Lobbyismus, getarnt als Stadtteilinitiative

Betreiber von Ferienwohnungen versuchen trickreich, das Zweckentfremdungsverbot auszuhebeln

»Deine Stimme für den Erhalt von Ferienwohnungen« heißt eine Anfang März online gestellte Petition, die sich gegen das vor drei Jahren in Berlin verabschiedete Zweckentfremdungsverbot wendet, das die Vermietung von Ferienwohnungen stark einschränkt.

»Wir haben die Petition ›Pro Vacation Homes‹ ins Leben gerufen, um das große Interesse an dem Fortbestand von Ferienwohnungen zu zeigen und somit die Aufmerksamkeit des Senates zu bekommen«, sagt Stephan La Barré gegenüber »nd«. Er ist Vorsitzender des Vereins Apartment-Allianz Berlin (AAB).

Die 2013 von Vermietern von Ferienwohnungen gegründete AAB hat mittlerweile 60 Mitglieder. Dass die Petition zur Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin geschaltet wurde, ist kein Zufall. Die Initiatoren sehen durch das Zweckentfremdungsverbot die Reisefreiheit gefährdet. »Berlinbesucher können die Art der Unterkunft nicht frei wählen«, heißt es zur Begründung.

Stephan La Barré bestreitet, dass Ferienwohnungen das Wohnungsproblem verschärfen. »Die Existenz von Ferienwohnungen ist nicht die Ursache der Mangelsituation. Dafür ist die Anzahl zu klein, da Ferienwohnungen gerade einmal 0,2 Prozent am gesamten Wohnungsmarkt in Berlin ausmachen«, sagt er.

Auch juristisch gehen die Interessenverbände der Ferienwohnungsvermieter gegen die Einschränkungen vor. Bereits im September 2016 hat der Dachverband der Europäischen Ferienwohnungsbetreiber (EHHA) eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. »Wir wollen auf die rechtliche Überregulierung im Bereich der Ferienwohnungsvermietung aufmerksam machen«, erklärt La Barré, dessen AAB Mitglied im europäischen Dachverband ist. Er sieht durch die Zweckentfremdungsverbot eine Gefährdung sowohl des »langjährig etablierten Wirtschaftszweigs Ferienwohnungen« als auch des noch jungen Wirtschaftszweigs des »Homesharings«.

Am 11. Oktober 2016 hat sich in Berlin bereits der 100. Homesharing Club von Airbnb gegründet. Zur Zielgruppe gehören Anbieter von Ferienwohnungen aber auch von Einzelzimmern. Auf der Homepage homesharing.berlin heißt es: »Mit dem neuen Zweckentfremdungsgesetz kann niemand in Berlin seine Wohnung privat mehr als einmal im Jahr vermieten. Das finden wir unfair. Du auch?« Damit werden die Vermieter auf der Homepage direkt angesprochen. So wird der Eindruck erweckt, als sei die Homesharing-Bewegung eine Bürgerinitiative, die sich in der Stadtteilarbeit engagieren.

Doch diese angebliche Nachbarschaftsinitiative wird vom Konzern Airbnb massiv unterstützt. »Das Unternehmen kümmert sich um die Aktivisten und finanziert Gruppenaktivitäten. Sie bieten eigens eine Anleitung an«, heißt es in einen Recherchebericht der »taz«. Demnach bildet Airbnb sogenannte Community-Organizer aus, die bei der Gründung von Homesharing-Clubs mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Zu den Aktivitäten gehören auch Spaziergänge zu Orten, die als Geheimtipp für Touristen gehandelt werden. Anfang Februar 2017 beteiligte sich Wolfang Halbermann an einem solchen »Airbnb-Walk« in Neukölln. Halbermann, der sich in der Stadtteilinitiative Kiezversammlung Neukölln engagiert und die Lobbyarbeit der Homesharing-Bewegung kritisch beobachtet, berichtet: »Am frühen Nachtmittag trafen sich etwa 30 überwiegend junge Leute. Mit dabei waren zwei oder drei angestellte Organisatoren von Airbnb Berlin und ein von Airbnb bezahltes Marketing-Filmteam.«

Kürzlich hatten Homesharing-Lobbyisten aus Neukölln und Pankow einen Termin bei der Stadtentwicklungsverwaltung, wo sie ihre Kritik an der Zweckentfremdungsverordnung vortrugen. Die Neuköllner Mieteraktivisten reagierten mit einem Schreiben an Senatorin Katrin Lompscher (LINKE). Im Brief wenden sie sich gegen Lobbyarbeit hinter verschlossenen Türen und fordern die Senatorin auf, jeder Verwässerung der Zweckentfremdungsverordnung eine Absage zu erteilen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1045316.lobbyismus-getarnt-als-stadtteilinitiative.html

Peter Nowak


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