
Eigentlich ist bekannt, dass die Reden der Abgeordneten aller Parteien in den Bundes- und Landesparlamenten gut protokolliert sind. Daher ist es etwas unverständlich, dass die bayerische Landtagsfraktion der Grünen nun noch einmal Reden von Landtagsabgeordneten dokumentiert und analysiert. Aber es handelt sich nicht um ihre eigenen Reden, sondern um die der Konkurrenten von der AfD. Nun kann nichts schaden, sich ausführlicher mit den Auslassungen des politischen Gegners zu befassen. Das könnte unter Umständen auch Hinweise auf eigene Schwachpunkte geben oder als Warnung dienen, dass man keineswegs so agieren sollte, dass der politische Gegner dadurch gestärkt wird. Doch auch das ist nicht das Ziel der Dokumentation der bayerischen Grünen. Die Fleißarbeit, an der bestimmt nicht wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Grünen beteiligt waren, hat das Ziel, Argumente für ein …
… AfD-Verbot zu sammeln.
So heißt es auch unmissverständlich auf der Homepage der bayerischen Grünen: „Nach Sammlung der Zitate wurden diese eingeordnet und anhand der Extremismuskriterien des Verfassungsschutzes und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für ein Parteiverbot analysiert. Auf Basis von 21.880 Seiten Plenarprotokollen und weiteren Quellen belegt die Analyse: Die AfD-Fraktion vertritt ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild – Verletzung der Menschenwürde, Verfolgung antidemokratischer Ziele, Aushöhlung der Grundrechte. Die AfD ist damit eine reale Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung.“
Doch eigentlich stellt sich die Frage, ob die Gefahr für Rede- und Meinungsfreiheit nicht viel stärker gefährdet ist von einer Fraktion, die ständig öffentliche Rede von demokratisch gewählten Abgeordneten nach Verbotsgründen durchsucht. Damit wird direkt in die besonders geschützten Rechte der Abgeordneten eingegriffen. Selbst Verfassungsschutzämter haben offiziell die Überwachung von Personen – bisher vor allem aus dem linken Spektrum – nicht auf deren parlamentarische Arbeit ausgedehnt.
Es hat seinen guten Grund, wenn in einer bürgerlichen Demokratie diese Abgeordnetenrechte unter besonderem Schutz standen. Es waren nämlich immer wieder autoritäre Gewalten der unterschiedlichen Couleur, die besondere Repression gegen gewählte Abgeordnete ausübten und ihren parlamentarischen Schutz missachteten. Besonders bekannt wurde die Erschießung des linken Paulskirchen-Abgeordneten Robert Blum, der noch auf seine Rolle als Parlamentarier verwies, bevor er von den Truppen der feudalen Reaktion erschossen wurde.
Solches historisches Bewusstsein ist von einer olivgrünen Formation nicht zu erwarten, die offenbar längst vergessen hat, dass sie in den 1980er Jahren in der BRD um ihre parlamentarischen Rechte kämpften, die ihnen von der damals noch großen Koalition von SPD, Unionsparteien und der FDP bestritten wurden .
Als die Grünen noch zur Fahnenflucht aufriefen
Damals waren noch Töne von den Grünen zu hören, wegen denen sie heute fleißig bei allen Repressionsorganen des Staats rapportieren würden. „Jetzt erst recht: Fahnenflucht – Sagt Nein! Verfügbarkeit als Soldaten für diese Planungen ist ein wesentlicher Faktor ihrer Durchführbarkeit; Widerstand, politischer Protest und Verweigerungen aus den Reihen der Armee selber mithin ein ernsthafter Störfaktor für die Planer im Kabinett, und Hardt-Höhe bzw. in den Nato-Headquarters. Wir rufen Euch ganz besonders auf. Verweigert Euch diesen Planungen! Verweigert den Kriegsdienst, verlasst die Armee.“
Diese erstaunlich aktuellen Sätze stammen aus einem Flugblatt der Grünen auf dem bayerischen Parteitag im Jahr 1990. Erinnert daran hat der Publizist Rolf Cantzen in seinem lebenswerten Buch „Deserteure – die Geschichte von Gewissen, Widerstand und Flucht“, das kürzlich im zuKlampen-Verlag erschienen ist. Der damalige grüne Aufruf zur Fahnenflucht und Desertion war konsequent. Denn damals beteiligten sich Parteimitglieder der Grünen an zahlreichen Antikriegsaktionen vom Fulda-Gap bis Mutlangen. Damals nutzen auch grüne Parlamentarierinnen und Parlamentarier ihr Fragerecht, um Informationen über die Infrastruktur der Aufrüstung zu bekommen. Dafür wurden sie in den 1980er Jahren gelegentlich von konservativen Medien und Politikern als fünfte Kolonne Moskaus verdächtigt, natürlich ohne jegliche Belege.
Wenn das Fragerecht von Abgeordneten Putin nutzt
Heute gibt es die gleichen Angriffe auf wichtige Rechte von Parlamentariern und die Grünen sind an vorderster Front mit dabei. Da wird AfD-Parlamentariern in Bund und Land unterstellt, sie würden durch ihre umfangreichen Fragenkataloge die kritische Infrastruktur im Interesse oder sogar im Auftrag von Putin ausspioniert. Natürlich wurden dafür keine Beweise geliefert und natürlich wurden auch da schon wieder Gründe für ein AfD-Verbotsverfahren ins Spiel gebracht.
