Merkels Regierungserklärung: Abgrenzungs- statt Willkommenskultur

Verteilung der Migranten innerhalb der EU ist aufgrund der Xenophobie und der Ablehnung der deutschen Hegemonie in der EU-Politik gescheitert

„Wir schaffen das.“ Mit diesen drei Worten wurde Bundeskanzlerin im letzten Jahr berühmt und bekam viel Sympathie im grünen und linksliberalen Milieu. Dabei reagierte sie nur auf die Menschen, die einfach keine Grenzen mehr kennen wollten auf dem Weg nach Kern-Europa. In ihrer Regierungserklärung[1] am 17. Februar wiederholte sie diese drei Worte nicht mehr. Denn nun hat sie klar ausgeführt, was sie nun schaffen will: die Zahl der Migranten begrenzen.

Von Willkommenskultur ist keine Rede mehr. Dass der Begriff oft ein Nebelvorhang war, hinter dem beispielsweise ohne großes öffentliches Interesse Roma, die teilweise seit Jahrzehnten in Deutschland lebten, samt ihren in Deutschland geborenen Kinder in von der Bundesregierung für sicher erklärte Herkunftsländer abgeschoben wurden, wurde selten erwähnt. Nun braucht es keine beschwichtigende Rhetorik mehr, wenn es darum geht, deutlich zu machen, dass die Einwanderung begrenzt werden muss.

„Unser gemeinsames Ziel ist es, die Zahl der Flüchtlinge spürbar und nachhaltig zu reduzieren, um so auch weiter den Menschen helfen zu können, die unseres Schutzes bedürfen“, war ein zentraler Satz in Merkels Regierungserklärung. Nur wer die Flüchtlinge sind, die Schutz bedürfen, kann sich nach politischen Konjunkturen sehr schnell ändern. Wer keines Schutzes bedarf, sondern nur ein besseres Leben in Deutschland erhofft, ist hier schon gar nicht gemeint.

Dabei benannte Merkel drei Maßnahmen zur Flüchtlingsbegrenzung, die nun wahrlich nicht neu sind. Es sollen die Fluchtursachen bekämpft, die Außengrenzen der EU wiederhergestellt und die Verteilung der Migranten innerhalb der EU geregelt werden.

Aufteilung von Menschen auf die EU gescheitert

Der letzte Punkt war in den letzten Monaten das zentrale Anliegen Merkels, bei dem sie klar gescheitert ist, was sie auch in der Regierungserklärung einräumte. Die Umverteilung sei nicht einmal ansatzweise gelungen. Die Gründe bei den Verweigererländern liegen auf der Hand. Sowohl das rechtspopulistisch regierte Ungarn als auch das nationalkonservativ regierte Polen oder die Slowakei mit einer sozialdemokratischen Regierung wollen keine Migranten aufnehmen und schon gar keine Mohammedaner.

Die Gründe sind sicher eine Melange aus Rassismus, Xenophobie, aber auch eine Weigerung, sich von dem in der EU lange Zeit übermächtigem Deutschland Aufnahmequoten diktieren zu lassen. Dabei wird aber ein wichtiger Aspekt in der Debatte in Deutschland oft vergessen. Die Migranten wollen in ihrer übergroßen Mehrheit auch gar nicht in diese Länder. Sie erhoffen sich ein besseres Leben nicht in Ungarn oder der Slowakei. Der Lebensstandard dieser Länder ist wesentlich niedriger als in Kern-Europa. Viele Beschäftigte dieser Länder arbeiten in Österreich oder Süddeutschland.

So ist das vorläufige Scheitern der sogenannten Paketlösung eine Niederlage der deutschen Regierung, aber auch ein Erfolg für die Migranten. Es ist schon paradox, dass in Zeiten der Willkommenskultur kein Aufschrei dagegen erfolgte, die Menschen wie Pakete hin und her zu schieben. Deutschland ist nun als Zielort nicht so beliebt wegen der Kultur oder des Reinheitsgehalts des deutschen Bieres, sondern weil es innerhalb der EU ökonomisch dominiert. Daher ist es nur verständlich, wenn die Einwanderer nicht in den deutschen Hinterhof wollen, sondern direkt ins Kernland.

