Die Linke – Motor eines Politikwechsels?

In einem Strategiepapier wird vorgestellt, wie die Partei koalitions- und regierunsfähig gemacht werden könnte

Bis zur Bundestagswahl sind noch drei Jahre Zeit und doch bereiten sich die Parteien schon darauf vor. Die Linkspartei hat jetzt ein Strategiepapier vorgelegt, in dem sie ihre Pläne für die nächsten Jahre skizziert. Dabei macht die Partei schon im Titel deutlich, dass sie zu einem Motor für den Politikwechsel werden will. In dem Papier wird dieses Vorhaben dann konkretisiert. Es gehe um die Schaffung anderer gesellschaftlicher und parlamentarischer Mehrheiten. Diese sind aber ohne SPD und Grüne nicht denkbar. Deshalb wird im Strategiepapier offen formuliert, was bisher bei der Linkspartei ein Reizthema ist.

„Auf dieser Grundlage kann die Linke offensiv für die Abwahl von Schwarz-Gelb auch durch ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis kämpfen“, heißt es in dem Papier. In ihm wird aber auch das Dilemma angesprochen, dass SPD und Grüne sicherlich auch einen Regierungs-, nicht aber einen Politikwechsel im Sinne der Linken anstreben. Die Partei könnte sich dann schnell in die Rolle einer bloßen Mehrheitsbeschafferin für eine Politik wiederfinden, die an der Basis mehrheitlich gar nicht mitgetragen wird. Damit aber würde sie bald Mitglieder und Wählerstimmen verlieren. Verweigert sie sich aber einer solchen Funktion und wagt es eigene Forderungen zu stellen, könnte sie schnell als Verhinderung einer rot-grünen Reformpolitik gebrandmarkt werden.

Die aktuelle Diskussion in Nordrhein-Westfalen zeigt, was auf die Partei im Bund zukommen würde, wenn sie durch das Wahlergebnis zwischen SPD-Grünen und schwarz-gelben Block zum Zünglein an der Waage würde. Selbst bei Themen, wo es zwischen SPD, Grünen und Linken eigentlich eine gemeinsame Basis geben müsste, wenn es nach dem Wahlprogramm geht, hakt es bei der Umsetzung. Wie bei einen Pokerspiel geht es schließlich darum, wer mehr Angst vor Neuwahlen hat. Schnell wird auf diese Weise aus einer Debatte über politische Inhalte ein Gezerre über Umfragewerte.

Die Linke spricht in dem Strategiepapier die Problematik an, für die Ablösung der gegenwärtigen Regierungskoalition auf Parteien angewiesen zu sein, die wesentliche Ziele der Linken nicht teilen. Deshalb schlägt sie vor, nicht auf eine Änderung der Politik von SPD und Grünen zu warten, ihre eigenen Vorschläge in der Öffentlichkeit zu popularisieren und damit die anderen Parteien unter Druck zu setzen. Damit würde die Partei zum Motor für einen Politikwechsel.

Soziale Themen im Mittelpunkt

An erster Stelle sehen die Verfasser des Papiers die Sozialpolitik. Gerechte Steuern, höhere Hartz IV-Regelsätze, die Einführung eines Mindestlohns, einer solidarischen Gesundheitsversorgung und einer Rente, die vor Armut schützt, lauten hier die Forderungen hinter den Bindestrichen. An zweiter Stelle wird die Formulierung einer Friedenspolitik, die zivile Konfliktlösungsmethoden mit nichtmilitärischen Mitteln stärken soll, gefordert. An letzter Stelle sieht sich die Linke auch als Interessenvertreterin des Ostens, wo die PDS als mitgliederstärkste der beiden Gründungsparteien ihre Basis hatte.

Dass dieser Punkt in dem Papier an letzter Stelle steht, macht deutlich, dass die Linke eines zumindest geschafft hat: Den der PDS anhaftende Ruf, ein Traditionsverein der Wendeverlierer aus dem Osten zu sein, hat sie weitgehend verloren. Das zeigten auch die Reaktionen auf die Vorlage des Strategiepapiers. Selbst die schärfsten Kritiker bedienen diese Art der Kritik kaum noch.

Wie hältst Du es mit dem Regieren?

