Blockupy 2013 – Für Alltagskämpfe

Diskussion Auch dieses Jahr will ein Protestbündnis die Europäische Zentralbank blockieren
Die Blockupy-Proteste rücken näher. Vom 31. Mai bis 2. Juni ruft ein breites Bündnis erneut dazu auf, den Bankbetrieb in Frankfurt am Main lahmzulegen. Symbolischer Protest im Herzen der europäischen Krisenpolitik? Die Aktion ist überflüssig und geht an den alltäglichen Krisenerfahrungen vorbei, findet Peter Nowak. Sie ist ein Schritt zur Vernetzung der europäischen Proteste und Widerspruch gegen das herrschende Krisenkommando, meint die Interventionistische Linke. Mit der Frage nach Erfolg oder Misserfolg der letztjährigen Proteste haben wir uns in ak 573 und 577 ausführlich beschäftigt – falls jemand nachlesen möchte

Am letzten Maiwochenende sollen in Frankfurt am Main erneut Blockupy-Aktionstage stattfinden. Die Premiere war im letzten Jahr, sie artete zu Polizeifestspielen aus. Dieses Mal will das Blockupy-Bündnis »den Protest noch größer, bunter und lauter auf die Straßen in Frankfurt tragen«, wie es in einer Pressemitteilung schreibt. Doch was großspurig als »Widerstand im Herzen des europäischen Krisenregimes« verkauft wird, ist vor allem Simulation von Protest.
Mit viel Aufwand organisieren wenige AktivistInnen in der Frankfurter Innenstadt einen zweitägigen Event. Wenn die Kulissen abgebaut sind, werden sie mit der Einschätzung in die verdiente Sommerpause gehen, es sei doch ein guter Anfang gewesen, und im nächsten Jahr müsse die Aufführung unbedingt noch größer werden.
Wie kreativ die ProtestorganisatorInnen bei der Bewertung der eigenen Aktionen als Erfolg sind, zeigte sich beim ersten Treffen der Berliner Blockupy-Plattform. Mehrere RednerInnen sprachen vom großen Erfolg der letztjährigen Aktionstage. Da habe die Polizei die Stadt Frankfurt blockiert und den DemonstrantInnen die Arbeit abgenommen, hieß es. Dabei übersehen die AktivistInnen, dass die Repressionsorgane die Proteste erfolgreich blockiert und so die Banktransaktionen, die Ziel der Proteste waren, geschützt haben. Zudem ignoriert die Erfolgsbilanz, dass die Zahl der TeilnehmerInnen während der Blockupy-Tage viel zu gering war, um effektive Blockaden durchzuführen. Die Massen kamen erst zur Großdemonstration, die tatsächlich als Erfolg gewertet werden kann.
Danach änderte sich auch die Berichterstattung über die Blockupy-Proteste. Bürgerliche Medien kritisierten die staatliche Repression nun als überzogen und unverhältnismäßig. Sie verwiesen auf den friedlichen Charakter der Großdemonstration und fragten, wo die von Politik und Polizei ständig angeführten »Chaoten und Gewalttäter« denn geblieben seien. Eine solche Kritik an staatlicher Repression ist äußerst zwiespältig. Schon Aktionen des zivilen Ungehorsams hätten dann dazu führen können, dass die repressive Linie medial verteidigt wird. Die tagelange Suspendierung von Grundrechten für Tausende von Menschen hat also keineswegs zu einem Aufschrei der liberalen Öffentlichkeit geführt – anders als noch in den 1980er Jahren, als Konferenzen und Demonstrationen der Anti-AKW-Bewegung verboten und zerschlagen wurden.
Wo hier ein politischer Erfolg für eine radikale Linke auszumachen ist, bleibt fraglich. Linke Gruppen schlüpfen unter das Zeltdach der Occupy-Bewegung, die in Deutschland nie mobilisierungsfähig war und auch international längst ein Fall für Galerien und soziologische Studien geworden ist. Dafür wurden die noch vorhandenen kapitalismus- und herrschaftskritischen Spurenelemente der radikalen Linken bei den Blockupy-Aktionstagen noch weiter eingedampft. Schließlich hatte sich auch die Occupy-Bewegung mit solcherlei Feinheiten nie abgegeben, schielte sie doch immer auf die ominösen »99 Prozent«.
Gruppen der radikalen Linken nehmen diese Verflachung der Kapitalismuskritik mit dem Argument in Kauf, dass damit weitere Bevölkerungsteile für die Krisenproteste angesprochen werden könnten. Doch bei den Blockupy-Tagen waren vor allem AktivistInnen verschiedener politischer Spektren auf der Straße. Die Schlecker-Beschäftigten, die zur selben Zeit abgewickelt wurden, spielten dort ebenso wenig eine Rolle wie die vielen Menschen, die mit oder ohne Lohnarbeit unter Hartz IV leben müssen.
Das liegt vor allem daran, dass ihre Krise wenig mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und anderen Banken zu tun hat. Ihr Problem ist nicht das Fallen oder Steigen der Börsenkurse, sondern die Sanktionierung durch die Jobcenter. Daher sind Protestaktionen wie Zahltage oder gemeinsame Begleitaktionen, bei denen Erwerbslose kollektiv ihre Rechte einfordern, nicht nur Alltagswiderstand, sondern ein konkreter Ausdruck von Krisenprotesten. Dazu gehört auch der in den letzten Monaten in Berlin zunehmende Widerstand gegen Zwangsräumungen von Wohnungen einkommensschwacher Menschen. In Berlin haben sich Bündnisse gegen Zwangsumzüge gegründet, die in mehreren Fällen die Maßnahmen verzögern oder sogar verhindern konnten. (Siehe ak 581) In den letzten Wochen haben sich auch Menschen, die nie etwas mit der linken Szene zu tun hatten, mit Unterstützung des Bündnisses gegen Zwangsumzüge gegen ihre drohende Räumung gewehrt.
Hier wird deutlich, dass für viele Menschen nicht die EZB, sondern das Jobcenter, Firmen im Niedriglohnsektor und im Investmentbereich Orte sind, an denen sie die Krise des Kapitalismus erleben und wo sie sich dagegen wehren können. Die Occupy-Bewegungen in Spanien und den USA haben das erkannt. Nachdem das Zelten auf den großen Plätzen nicht mehr möglich war, arbeiten sie in Stadtteilkomitees und unterstützen Bewegungen gegen Zwangsräumungen, protestierende Studierende und streikende Lohnabhängige. Daran sollte sich die außerparlamentarische Linke ein Beispiel nehmen, statt im nächsten Jahr erneut ein Blockupy-Revival zu organisieren.

http://www.akweb.de/

ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 582 / 19.4.2013

Peter Nowak