Rummelplatz will nicht weichen

Bewohner von Wagenburg in Friedrichshain in Verhandlungen mit Liegenschaftsfonds

Im westlichen Teil von Friedrichshain scheint die Zeit noch stillzustehen. Vom Trubel der Gegend um den Boxhagener Platz ist dort wenig zu spüren. Ein Ort der Ruhe ist auch der Rummelplatz, Berlins jüngste Wagenburg. Im Dezember 2011 hat der Berliner Liegenschaftsfond, dem das Grundstück gehört, den Bewohnern den Platz vermietet. Vorher hatten sie für mehrere Tage einen Platz in Rummelsburg besetzt. Aus dieser Zeit stammt ,der Name, der k so gar nicht zum ruhigen Idyll passen will.
Unter hohen Bäumen kann man dort auf einem schattigen Plätzchen Tee trinken. Die Bewohner haben zwischen den 13 Wägen Pflanzen angebaut. Auch mit der Nachbarschaft gab es bisher keine Probleme.
„Wir waren selber erstaunt, wie freundlich wir hier aufgenommen wurden“, meint Jutta Böhnig (Name auf Wunsch geändert). Das sei noch einmal beim Tag der offenen Tür deutlich geworden, den die Rummelplatz-Bewohner kürzlich veranstalteten. Blumen und andere Präsente wurden von den Nachbarn gebracht. Aber dabei ist es nicht geblieben. Zahlreiche Anwohner haben auch Postkarten unterschrieben, in denen sie sich bei den Behörden für einen Erhalt des Rummelplatzes einsetzen. Denn die Bewohner sollen den Platz bis zum Monatsende räumen, weil der Mietvertrag zum 31. Juli ausläuft.
„Wir haben lange gehofft, dass er verlängert wird“, betont Böhnig. Entsprechend groß ist jetzt die Enttäuschung, zumal auch wenige Tage vor dem Räumungstermin kein für die Bewohner geeigneter Platz zur Verfügung steht. „Wir haben hier unseren Lebensmittelpunkt und wollen nicht irgendwo weit außerhalb Berlins lumziehen“, bringt Jörg Strauss (Name auf Wunsch geändert) die Meinung aller Bewohner zum Ausdruck.
Doch die Pressesprecherin des Berliner Liegenschaftsfonds Anette Mischler kann ihnen wenig Hoffnung machen. Eine Verlängerung des Mietvertrages sei ausgeschlossen, weil das Grundstück zum Verkauf vorbereitet werden solle, betonte sie gegenüber nd. Konkrete Investoren gäbe es aber noch nicht. Der Liegenschaftsfond bemühe sich gemeinsam mit den Rummelplatz-Bewohnern weiter um einen neuen Platz. „Ich kann verstehen, dass die nicht an den Stadtrand wollen. Aber die geeigneten Grundstücke in Stadtnähe sind rar“, betont Mischler.
„Wir verhandeln weiter um geeignete Plätze“, bestätigt auch Jörg Strauss. Er betont allerdings, dass es Plätze für alternative Lebensweisen auch in Stadtnähe geben müsse. Deswegen sehen die Rummelplatz-Bewohner ihren Kampf für einen solchen Platz auch als Beitrag gegen eine Aufwertung, bei der nur noch Menschen mit viel Geld Anspruch auf die begehrten Grundstücke haben sollen. Auf zahlreichen Transparenten, die auf den Holzzaun und einzelnen Wägen angebracht sind, wird gegen die Gentrifizierung mobilisiert. Sie wurden auch auf einer Nachttanzdemonstration durch Friedrichshain mitgeführt, mit der am späten Abend des 21. Juni die Rummelpatzbewohner und ihre Unterstützer gegen die Verdrängung aus den Stadtteilen protestierten. Mehrere Hundert meist junge Leute schlossen sich an. Auf den Balkonen und aus den Fenstern winkten aber auch ältere Nachbarn freundlich herunter.
Der Grund für die Sympathie brachte eine Rentnerin zum Ausdruck, die schon am Nachmittag des vergangenen Donnerstag dem Rummelplatz einen Besuch abgestattet hat. Sie wohnt ganz in der Nähe und hat eine Modernisierungsaufforderung bekommen. „Ich befürchte, dass danach meine Miete so stark steigen wird, dass ich sie mit meiner Rente nicht mehr bezahlen kann“, meinte sie. Diese Sorge teilen viele Mieter der umliegenden Häuser, die teilweise schon seit Jahrzehnten dort leben. Auch sie wollen nicht einfach irgendwo weit weg ziehen und darin sind sie sich mit den Rummelplatz-Bewohnern einig.

aus Neues Deutschland 22,/23.6.2012
Peter Nowak


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