Das ist nur konsequent: Denn die bisherige linksliberale Linie, die Verletzung der Menschenwürde von Menschen, die nicht in Deutschland geboren sind, als Verbotsgrund in den Vordergrund zu rücken, könnte auch Teile der Union bis hin zu Kanzler Merz betreffen. Das wird angesichts der aktuellen Stadtbild-Debatte wieder deutlich, wo auch schon von zivilgesellschaftlichen Organisationen und auch einigen Linken Anzeigen gegen Merz wegen Volksverhetzung gestellt wurden. Wenn nun aber gegen die AfD wegen Landesverrat im Interesse von Putin agiert wird, dann werden die Reihen in Deutschland geschlossen. Dann sind nicht nur die Grünen, sondern auch manche ehemaligen radikalen Linken mit an Bord, die dann keine Parteien, sondern nur noch Deutsche kennen.
Nie wieder Russland statt Nie wieder Deutschland
Man braucht nur eine aktuelle Debatte in der linksliberalen Wochenzeitung Jungle World zu lesen, um zu erkennen, dass manche die Parole „Nie wieder Deutschland“ durch „Nie wieder Russland“ ersetzt haben. Da klingt ein Text der Gruppe Antideutsche Kommunisten Leipzig, als wäre er von ihren Opas oder Uropas verfasst, die die Niederlage von Stalingrad nie verwinden konnten.
„Der russische Krieg gegen die Ukraine tobt seit über zehn Jahren und destabilisiert die Weltordnung. Die russische Armee vergewaltigt, foltert und mordet in der Ukraine, um diese nicht nur als staatliche, sondern zugleich als historische, räumliche und kulturelle Entität auszulöschen. Währenddessen glänzt die deutsche Linke mit ohrenbetäubendem Schweigen.“
Wie schon 1914 erweisen sich die einst als vaterlandslose Gesellen geschmähten als die treuesten Söhne und Töchter Deutschlands. Nur anders als die SPD, die auch schon vor 1914 mehrheitlich nichts gegen Vaterland und Nation hatte, traten die Antideutschen in den 1990er Jahren mit der Forderung an, dass mindestens dort, wo einst die Wehrmacht bombardierte und mordete, nie wieder ein deutscher Soldat seine Stiefel oder seine Drohnen hinsetzen soll. Interessant ist, dass diese sogenannten Antideutschen nicht einmal ihren Namen ändern, wenn sie heute Positionen vertreten, die denen vor 30 Jahren so diametral entgegenstehen. Warum auch? Die Grünen haben schließlich auch ihren Namen beibehalten, obwohl sie wegen der Aufrufe zur Fahnenflucht, die sie 1990 verfasst hätten, heute die Polizei anrufen würden.
Warum ein Antikriegslied aus der Hitparade genommen wurde
Deswegen hat auch nur das außerparlamentarische Bündnis Wagenknecht kritisiert, dass der SWR einen kriegskritischen Song des Liedermachers Reinhard Mey aus der Hitparade entfernte. Der Protestsong „Nein, meine Söhne geb ich nicht“ würde zum Desertionsaufruf der Grünen von 1990 passen, nicht aber zu der olivgrünen Truppe, in der die verteidigungspolitische Sprecherin im Deutschlandfunk zur Mobilmachung der gesamten Bevölkerung gegen Putin aufruft.
Man braucht nur die Homepage des SWR aufrufen, wo einen die Nachrichten aus der Kriegsfähigkeit Deutschland entgegen schreien, um zu verstehen, dass ein pazifistischer Song von Reinhard Mey schon als zu gefährlich gilt. Schließlich hatten auch Hannes Wader und Franz Josef Degenhard in den 1980er Jahren keine Chancen, dass ihre Antikriegssongs von westdeutschen Sendern ausgestrahlt wurden. Damals hatten die Grünen noch solche Liedermacher zu ihren Veranstaltungen eingeladen. Heute würden sie sie vielleicht bei der Polizei denunzieren.
Kein Beitrag zur Antifa mit Adenauer
In dieser politischen Gemengelage ist die Kampagne zum Verbot der rechten Konkurrenz kein Beitrag zum Antifaschismus, sondern zur Etablierung eines autoritären kriegsfähigen Staates. Denn sonst würde man die Parole der Antifaschisten „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“ ernst nehmen. Stattdessen schürt man die Angst gegen Russland, die in reaktionären deutschen Kreisen schon immer auf offene Ohren stieß.
Kaum jemand weiß heute noch, dass Anfang der 1950er Jahren auch mit Fakenews-Propaganda gegen die Sowjetunion das KPD-Verbot vorbereitet wurde. Es ist kein Zufall, dass der große Bus, mit dem die zivilgesellschaftliche Initiative „Zentrum für politische Schönheit“ für ein AfD-Verbot wirbt, AdenauerSRP genannt wird. Das Kürzel SRP erinnert an die nazistische Sozialistische Reichspartei, die Anfang der 1950er Jahre verboten wurde. Dass Adenauer aber vor allem die KPD und viele andere linke Organisationen, verboten hatte und viele Linke, darunter langjährige Widerstandskämpferinnen und – kämpfer gegen den NS, verfolgte, wird damit in Kauf genommen. Der Name Adenauer wurde natürlich bewusst von den Linksliberalen erwähnt, man hätte schließlich den Bus auch nach Menschen benennen können wie den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der mit dem Auschwitz-Prozess tatsächlich antifaschistische Akzente in der BRD-Geschichte setzte.
Peter Nowak
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