Dort wird vielmehr beobachtet, ob und wie die Linke es schafft, für ein Bündnis mit SPD und Grünen zu kämpfen und die aktuelle Politik der beiden Parteien zu kritisieren. Diese Frage wird vor allem dann interessant, wenn die Formelkompromisse, wie sie auch in dem Strategiepapier in großer Zahl vorkommen, in konkrete Politik umgesetzt werden sollden.

So heißt es in dem Papier, dass die Bundeswehr in eine Friedensarmee umgewandelt werden soll. Sarah Wagenknecht, die Kritikerin einer zu starken Anpassung der Linken, versteht unter dieser vagen Formulierung die Forderung nach radikaler Abrüstung, ja sogar nach Abschaffung der Bundeswehr. Wie wird sie reagieren, wenn ein Bündnis aus SPD und Grünen die Zustimmung der Linken für eine aus Spargründen schrumpfende Bundeswehr verlangt? Je mehr sich die Linke auf eine solche Logik einlässt, desto größer wird auch die Distanz zu den außerparlamentarischen Bewegungen, die nach den Vorstellungen der Autoren des Strategiepapiers Druck auf die anderen Parteien ausüben sollen.

In Berlin zeigte die Diskussion um die Wasserprivatisierung, dass die dort mitregierende Linke durch die Initiative zu einem Volksbegehren und die Veröffentlichung der Verträge zur Wasserprivatisierung selber unter Druck geraten ist. Im benachbarten Brandenburg drohen Bürgerinitiativen der aus SPD und Linken bestehenden Landesregierung wegen der geplanten Einlagerung von CO2-Abfall mit einem brandenburgischen Stuttgart 21. Je mehr sich die Linke selber in Regierungs- oder Tolerierungspositionen begibt, desto größer wird die Anzahl solcher und ähnlicher Initiativen.

Zwischen einer Lafontaine- und einer Mosaiklinken?

Dieses nun wahrlich nicht neue Problem wird von zahlreichen Projekten, die ein politisches Klima für ein wie auch immer geartetes Bündnis zwischen SPD, Grünen und Linken schaffen wollen, eifrig diskutiert. Besonders das Innenpolitikressort der Wochenzeitung Freitag widmet sich den auch Crossover genannten Anliegen. Der Innenpolitikredakteur des Freitag Tom Strohschneider ist auch für eine der zentralen Internetprojekte zu dieser Thematik verantwortlich.

Mit dem Institut für solidarische Moderne wurde das Crossover-Projekt in Richtung Grüne und SPD ausgeweitet. Mit den in der theoretischen Tradition von Antonio Negri stehenden Philosophen Thomas Seibert gehört auch ein Mitglied der außerparlamentarischen Interventionistischen Linken zu dessen Mitbegründern. Seibert entwirft in seinem vieldiskutierten Text das Bild einer Mosaiklinken mit einer Arbeitsteilung zwischen außerparlamentarischen Bewegungen und Reformlinken an der Regierung. Er fordert von der Linkspartei mehr Bereitschaft zum Mitregieren.
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 So hätte sich hierzulande die Partei Die Linke endlich ernsthaft dem Format einer Partei neuen Typs anzumessen, zu dem sie sich doch regelmäßig bekennt – und das gerade in der mittelfristig realpolitischen Perspektive auf eine rot-rot-grüne Besetzung der Staatlichkeit. Das wird die Bewegungen unter Zugzwang setzen, nicht nur ihre Spontaneität, sondern auch ihre Autonomie zu stärken – eine Aufgabe, in der besonders das Vermögen ihrer radikalen Ränder gefordert ist, die dazu nötige Reibung zu erzeugen.
Thomas Seibert

Ähnliche Debatten werden auch auf internationaler Ebene in Teilen der ehemaligen globalisierungskritischen Bewegung geführt. Welchen Einfluss sie haben, wenn die Linke tatsächlich, in welcher Form auch immer, in eine Bundesregierung eingebunden ist, bleibt offen. In Berlin und Brandenburg, wo die Linken mitregieren, scheinen diese Debatten zumindest weder die Partei noch die außerparlamentarischen Bewegungen zu interessieren.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33610/1.html

Peter Nowak

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