Vor dem Natoaußenministertreffen streiten sich SPD und Union über den richtigen Umgang mit Moskau. Die Debatte erinnert an ähnliche Diskussionen vor mehr als 30 Jahren
Russland scheint sich beim Streit mit der Ukraine um Deeskalation zu bemühen. So kann man zumindest die Truppenreduzierung an der Ostgrenze zum Nachbarland interpretieren. Doch ein russischer Sprecher betonte, es könne sich nur um eine temporäre Umgruppierung handeln. Der Konflikt ist noch längst nicht ausgestanden.
Auch die Gespräche zwischen dem russischen und dem US-Außenminister haben eher noch einmal die unvereinbaren Positionen festgeschrieben (vgl. Kein Durchbruch bei Krisengesprächen [1]). Die russische Seite fordert eine föderalistische Umgestaltung der Ukraine. Zudem sollen alle politischen Kräfte, auch der vor wenigen Wochen gestürzte Machtblock, wieder an der Regierung beteiligt werden. Mögen die Forderungen auch vernünftig sein, um Konflikte wie in der Ukraine zu entschärfen, so dürfte keine relevante Kraft in dem Land vor den Präsidentenwahlen darauf eingehen.
Denn die würde sofort von den Gegnern als Handlanger Putins angeprangert, was im gegenwärtigen aufgeheizten nationalistischen Klima in Teilen der Ukraine kaum Anerkennung bringen würde. Ob allerdings diese Stimmung länger anhält, ist noch offen. Das hängt auch vom befreundeten Ausland ab, also von den Ländern, die sich als Teil des Westens verstehen, auf den sich rhetorisch der neue äußerst fragile Machtblock in der Ukraine bezieht.
Leiden Wirtschaftsinteressen unter kaltem Krieg mit Russland?
In diesen Ländern sind durchaus nicht alle darüber amüsiert, dass der Zankapfel Ukraine zu einem neuen Konflikt mit Russland führen könnte. Der Hauptgrund sind die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen verschiedenen EU-Staaten und Russland.
Der deutsche Energiesektor ist ein gutes Beispiel für diese Verflechtungen. Während politische Kräfte, die auf Konfrontationskurs mit Moskau setzen – dazu gehören auch große Teile der Grünen -, auf Strategien für eine Energieversorgung ohne Russland entwickeln, betonen viele Sozialdemokraten, dass die wirtschaftlichen Verflechtungen doch konfliktentschärfend wirken, und das sei positiv.
Von den Anti-Putin-Kräften in Deutschland und der EU werden solche Tendenzen als Anpassung an Russland kritisiert. Vorwürfe, da würden einige den politischen Ausgleich mit Russland auf Kosten der osteuropäischen Länder suchen, werden vor allem von rechten politischen Kräften in Polen und den baltischen Staaten ventiliert. Diese Rhetorik erinnert an ähnliche Debatten in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Damals liefen Konservative und Ex-Maoisten bei den Grünen Sturm gegen die sogenannten Entspannungspolitiker bei der SPD, die angeblich zu unkritisch gegenüber der Sowjetunion gewesen seien und die Dissidenten in Osteuropa ignorierten. Nach 1989 stritten dann die unterschiedlichen Protagonisten darüber, ob der Ostblock trotz oder wegen dieser Entspannungspolitik zusammengebrochen sei.
25 Jahre später wurde die Sowjetunion durch Russland ersetzt und die Debatte schließt fast nahtlos daran an. Aus den Grünen der 80er Jahre, die gegen das System von Jalta Sturm liefern, sind etablierte Bellizisten geworden, die außenpoltisch einen olivgrünen Zweig auf die Politik von CDU/CSU legen. Hier zeigt sich einmal mehr, wie wenig Inhalt die Schimäre eines Bündnisses von SPD, Grünen und Linken hat.
Anhänger solcher Bündnisse stimmen schon Trauergesänge an und retuschieren die Geschichte – wie Michael Jäger in seinem Beitrag für den Freitag [2] – indem sie die Grünen der 80er Jahre pauschal zu Anhängern der Entspannungspolitik erklären und vergessen, dass das allenfalls für eine starke Minderheit zutraf. Ein relevanter Teil aber wollte mittels des Havemann-Aufrufs schon damals die deutsche Frage lösen oder gleich das Europa von Jalta ganz über den Haufen werfen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass führende Grüne in ihrer rhetorischen Aufrüstung gegenüber Russland rechts überholen.
„Wir müssen mit Russland im Gespräch bleiben“
Das Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel gibt noch einmal allen Kräften Gelegenheit, Position zu beziehen. So warnte [3] der außenpolitische Sprecher der SPD Reiner Arnold im Deutschlandfunk vor der berühmten Eskalationsspirale und geriert sich als Entspannungspolitiker. Demgegenüber baut der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble neue Hürden auf, indem er Putin mit Hitler vergleicht [4].
Schon zuvor hat der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter ebenfalls im Deutschlandfunk gefordert, die Nato müsse Putin die roten Linien zeigen [5]. Kiesewetter versucht mit den Königsbronner Gesprächen [6] in Südwestdeutschland auch praktisch eine Militarisierung der Politik voranzutreiben. In den letzten Tagen waren in verschiedenen deutschen Medien solche Töne zu hören.
Während führende Sozialdemokraten die Notwendigkeit anmahnten, man müsse mit russischen Politikern im Dialog bleiben, betonten Unionspolitikern es sei wichtig, Putin die Grenzen aufzuzeigen. Dieses publizistische Geplänkel ist die Begleitmusik zu den Treffen in Brüssel.
Neben dieser rhetorischen geht es dort aber auch um eine praktische Aufrüstung. Die Nato wird darüber debattieren, ob sie Truppen in die Ukraine entsendet und damit näher an Russland heranrückt. Zudem treten die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Dänemark und Portugal dafür ein, den Luftraum im Baltikum zu kontrollieren.
In den vergangenen Tagen wurden in den us-amerikanischen, aber auch in polnischen und baltischen Medien kritisiert, die deutsche Bundesregierung sei in diesen Fragen noch zu zögerlich. Diese Kritik wurde dann in Deutschland an die SPD weitergegeben. Da die Grünen auch in dieser Frage die Union komplimentieren und die SPD alles vermeiden will, zu nahe an die Linkspartei heranrücken, wird sie wohl auch bald einer weiteren Militarisierung an der Nato-Ostgrenze zustimmen.
Bremsen kann hier das Interesse von relevanten Teilen der deutschen Wirtschaft, die sich ihre guten Geschäfte mit Russland nicht durch einen neuen kalten Krieg verderben lassen wollen, und deeskalierende Schritte Russlands wie etwa die temporäre Truppenreduzierung an der Grenze zur Ukraine.
http://www.heise.de/tp/news/Putin-die-Grenzen-zeigen-oder-mit-ihm-im-Gespraech-bleiben-2158947.html
Peter Nowak
Links:
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