Vom 29. April bis 12. Mai fanden in Leipzig anarchistische Tage statt. Ein subjektiver Bericht

Anarchistische Tage in Leipzig – lokal und entschleunigt

Auch im nächsten Jahr soll es die Anarchistischen Tage in Leipzig wieder geben. Dabei könnte das A-Tage-Team an die jüngere sozialrevolutionäre Geschichte Leipzigs anknüpfen: die sozialen Kampfbaustellen. Im August 2016 fand die erste Kampfbaustelle über eine Woche auf einer Wiese in Plagwitz statt.

Die Anarchistischen Tage klingen so langsam aus, alle in der Orga sind müde, fertig, aber doch ganz happy“. Das postete das Organisationsteam der Anarchistischen Tage Leipzig, die in diesem Jahr vom 29. April bis 12. Mai andauerten. Schon die zweiwöchige Dauer machte deutlich, dass es hier nicht darum ging, mehr oder weniger bekannte Referent*innen im Fließbandverfahren abzuarbeiten. Manch andere antiautoritäre Veranstaltung ähnelt in dieser Hinsicht ja durchaus den großen Buchmessen, was schnell zu Überforderung führen kann. Da wurden in Leipzig andere Wege gegangen. Wäre der Begriff der Entschleunigung nur nicht so abgegriffen, hier …

… würde er gut passen. Teil der A-Tage waren auch Parkfeste, Tauschbörsen, Workshops und Konzerte. Dabei drängte niemand, wenn mal die Uhrzeiten nicht auf die Minute genau eingehalten werden. Hier nur ein Beispiel: Vor einem Hausprojekt am Rande von Leipzig-Plagwitz sitzt rund ein Dutzend Menschen an einen Tisch auf der Wiese. Sie wollen eine Veranstaltung zu „20 Jahre Proteste gegen Hartz IV“ besuchen, auf der es auch um die Frage gehen soll, warum die Teuerungsproteste im Herbst 2022 so wenige Menschen mobilisierten. Noch aber war die Veranstaltung nicht beendet, die vorher in dem Raum stattfand, es gab großen Diskussionsbedarf. Niemand kam nun mit der Uhr in den Raum und drängte auf die Beendigung der Veranstaltung. Hier wurde deutlich, dass bei linken Veranstaltungen vielleicht wieder mehr darüber nachgedacht werden sollte, ob man sich nicht von der ständigen Diktatur der Uhren und dem strengen Zeitregime öfter mal verabschieden sollte. Nicht zuletzt zeigte der vor zwei Jahren in anarchistischen Kreisen diskutierte Film „Unruh“, dass die Einführung der Uhren mit der Durchsetzung des autoritären Fabrikregimes verbunden war.

Bei den Leipziger A-Tagen, die in diesem Jahr zum dritten Mal rund um den ersten Mai stattfanden, war ein Abweichen vom strengen Zeitregime auch deshalb möglich, weil der Teilnehmer*innenkreis überschaubar war. Dieses Jahr gab es mehrere Veranstaltungen, die sich mit internationalen anarchistischen Kämpfen beschäftigt haben. Das Autonome Schüler*innensyndikat aus Berlin setzte sich mit dem Thema Klassismus auseinander. „Es gab Veranstaltungen exklusiv für ANTIQ*-Personen, also Agender, Nichtbinäre, Trans, Inter und Queere Personen“, betonen Jules und Luca vom Organisationsteam der Leipziger A-Tage gegenüber der GWR. Gleichzeitig stellen sie selbstkritisch fest. „Ein Großteil der Teilnehmer*innen ist leider immer noch weiß, zwischen 20 und 30, studierend und in vieler Hinsicht privilegiert.“

Im nächsten Jahr vielleicht anarchistische soziale Kampfbaustelle?

Auch im nächsten Jahr soll es die Anarchistischen Tage in Leipzig wieder geben. Dabei betonten Jules und Luca, dass der Organisationskreis verstärkt mit in Leipzig aktiven Gruppen kooperieren will. Es ist begrüßenswert, dass hier nicht eine Kopie der Events angestrebt wird, auf denen viele Menschen aus anderen Städten anreisen. Stattdessen sollen in Leipzig die regionalen Kontakte ausgebaut werden. Aktionen wie das Parkfest ermöglichen es leichter, dass Einzelpersonen dazustoßen können, die noch nicht in politischen Zusammenhängen sind. Dabei könnte das A-Tage-Team an die jüngere sozialrevolutionäre Geschichte Leipzigs anknüpfen: die sozialen Kampfbaustellen. Im August 2016 fand die erste Kampfbaustelle über eine Woche auf. Dafür hatten die Organisator*innen auf einer Wiese in Plagwitz Zelte aufgebaut (1), in denen eine Woche lang diskutiert, organisiert und auch gefeiert wurde. Am ersten Septemberwochenende 2020 gab es dann im Leipziger Stadtteil Connewitz erneut eine Soziale Kampfbaustelle (2). Bei beiden Veranstaltungen ging es darum, die Kämpfe um Wohnen, Arbeit, die Auseinandersetzungen in Schule, und Jobcenter zusammenzubringen. Feministinnen diskutierten mit Basisgewerkschaftler*innen und Geflüchtete stellen ihre Arbeit vor.

Hier wurden Spuren gelegt, auf denen sich die nächsten A-Tage suchend weiter bewegen könnten.

Peter Nowak

Der Autor hat gemeinsam mit Anne Seeck auf den Leipziger A-Tagen das Buch „Klassenlos … Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten“ vorgestellt.

Weitere Infos:

https://anarchistischetagele.blackblogs.org/

Anmerkungen:

1) https://wastun.co/events/soziale-kampfbaustelle-lindenauplagwitz-leipzig-abreissen-umgraben-aufbauen-camp-gegen-ausgrenzung-ausbeutung-und-verdraengung/

2) https://sozialekampfbaustelle.noblogs.org/programm/