Antimilitarist*innen distanzieren sich von der rechtsoffenen Querdenken-Kundgebung in Berlin

Demo unter falscher Flagge

Dass die rechtsoffene Querdenkenbewegung auch 2024 noch Mobilisierungskraft hat, zeigt die Schwäche der emanzipatorischen Linken. Heute ist fast vergessen, dass es seit 2020 zahlreiche linke Initiativen gab, die sich auf „Solidarität in den Zeiten der Pandemie“ konzentrierten. In der im Sommer 2020 in großer Auflage erschienen Zeitschrift „Faktencheck-Corona“ können zahlreiche linke Initiativen nachgelesen werden.

Alt-Hippies mit Gitarre intonierten Songs für den Frieden. Wenige Meter weiter schritten junge Männer in karierten Hemden, mit kurzen Haaren und Trommeln,auf einem mitgeführten Transparent beschworen sie die „Liebe zur deutschen Heimat“. Zumindest für einen Tag war am 3. August 2024 die …

… Querdenkenbewegung in Berlin unter dem Motto „Frieden und Freiheit“ wieder auferstanden. Gekommen sind überwiegend rechte und esoterische Gruppen. Das zeigte sich an den Informationsständen rund um die Abschlusskundgebung. Die AfD und die Kleinstpartei „Die Basis“ waren die einzigen Parteien, die sich dort präsentierten. Auch die rechte Kleinstgewerkschaft „Zentrum“, mit der wegen ihrer extremen Rechtslastigkeit sogar zeitweise die AfD nicht zusammenarbeiten wollte, hatte einen großen Stand. Auf einem weiteren Stand wurde Literatur angeboten, die den Nationalsozialismus verharmlost oder offen verteidigt. Der langjährige Nazikader Steffen Hupka warb für das „Leben in deutschen Gemeinschafen“. Dazwischen fand sich eine Gruppe junger Menschen in orangefarbenen Gewändern, die für eine Meditation warb.

Auf der mehrstündigen Demonstration war die Forderung „Frieden mit Russland“ dominant vertreten. Neben Fahnen mit Friedenstauben waren viele Deutschlandfahnen zu sehen. Ein Bild von Gandhi wurde auf Rädern durch die Menge geschoben.

An einer Stelle wurde die Hymne der schwarzen US-Bürgerrechtsbewegung „We shall overcome“ angestimmt. Der Redner entschuldigte sich dafür im Vorfeld, weil ja sonst wert darauf gelegt werde, dass nur Deutsch gesprochen wird. Mit Christiane Reymann sprach auf der Abschlusskundgebung dieser rechtsoffenen Veranstaltung auch eine bekannte Parteipolitikerin (Die Linke), die von 2006 bis 2010 Mitglied im Vorstand der Europäischen Linken war.

Auf vielen Schildern war zu lesen, dass Frieden mit Russland im deutschen Interesse sei. Es ging also keineswegs um eine grundsätzliche antimilitaristische Position, wie es die Internationale der Kriegsdienstgegner*innen (IdK Berlin) in ihrer Erklärung unter dem Titel „Friedenskundgebung“ unter falscher Flagge – Keine Zusammenarbeit mit Querdenkern!“

(1) prägnant herausgearbeitet hat.

„Bei allem Respekt vor jeder persönlichen Entscheidung, den Kriegsdienst zu verweigern: Wer – wie Michael Ballweg – kein Problem damit hat, gemeinsame Sache zu machen mit Leuten, deren Ziele menschenverachtend und deren Methoden Gewalt einschließen, der hat ein massives Problem mit seiner Glaubwürdigkeit. Von daher drängt sich der Eindruck auf, dass Ballwegs lautstark hinausposauntes Bekenntnis zur Kriegsdienstverweigerung wenig mehr ist als ein PR-Manöver mit dem Ziel, die berechtigte Kriegsangst vieler Menschen vor seinen Karren zu spannen“, heißt es in der Erklärung der IdK.

Hippies mit Friedenstauben, „Reichsbürger“ und rechte Kameradschaften mit Trommeln vereint auf einer Demonstration, das sind Kennzeichen der Querdenkenbewegung, die in den Jahren 2020 bis 2022 existierte. Damals waren es die staatlichen Maßnahmen auf die Corona-Pandemie, die Menschen aus diesen ungleichen Milieus zusammenführte. Gemeinsam beschwor man die individuelle Freiheit und landete schnell bei der Nation.

Die drei Schlagworte „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“ brachten die ca. 12.000 Demonstrant*innen am 3. August 2024 auf die Straße. Dass die rechtsoffene Querdenkenbewegung auch 2024 noch Mobilisierungskraft hat, zeigt die Schwäche der emanzipatorischen Linken. Heute ist fast vergessen, dass es seit 2020 zahlreiche linke Initiativen gab, die sich auf „Solidarität in den Zeiten der Pandemie“ konzentrierten. In der im Sommer 2020 in großer Auflage erschienen Zeitschrift „Faktencheck-Corona“ (2) können zahlreiche linke Initiativen nachgelesen werden. Es ging um Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, um Solidarität von wohnungslosen und armen Menschen, aber auch um Kritik an autoritärer Staatlichkeit, wenn die Menschen nicht in Parks, sehr wohl aber zur Lohnarbeit gehen sollten. Es ist bedauerlich, dass heute darüber niemand mehr redet, während die rechtsoffenen Querdenker*innen noch immer tausende Menschen mobilisieren können.

Peter Nowak

Anmerkungen:

1) https://www.idk-info.net/themen

2) https://winfriedwolf.de/?p=921