Der Streit um die Auslieferung von Josip Perkovic macht deutlich, dass es in der EU Staaten gibt, die bestimmen und andere, die zu folgen haben
Ein mysteriöser Todesfall in einer bayerischen Garage vor über 30 Jahren sorgt zwischen der EU und deren Neumitglied Kroatien seit einigen Wochen für Auseinandersetzungen. Denn Stjepan Djurekovic, so hieß der Tote, gehörte zu der regen jugoslawischen Exilopposition in Bayern. Ihre Wurzeln reichen zurück bis in die Zeit des NS-Regimes.
Zahlreiche kroatische Kollaborateure des NS fanden in Bayern Exil und wurden in Zeiten des Kalten Krieges gehätschelt. Der Balkan-Korrespondent Norbert Mappes-Niedick beschreibt die Rolle des Toten in der Garage so:
„Das Opfer, Stjepan Djurekovic, war ein INA-Direktor, der sich nach Bayern abgesetzt hatte. Der Konzern mit seinen Ölfeldern war die wichtigste Devisenquelle Jugoslawiens – und eine Brutstätte der Korruption. Djurekovic sollte gegen einstige Kollegen aussagen. Doch bevor es dazu kam, starb Djurekovic. Sieben Pistolenkugeln trafen ihn, dann schlugen ihm die Täter den Schädel ein. 25 Jahre später verurteilte das Oberlandesgericht München den jugoslawischen Spion, der Djurekovics Aufenthaltsort verraten hatte, zu lebenslanger Haft….. Zudem sei Djurekovic nicht aus wirtschaftlichen Motiven ermordet worden, sondern weil er dem liberalen Chef der Organisation politischer Emigranten aus Kroatien von rechts Konkurrenz machen wollte.“
Seine Mörder wurden daher schnell in jugoslawischen Geheimdienstkreisen vermutet. Schließlich unterhielt Jugoslawien eine „Abteilung zur Bekämpfung der feindlichen Emigration“. Deren Chef Josip Perkovic stand schon lange auf den Fahndungslisten der deutschen Justiz. Daher hat sie gleich, nachdem die Republik Kroatien EU-Mitglied geworden ist, einen Auslieferungsantrag gestellt und sich auf entsprechende europäische Verträge berufen.
Druck von EU und Deutschland auf Kroatien
Seitdem sorgt der Fall für Verstimmung zwischen Deutschland und Kroatien. Im letzten Sommer verzichtete Kanzlerin Merkel sogar auf einen Besuch bei der Feier zum kroatischen EU-Beitritt. Denn das Land hatte ein Gesetz erlassen, nachdem der europäische Haftbefehl nicht rückwirkend gelten sollte. Dann wäre auch Perkovic vor der deutschen Justiz sicher gewesen. Doch damit hatte Kroatien die Rechnung ohne die EU gemacht, die einen solchen Druck auf Kroatien ausübte, dass Kroatien nun doch Perkovics Auslieferung vorbereitet.
Das Vorgehen macht einmal mehr deutlich, welch großen Einfluss Deutschland in der EU hat und wie rücksichtslos es seine Interessen verfolgt. Dabei gehört Kroatien eigentlich zu den traditionell deutschfreundlichen Ländern in Ex-Jugoslawien. Schließlich war Deutschland auch unter den ersten Ländern, die Kroatien anerkannten und damit den Zerfall Jugoslawiens beschleunigten.
Doch im Fall Perkovic, der in der unabhängigen kroatischen Republik weiter im Amt geblieben ist, nahmen sogar die traditionell deutsch-kroatischen Beziehungen Schaden. Dabei war das kroatische Ansinnen, die Auslieferung auf die Zeit der EU-Mitgliedschaft zu begrenzen, sowohl politisch als auch juristisch durchaus nachzuvollziehen. Deutschland verbietet per Verfassung die Auslieferung.
Dass ausgerechnet Deutschland Druck auf Kroatien ausübt, um den exjugoslawischen Geheimdienstler auszuliefern, enthält eine pikante Note, weil es per Verfassung selbst jede Auslieferung der eigenen Staatsbürger ausschließt. Von dieser Regelung profitieren selbst NS-Sympathisanten aus den Nachbarländern, die im Nationalsozialismus zu deutschen Staatsbürgern erklärt wurden.
So verweigerte Deutschland die Auslieferung des niederländischen SS-Mannes Siert Bruins, der in Holland als „Bestie von Appingedam“ bekannt ist. Ihm wurden Morde an Juden und Widerstandskämpfern angelastet. Weil Bruins 1943 deutscher Staatsbürger wurde, konnte er nicht an sein Heimatland ausgeliefert werden.
Einer der letzten Kriegsverbrecherprozesse gegen ihn ist kürzlich ohne Urteil eingestellt worden. Wegen des großen zeitlichen Abstands konnte ihm die Verantwortung für den Mord an einem Widerstandskämpfer nicht mehr zweifelsfrei nachgewiesen werden, lautete die Begründung.
Die Verantwortung der deutschen Justiz für die Verzögerung wurde nicht thematisiert. Die unterschiedliche Gewichtung der Fälle Bruins und Perkovic zeigen an, welche Macht Deutschland in Europa hat. Schließlich ist nicht bekannt, dass es im EU-Raum einen großen Druck auf Deutschland gibt, seine Staatsbürger ebenfalls innerhalb der EU auszuliefern.
Eine solche Forderung wäre nur konsequent gegenüber einem Land, das mit massiven Druck auf Kroatien eine Auslieferung durchsetzen will. Kroatien wurde innerhalb der EU stark kritisiert, weil es keine rückwirkenden Auslieferungen zulassen wollte. Deutschland hingegen schließt jede Auslieferung aus. Dass zeigt, wie die Machtverhältnisse im EU-Raum sind.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155648
Peter Nowak
Links
[1]
http://www.sueddeutsche.de/bayern/mysterioeser-mord-vor-jahren-tot-in-der-garage-1.1424650
[2]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46174546.html
[3]
http://www.tagblatt.de/Home/nachrichten/ueberregional/politik_artikel,-Warum-der-Fall-des-Agenten-Josip-Perkovic-den-EU-Beitritt-Kroatiens-behindert-hat-_arid,242215.html
[4]
http://www.bka.de/nn_198448/DE/Fahndungen/Personen/BekannteTatverdaechtige/Perkovic/perkovicDeutsch.html
[5]
http://www.sueddeutsche.de/politik/streit-um-auslieferung-ueberschattet-eu-beitritt-merkel-sagt-besuch-in-kroatien-ab-1.1706918
[6]
http://www.n-tv.de/politik/Bestie-von-Appingedam-bleibt-frei-article12041966.html
[7]
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/siert-bruins-prozess-gegen-ns-verbrecher-ohne-urteil-eingestellt-12742623.html
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