Die Partei feiert am Wochenende ein „Deutschlandfest“, doch der Jubel wird getrübt
Dass mit der SPD kein Staat mehr zu machen ist, zeigt sich einen Monat vor der Endphase eines Wahlkampfs, in dem sie nach Umfragen weiter fest im 20-Prozent-Turm verharrt. Nun jährt sich ausgerechnet in der heißen Wahlkampfphase der hundertste Todestag des Parteigründers August Bebel [1].
Die sozialdemokratische Mythenbildung hat behauptet, dass Bebels Uhr durch alle Wirrungen und Verfolgungen der Geschichte hindurch noch immer dem jeweiligen SPD-Vorsitzenden die Zeit anzeigt [2]. Doch Sigmar Gabriel [3] hat mit dem Mythos Schluss gemacht und verkündet, Bebels Uhr befinde sich längst im Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung [4].
Ein Hinweis darauf, was sie vom theoretischen und praktischen Erbe des so hochgelobten Vorsitzenden hält? Dabei hat gerade der nicht der SPD nahestehende Berliner Historiker Ralf Hoffrogge noch einmal daran erinnert [5], dass Bebel auch in den Fragen der Frauenemanzipation und dem Kampf gegen die Diskriminierung Homosexueller zu seiner Zeit schon Beachtliches beitrug.
Jusos haben keinen Grund zum Feiern
Doch die SPD kann mit ihren ersten Vorsitzenden, der sich noch ganz als Marxist verstand, wenig anfangen. Daher nennt sie auch eine große Party zum 150 Bestehen der Partei Deutschlandfest [6], und handelt sich damit Ärger mit ihrem Berliner Parteinachwuchs ein.
Die Jusos haben schon Ende Mai in einem Initiativantrag [7] den 150ten Parteigeburtstag mit dem 20ten Jahrestag der faktischen Abschaffung des Asylrechts in Verbindung gesetzt und in beiden keinen Grund zum Feiern gesehen. In einem offenen Brief monierten [8] sie schon seit längerem, dass die SPD-Feier als Deutschlandfest beworben wird.
„Das historische Deutschlandfest der Sozialdemokratie war ein linkes Projekt. Dieses historischen Kontextes des Namens sind wir uns bewusst. Daran inhaltlich anknüpfen zu können, ist aus unserer Sicht illusorisch, da der historische Kontext weder in noch außerhalb unserer Partei bekannt ist. Vielmehr dient der Titel ‚Deutschlandtag‘ im Jahr 2013 der Ansprache einer gänzlich anderen Zielgruppe, die sich mit nationalistischer Symbolik leichter mobilisieren lässt, als es ein ‚Tag der Sozialdemokratie‘ vermag“, schreiben die Berliner Jusos, die ihre Lektion in Antinationalismus gelernt haben.
Wenn sie aber als Alternative das Partymotto „Tag der Sozialdemokratie“ oder „Fest der sozialen Demokratie“ vorschlagen, zeigen sie doch, dass sie nicht viel kreativer als die Altvorderen sind. Der Vorschlag „August-Bebel-Fest“ kommt ihnen gar nicht erst in den Sinn…
Weil die Jusos auf ihren Offenen Brief vom 28. September letzten Jahres nicht einmal eine Antwort vom Parteivorstand bekommen haben, wollen sie jetzt an dem Fest nicht teilnehmen.
Ungeliebte Jubelfeier
Dafür haben sich Genossen zum Mitfeiern angekündigt, die vielleicht nicht so recht zur sozialdemokratischen Zielgruppe passen. Täuschend echt sieht die Einladung auf der Homepage zur Jubelfeier [9] schon aus. Wer liest schon das „Kleingedruckte“, wo es heißt: „Krieg, Abschiebung, Sozialabbau – Tradition verpflichtet“?
Zumindest der Sozialdemokrat Thilo Sarrazin, der von diesem Jubelkomitee neben Gerhard Schröder und Gustav Noske in das Traditionskabinett der SPD eingemeindet wurde, dürfte an dieser Aussage auch wenig auszusetzen haben und manche seiner Anhänger sicher auch nicht.
Wenn es in dem Aufruf des Jubelkomitees heißt:
„Unsere Hände sind aber dreckig und zerfurcht, denn wir haben in den zurückliegenden 150 Jahren härter als alle anderen für Deutschland gearbeitet. Wir können stolz auf die Errungenschaften der Vergangenheit blicken, die eine noch bessere Zukunft versprechen. In Deutschland kann es nur eine wahre Demokratie geben und das ist die Sozialdemokratie. Alles andere ist Extremismus.“
– dann könnte bei manchen Sozialdemokraten der alten Schule ein „Endlich sagte es jemand“ zu hören sein. Schließlich sehnen sich einige Sozialdemokraten des alten Schlages nach Zeiten zurück, wo Holger Börner störende Umweltschützer und Startbahngegner noch mit der Dachlatte traktieren wollte, statt sie einzugemeinden.
Daher ist auch noch völlig unklar, wie hoch die Beteiligung bei der SPD-Jubelparty wird. Zumindest beim Presseempfang am Mittwochnachmittag war der Anteil neugieriger Polizisten mindestens genau so groß wie die der interessierten Passanten. Aber die Reihen der boykottierenden Berliner Jusos werden jubelnde Sarrazinfans bestimmt ausfüllen. Jetzt fragt sich nur, ob die SPD in letzter Minute mit ihrem Fest noch ein grundsätzlicheres Problem bekommt.
„Kein Termin-und Ortsbezug“
Der zuständige Bezirksstadtrat von der CDU wollte nämlich auf der für das Fest vorgesehenen Straße des 17. Juni eigentlich gar kein Parteifest genehmigen [10] und machte in letzter Minute Probleme. Es gebe weder einen Termin- noch einen Ortsbezug zu dieser Straße, meint der CDU-Politiker. Die Party wurde schließlich ohne dessen Zustimmung vom SPD-geführten Senat im Alleingang genehmigt.
Damit hat man nicht gerade ein Exempel an Bürgerbeteiligung vorgeführt und sich weitere Probleme im Wahlkampf eingehandelt. Die zusätzlichen Staus und Umleitungen in den nächsten Tagen wird mancher Berliner Autofahrer mit der SPD in Verbindung bringen. So hat die SPD wieder einmal bewiesen, dass mit ihr nicht nur kein Staat zu machen, sondern auch eine Party mit ihr schwer zu feiern ist.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154783
Peter Nowak 16.08.2013
Links
[1]
http://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeiteag/453-bebel.html
[2]
http://suite101.de/article/wer-traegt-bebels-taschenuhr-a43865
[3]
http://www.sigmar-gabriel.de/
[4]
http://www.fes.de
[5]
http://www.jungewelt.de/2013/08-10/006.php
[6]
http://www.150-jahre-spd.de/87540/berlin_17.08.-18.08.2013_unser_deutschlandfest.html
[7]
http://www.jusosberlin.de/index.php/2013/05/24/initiativantrag-150-jahre-spd-20-jahre-asylkompromiss-kein-grund-zu-feiern
[8]
http://www.jusosberlin.de/index.php/2012/09/28/deutschlandfest/
[9]
http://150-jahre-spd.net/tag/deutschlandfest
[10] http://www.bild.de/regional/berlin/essen-und-trinken-festivals/riesen-krach-ums-deutschlandfest-der-spd-31835242.bild.htm
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