
Im Kiez rund um die Muskauer Straße/Eisenbahnstraße findet man noch ein Stück altes Kreuzberg. Dort gibt es Häuser, die nicht ausschauen wie aus den Werbeprospekten der Immobilienindustrie. An den Türen findet man politisches Graffiti und Aufkleber. Doch man merkt auch schon Spuren der Gentrifizierung und Aufwertung in der Gegend. „Kiez-Markthalle statt Luxus-Food-Halle“ steht auf einigen Transparenten, die aus den Fenstern hängen. Sie erinnern an die Auseinandersetzungen um die Gestaltung der Markthalle in der Eisenbahnstraße. Soll sie weiterhin für alle Menschen erschwingliche Waren des täglichen Bedarfs verkaufen oder nur Produkte für die Menschen mit viel Geld? Darum ging die Auseinandersetzung. Denn die Anwohner/innen wissen: Wenn es keine Läden mehr für Menschen mit wenig Geld gibt, verschwinden auch sie bald aus den Kiezen. In vielen der Häuser in dem Areal hat die Verdrängung längst begonnen. Aber die Mieter/innen lassen sich nicht so einfach vertreiben. Ein Beispiel ist der Häuserblock …
… Muskauer Str. 11/Eisenbahnstr. 44. Die 32 Mietparteien sind durch geplante Modernisierungen von drastischen Mieterhöhungen betroffen und damit von akuter Verdrängung bedroht und wehren sich dagegen seit fast einem Jahrzehnt. Dabei sollten sie als Teil des Milieuschutzgebietes Luisenstadt eigentlich davor geschützt sein. Doch Bewohner/innen klagen, dass sie sich von den Behörden allein gelassen fühlen und den Machenschaften des Eigentümers ausgeliefert sind. Sie haben mühselig die Eigentumsverhältnisse für die Immobilie erforscht und dabei einiges herausgefunden.
So ist der für den Häuserkomplex im Grundbuch eingetragene Eigentümer Phoenix III eine Luxemburger Briefkastenfirma. Bereits 2012 wurde Phoenix III von der Taliesin Property Fund aufgekauft. Dieses Firmenimperium war ursprünglich von drei englischen Geschäftsleuten gegründet worden, um Geld damit zu verdienen, Mietshäuser zu modernisieren und die einzelnen Wohnungen mit hohen Gewinnen zu verkaufen.
Teure Energieverschwendung
2016 wurde das gesamte Firmenkonstrukt Taliesin von dem in New York ansässigen Private-Equity-Unternehmen Blackstone aufgekauft. Im Grundbuch steht allerdings weiterhin Phoenix III als Eigentümer. Auf der Website von Blackstone wird ausdrücklich erklärt, dass es ihre Strategie ist, Häuser in Niedrigmietengebieten zu kaufen, um die Mieten durch Modernisierungsmaßnahmen in die Höhe zu treiben und die Werte der Häuser damit deutlich zu steigern. Genau das werde in dem Kreuzberger Häuserblock umgesetzt, klagen die Mieter/innen.
Die Mieter/innen, von denen keine/r namentlich genannt werden will, betonen auf Nachfrage, dass sie nicht prinzipiell gegen energetische Modernisierungen sind, wenn dadurch tatsächlich fossile Ressourcen eingespart würden. Das sei aber bei dem Häuserblock nicht der Fall. Zu den dort geplanten energetischen Maßnahmen gehört der Einbau von Doppelfenstern, eine Fassadendämmung und die Umstellung der bisherigen Gas-Etagenheizungen auf Fernwärme. Doch in Kreuzberg basiere Fernwärme aktuell zu 67% auf Gas und zu 27% auf Steinkohle. Erst im Jahr 2045 will der Fernwärmebetreiber klimaneutral sein. Daher gebe es derzeit keinen Grund, die erst 9 Jahre alten Heizungen auszutauschen, argumentieren die Mieter/innen.
Zudem handelt es sich bei den Fernwärmenetzen um regionale Monopole. Ein Anbieterwechsel ist nicht möglich. Diese Situation nutzen viele Energielieferanten, um mehr Wärme als nötig zu verkaufen und sehr hohe Preise zu verlangen. Laut einer aktuellen Studie haben etwa 62% aller Fernwärmeanschlüsse in Deutschland eine deutlich zu große Leistung. Dafür zahlen Verbraucher/innen bundesweit 608 Mio. Euro jährlich, ohne Gegenleistung. Die Kund/innen sind weitgehend machtlos. Doch die Kreuzberger Mieter/innen wehren sich, unterstützt von Stadtteilinitiativen wie Bizim Kiez, seit fast einem Jahrzehnt gegen diese Form der Verdrängung und haben dabei durchaus schon Erfolge erzielt. Sie handeln nach einer Devise, die schon 2016 auf einem der Balkone in dem Häuserkomplex zu lesen war: „Don‘t panic – Organize“. Peter Nowak
Hinweis auf den Artikel in der jungen Welt :
…. Rainer Balcerowiak schreibt über die aktuellen Manöver des Senats bei der Verschleppung der Umsetzung des Berliner Enteignungsvolksentscheids von 2021, Peter Nowak über Verdrängungsprozesse in Kreuzberg anhand eines aktuellen Falls in der Muskauer Straße.
https://www.jungewelt.de/artikel/505903.politische-zeitschriften-neu-erschienen.html
https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2025/me-single/article/blackstone-in-kreuzberg/