Ein mutmaßlicher Koordinator des schwersten Angriffs auf Deutschlands Energieversorgung wurde verhaftet, aber es gibt kaum Reaktionen.

Beschuldigter der Nord-Stream-Pipeline-Sprengung hat die falsche Nationalität

Nun sollte erst einmal abgewartet werden, ob es wirklich zu einer Anklage kommt. Gut möglich, dass noch ein Schlupfloch gefunden wird, damit ein Verfahren nicht stattfindet, das die deutsch-ukrainischen Beziehungen belasten könnte.  Wie gering das Interesse der politischen Klasse an einer Aufklärung ist, zeigt sich schon daran, dass der Anschlag nicht das zentrale Thema bei dem Ukraine-Besuch des Finanzministers war und es auch wenig Kritik daran von den Medien gibt

Wieder einmal war ein Mitglied der Bundesregierung auf Überraschungsbesuch in Kiew, diesmal Finanzminister Lars Klingbeil. Auf der Homepage des Ministeriums finden sich die üblichen Floskeln. Wieder einmal wird die unverbrüchliche Treue Deutschlands zum östlichen Außenposten der EU und Nato beschworen. Bemerkenswert ist, was in der Erklärung fehlt. Wurde da nicht erst vor wenigen Tagen …

… ein ukrainischer Urlauber in Italien verhaftet? Die Initiative dazu kam von Deutschland. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, an der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines vor rund drei Jahren beteiligt gewesen zu sein. Er ist des gemeinschaftlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 308 Abs. 1 StGB), der verfassungsfeindlichen Sabotage (§ 88 Abs. 1 Nr. 3 StGB) sowie der Zerstörung von Bauwerken (§ 305 Abs. 1 StGB) dringend verdächtig, heißt es in der Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft.

Demnach gehörte Serhii K.  zu einer Gruppe von Personen, die im September 2022 nahe der Insel Bornholm Sprengsätze an den Gaspipelines „Nord Stream 1“ und „Nord Stream 2“ platziert haben soll. Betont wird, welche zentrale Rolle Serhii K. dabei spielte.  Er wird als einer der Koordinatoren der Operation benannt. Für den Transport  sollen er und seine Mittäter eine Segelyacht genutzt haben, die von Rostock aus startete. Die Yacht war zuvor mit Hilfe gefälschter Ausweispapiere über Mittelsmänner bei einem deutschen Unternehmen angemietet worden (Andromeda-Story: Zu schön, um wahr zu sein?). Die Sprengsätze detonierten am 26. September 2022. Durch die Explosionen wurden beide Pipelines schwer beschädigt.

Angriff auf die Energiesicherheit

Was hier geschildert wird, ist ein massiver Angriff auf die Energiesicherheit und Infrastruktur Deutschlands. Da müsste man eigentlich denken, dass Klingbeil eine Woche später in Kiew Aufklärung fordern würde, wie weit staatliche Stellen des Landes an dem Anschlag beteiligt waren oder zumindest darüber informiert waren. Doch davon wird in der Pressemitteilung kein Wort verloren.

Man hat den Eindruck, die Verhaftung sei der Bundesregierung sogar regelrecht unangenehm, weil es sich hier um den Staatsangehörigen des Landes handelt, in dem seit dem Maidanumsturz wieder die deutschfreundliche Fraktion an der Macht ist. Schließlich hat auch Deutschland viel für den Erfolg des Umsturzes getan. Da hätten sich vielleicht nicht wenige in der Regierung gewünscht, wenn der Beschuldigte hätte erneut entkommen können, wie vor einigen Monaten in Polen (Nord Stream: Konspirieren Polen und Ukraine gegen Deutschland?).

Schade, dass der Beschuldigte kein Russe war

Die Zurückhaltung der deutschen Bundesregierung und auch der meisten Medien nach der Verhaftung des Ukrainers  ist deshalb besonders auffallend, weil es die gleichen Kreise sind, die ständig vor einem hybriden Krieg niederer Intensität warnen, der längst begonnen habe. Betroffen wäre davon unterschiedliche Infrastruktur und natürlich auch die Energieversorgung.

Gemeint ist bei diesen Warnungen natürlich Russland. Man braucht sich nur an die Aufregung erinnern, als einige Kabel in der Ostsee angeblich absichtlich von der russischen Schattenflotte zerstört worden sein sollen. Da hatte man manchmal den Eindruck, der 3. Weltkrieg hatte zumindest rhetorisch längst  begonnen. Zudem  kursieren immer wieder unbewiesene Behauptungen von Brandstiftern, die angeblich von Russland bezahlt wurden. Man stelle sich nur vor, es wäre wegen der Pipeline-Sprengung jemand verhaftet worden, dem man irgendwelche Verbindungen zu Russland hätte zuschieben können. Da wären Brennpunkte und Sondersendungen gelaufen und der Bundestag hätte sich außerplanmäßig getroffen. Doch weil der Beschuldigte von einer befreundeten Macht kam, sind die Reaktionen so verhalten.

Notz warnt vor Verschwörungserzählungen

Immerhin hat sich der Grünenpolitiker Christian von Notz nach der Verhaftung zu Wort gemeldet. Es seien jene Lügen gestraft worden, die in den letzten Jahren Verschwörungserzählungen über den Anschlag verbreitet haben, erklärte er. Man hätte eigentlich eine gehörige Selbstkritik erwartet. Denn es waren auch den Grünen nahestehende Medien und Politiker der Grünen, die alle, die die Ukraine mit dem Anschlag in Zusammenhang brachten, beschuldigten, sie würden Narrative  Russlands verbreiten. Lange Zeit war für viele Politiker klar, dass nur Russland  für den Anschlag verantwortlich sein könne. Doch darüber hat Notz kein Wort verloren. Er kritisierte alle, die die USA mit den Anschlag in Verbindung brachten oder behaupteten, die deutsche Justiz würde wegen des Anschlags nicht ermitteln.

Nun sollte erst einmal abgewartet werden, ob es wirklich zu einer Anklage kommt. Gut möglich, dass noch ein Schlupfloch gefunden wird, damit ein Verfahren nicht stattfindet, das die deutsch-ukrainischen Beziehungen belasten könnte.  Wie gering das Interesse der politischen Klasse an einer Aufklärung ist, zeigt sich schon daran, dass der Anschlag nicht das zentrale Thema bei dem Ukraine-Besuch des Finanzministers war und es auch wenig Kritik daran von den Medien gibt. Peter Nowak