Kampf um den EU-türkischen Ansatz

Nun will sich die Bundesregierung darauf konzentrieren, die EU-Außengrenzen zusammen mit der Türkei zu sichern. Merkel sprach davon, dass es auf dem EU-Gipfel, der morgen beginnt, darum gehen soll. Sie stellte die beiden alternativen Wege zur Flüchtlingsbegrenzung deutlich heraus und machte damit, anders als manche linke Merkel-Versteher, erfreulich deutlich, dass es nicht um Flüchtlingsrechte geht.

Merkel stellte den mazedonisch-griechischen Weg dem europäisch-türkischen Weg gegenüber. Für letzteren wolle sie auf dem EU-Gipfel kämpfen. Der Unterschied besteht darin, dass beim ersten Weg die Grenze innerhalb, beim anderen jedoch außerhalb des Schengenraums aufgebaut würde. Für die betroffenen Migranten sind beide Alternativen schlecht. Nur bietet eine Grenze innerhalb des Schengenraums mehr Druckmöglichkeiten. Schließlich könnten Geflüchtete, die in Griechenland stranden, auf die Unterstützung einer dort sehr ausgeprägten Zivilgesellschaft setzen.

Es gab und gibt in mehreren griechischen Landesteilen, an denen Migranten ankommen, europäische Netzwerke, die Geflüchtete unterstützen. So könnte der Druck auf das restliche Europa schnell wachsen, die Grenzen wieder aufzumachen. Werden die Sperren aber an die türkische Grenze verlegt, ist eine solche Unterstützung aus geografischen und politischen Gründen viel schwieriger. Wichtig ist, dass die Geflüchteten außerhalb des Schengenraums blieben und die türkische Herrschaft schon mittels Polizei und Justiz mögliche Gegenaktivitäten kleinhalten würde.

Aufwertung der „personifizierte Fluchtursache“ Erdogan

Vor allem Redner der Opposition haben darauf hingewiesen, dass ausgerechnet die Türkei eine Schlüsselrolle bei der Flüchtlingsabwehr einnehmen soll. Es ist dasselbe Land, das gerade in Kurdistan mit Militär gegen eine widerständige Bevölkerung vorgeht und in Syrien gegen den Willen von Russland und den USA Stellungen der gegen den IS kämpfenden kurdischen Nationalbewegung bombardiert.

Die Rednerin der Linkspartei Sahra Wagenknecht nannte den türkischen Präsidenten eine „personifizierte Fluchtursache“. Ähnliche Formulierungen haben in den letzten Monaten bereits Politiker der Grünen verwendet[2].

Merkels Plan zur Flüchtlingsabwehr ist auf Zeitgewinn ausgelegt. Eine politisch durchdachte Strategie ist nicht zu erkennen und wahrscheinlich auch gar nicht möglich. Es ist schon ein Widerspruch, einerseits die Bekämpfung der Fluchtursachen als Ziel zu fordern, um dann mit der türkischen Regierung zu kooperieren, die in Kurdistan und Syrien massiv Menschen in die Flucht treibt.

Erstaunlich ist, wie in manchen Medien Merkels Auftritt kommentiert wird. So titelt der Focus „Merkel erteilt Flüchtlingskontingenten vorerst Absage“[3]. Damit wird suggeriert, dass die Regierung eine von außen herangetragene Forderung ablehnen würde. Dabei wäre die richtige Überschrift: „Merkel ist mit Forderung nach Flüchtlingskontingenten gescheitert.“

Derweil schafft Österreich, das immer noch zur ominösen Koalition der Willigen gehören soll, die Merkels Politik unterstützen, vor dem EU-Gipfel Fakten[4]. Es sollen Tageskontingente eingeführt werden, 3.200 Menschen sollen täglich einreisen dürfen und 80 Asylanträge angenommen werden.

http://www.heise.de/tp/artikel/47/47441/2.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[0]

http://dbtg.tv/fvid/6561444

[1]

https://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Artikel/2016/02/2016-02-17-regierungserklaerung-merkel.html

[2]

http://www.focus.de/fotos/fuer-cem-oezdemir-ist-erdogan-eine-personifizierte-fluchtursache_id_5021758.html

[3]

http://www.focus.de/politik/deutschland/regierungserklaerung-und-debatte-im-live-ticker-kurz-vor-eu-gipfel-jetzt-verteidigt-merkel-ihre-fluechtlingspolitik-im-bundestag_id_5290816.html

[4]

http://derstandard.at/2000031313807/Mikl-Leitner-Nur-mehr-80-Asylwerber-pro-Tag

[5] http://www.heise.de/tp/ebook/ebook_26.htm