Der Sound des Kalten Krieges


Während manche EU-Politiker in der Zypern-Frage vor dem russischen Einfluss warnen, vergleicht der russische Ministerpräsident die EU-Politik mit der Sowjetunion

Es war kein Euroskeptiker, sondern der überzeugte EU-Befürworter und langjährige Stellvertretende Vorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Hannes Swoboda, der gegenüber dem Deutschlandfunk ungewöhnlich kritische Töne zur Lage der EU nach der Abfuhr ihres „Rettungspakets“ durch Zypern anschlug:

„Das sagt eigentlich, dass diese Union derzeit in einem äußerst katastrophalen Zustand ist, dass stümperhaft an diese Sache herangegangen wird.“

Seine Beobachtungen sind erstaunlich präzise, wenn er als Ergebnis der Zypern-Rettung resümiert:

„Man entfremdet und schickt mehr und mehr Menschen weg von der Union, von der Begeisterung für die Union in eine Oppositionshaltung zur Europäischen Union.“

Dass sich diese Entfremdung im Protest- und Wahlverhalten in verschiedenen europäischen Ländern ausdrückt, bringt Swoboda gut zum Ausdruck: „Die Finanzminister müssen doch das Gefühl dafür haben, wie derzeit die Stimmung in Europa ist, wie die Demonstranten von Sofia bis Portugal auf die Straße gehen, wie die Wählerinnen und Wähler in Italien gewählt haben, Herrn Grillo gewählt haben, aus Opposition, nicht weil sie vielleicht so begeistert sind von seinen konkreten Vorschlägen, die er ja kaum hat. Das ist die Stimmung heute in Europa, und wenn Politiker und Finanzminister inklusive natürlich den zypriotischen Vertretern das nicht mitbekommen, wie die Stimmung in Europa ist, dann ist es um Europa eben schlecht bestellt.“

Da wird mal nicht eine Wählerbeschimpfung vorgelegt, wenn die Wähler nicht für eine Politik stimmen, wie sie die Troika ihnen vorgibt. Dass diese selbstkritischen Äußerungen allerdings mehr ausdrücken als die Enttäuschung eines sozialdemokratischen Politikprofis, beim Zypernretten nicht besser mit eingebunden worden zu sein, ist wenig wahrscheinlich. Doch solche Interviews drücken die Nervosität von EU-Spitzenpolitikern darüber aus, dass trotz aller Beschwörungen von einem Ende der EU-Krise nicht die Rede sein kann. Allerdings sind solche selbstkritischen Töne auch heute noch eher die Ausnahmen bei den Spitzenpolitikern.

„Ich will nicht mit Russland verhandeln, wenn ich über Zypern rede“

Der Mainstream der EU-Politiker will von eigenen Fehlern wenig wissen, sondern den zypriotischen Politikern Ratschläge geben, wie sie ihr Verhältnis mit Russland zu gestalten haben, wenn sie zur europäischen Familie gehören wollen. Den Ton gab der Vorsitzende der Grünen Cem Özdemir vor, der erklärte, nicht mit Moskau verhandeln zu wollen, wenn er über Zypern rede. Er habe kein Interesse daran, dass Russland in einem Land der Europäischen Union mitregiert.

Dabei wird in dem Interview auch deutlich, dass es um geostrategische Interessen und Gasvorkommen in der Region geht, auf die sowohl Russland als auch andere europäische Länder begehrliche Blicke werfen. In den Worten von Özdemir und vielen anderen Politikern hört man entfernt den Sound des Kalten Krieges – aus Zeiten, als man vor dem Einfluss der Sowjetunion warnte. Nun wird deutlich, dass auf beiden Seiten kapitalistische Staaten agieren, die unterschiedliche Interessen haben. Bei einem Treffen mit führenden EU-Vertretern verglich der russische Ministerpräsident Medwedew die EU-Politik gegen Zypern mit Maßnahmen der Sowjetregierung.

Wie während des kalten Krieges werden in diesen Tagen auch innerhalb der EU-Länder die Widersprüche zwischen Kräften, die sich eher mit Russland verbinden wollen und anderen, die Russland isolieren wollen, deutlich. Der Berater des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, Klaus Jürgen Mangold, sprach sich in einem Interview für eine Beteiligung Russlands an der Diskussion um die Zypernhilfe aus.

„Aber in der Sache, glaube ich, muss man ein Verständnis haben für die russische Position – vor allem deshalb, weil Russland ja nicht frühzeitig eigentlich in diese ganzen Konsultationen so einbezogen worden ist, dass sie aktiv hätten mitwirken können“, so der Interessenvertreter jener Wirtschaftskreise in Deutschland, die ihr Exportinteresse eher im Bündnis mit Russland gewahrt sehen.

Auch in den Hochzeiten des Kalten Krieges gab es bereits Kapitalkreise in der BRD, die sich aus ökonomischen Gründen für bessere Beziehungen zu Russland einsetzen. Diese Kapitalfraktion ist in den letzten Jahrzehnten gewachsen. Aus der gesamten Diskussion wird klar, dass es sich bei den vielbeschworenen europäischen Werte eben auch nur um einen Ausdruck ökonomischer Interessen handelt. Weil die unterschiedlich sind, gibt es darüber Streit.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153976
Peter Nowak