Gemütlichkeit am Ort des Schreckens

Filmemacherin Andrea Behrendt dokumentiert die Geschichte eines Berliner Arbeitshauses
»Individuell eingerichtete, ehemalige Zellen, teilweise mit Wasserblick, und wohltuende Ruhe erwarten Sie abends nach Ihren Entdeckungstouren durch die lebendige Metropole«, heißt es auf der Homepage. Sie wirbt für das von Huberta Bettex von Schenck geleitete »Andere Haus 8«. Eine Übernachtung kostet pro Bett 40 Euro.

 Interessierte erfahren per Internet, dass sich in dem Gebäude ein »Arresthaus für männliche Corrigenden« befunden habe. Ein wenig bekannter Begriff für das zentrale Berliner Arbeitshaus, das 1876 – damals weit außerhalb der Stadt – in Rummelsburg errichtet wurde.

Es sei ein Ort des Schreckens für Tausende gewesen, erklärte der Berliner Historiker Thomas Ulmer. Er setzt sich dafür ein, dass in dem noch erhaltenen Gebäude an der Rummelsburger Bbucht ein Erinnerungsort für die als asozial verfolgten Menschen entsteht Die Berliner Filmemacherin Andrea Behrendt hat mit ihrem Kurzfilm »arbeitsscheu-abnormal-asozial – Zur Geschichte der Berliner Arbeitshäuser« einen wichtigen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung geliefert.

Sie lässt neben der Hotelbesitzerin Huberta Bettex von Schenck und dem Historiker Thomas Ulmer auch Anne Allex vom Arbeitskreis »Marginalisierte – gestern und heute« zu Wort kommen. Dort haben sich Erwerbslose und kritische Wissenschaftler zusammengeschlossen, die die Stigmatisierung und Verfolgung sogenannter Asozialer aufarbeiten.

»Oft hat es sich um Menschen gehandelt, die mit ihrem Lebensentwurf in der Gesellschaft aneckten und deswegen Verfolgung erleiden mussten«, betont Allex. Am Beispiel des Berliner Arbeitshauses lässt sich gut aufzeigen, dass diese Verfolgung während der NS-Zeit verschärft, nach 1945 aber in beiden Teilen Deutschlands nicht beendet wurde. Aber unter den Nazis wurden die Bedingungen für die Insassen des Arbeitshauses enorm verschlimmerte zahlreiche Menschen wurden von dort in weitere Gefängnisse und Konzentrationslager eingeliefert.

Der AK Marginalisierte will in dem noch erhaltenen Gebäude des ehemaligen Arbeitshauses einen Erinnerungsort für die als asozial Verfolgten errichten. Durch Kundgebungen, Bücher, Broschüren sowie eine Ausstellung im Stadtmuseum Lichtenberg wurde die fast vergessene Geschichte des Arbeitshauses einer größeren Öffentlichkeit bekannt.

Doch selbst eine Gedenktafel ist an dem Gebäude des ehemaligen Arbeitshauses bisher nicht angebracht. Mittlerweile ist die Rummelsburger Bucht ein begehrtes Wohngebiet geworden. Townhäuser für die wohlhabende Mittelklasse sind dort sehr begehrt. In ein solches Umfeld passt ein spezielles Hotel wie das »Andere Haus 8« besser als ein Erinnerungsort für Asoziale.

Die Initiative wird aber nicht aufgeben. Andrea Behrendts Film ist dabei eine gute Unterstützung. Der Künstlerin gelingt in knapp 30 Minuten ein kurzweiliger Überblick über die Geschichte des Berliner Arbeitshaus und die Stigmatisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe, die auch ohne Arbeitshäuser bis heute nicht beendet ist.

DVD »arbeitsscheu-abnormal-asozial – Zur Geschichte der Berliner Arbeitshäuser«, 15 Euro, zu bestellen über Globale Medienwerkstatt e. V., behrendt@globale-medienwerkstatt.de. Tel.: 92 12 02 59

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165216.gemuetlichkeit-am-ort-des-schreckens.html

Peter Nowak