahr des Racial Profiling

Nur Merkmale von Minderheiten helfen dabei, den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen. So werden Personen aus Minderheiten öfter von Ermittlungen belangt und rassistische Stereotype einer erhöhten Kriminalität zwangsläufig verstärkt werden. Zwar ist im Gesetzesentwurf die Rede davon, dass es „nicht zu einem Missbrauch […] im Sinne rassistischer Stimmungsmache oder Hetze kommen darf“, doch diesem Ratschlag folgen keinerlei Maßnahmen, die einen sensiblen Umgang sicherstellen würden.

Gen-ethisches Netzwerk

Zudem weisen die Kritiker der neuen Gesetze auf viele ungeklärte Fragen hin.

Es stellen sich noch viele Fragen bezüglich der Anwendung in Ermittlungen. Wie wird die Polizei etwa nach „Hautfarbe = dunkel“ fahnden? Dieses Merkmal ist bisher in keiner Datenbank vermerkt – werden entsprechende Datenbanken angelegt? Oder wird von Nationalität auf Hautfarbe geschlossen?

Gen-ethisches Netzwerk

Die Kritik des GeN wurde auch von Experten bei der Anhörung im Bundestag geteilt. Kritisch äußerten sich auch Politiker der Linkspartei. So nannte der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion Friedrich Stroetmanns den Namen des Gesetzes eine Täuschung.

Es handele sich nicht um eine Modernisierung des Strafrechts, sondern um ein „Gesetz zur Beschneidung von Beschuldigten- und Angeklagtenrechten“, sagte er.

Das Problem besteht aber gerade darin, dass große Teile der Bevölkerung es völlig in Ordnung finden, wenn die eines Verbrechens Beschuldigten oder Angeklagten ihrer Rechte beschnitten werden. Dass gegen alle Fakten eine steigende Kriminalität bei Teilen der Bevölkerung als Tatsache angesehen wird und diese gerne mit Nichtdeutschen in Verbindung gebracht wird, ist ein weiteres Problem. Erst in diesem Kontext können diese Gesetzesveränderungen zur Gefahr werden.  Peter Nowak