Revival der Bild-Kritik?

Zum Jubiläum, zu dem jeder Haushalt mit einer Bild-Zeitung beglückt werden soll, regt sich erneut Kritik an der Zeitung mit den großen Buchstaben

In den letzten Jahren haben viele Ex-Linke ihren Frieden mit der Bild-Zeitung gemacht. Kritik an dem Boulevardblatt galt fast schon als hoffnungslos antiquiert. Die Bild-Zeitung hat es in den letzten Jahren durch ihre Werbung verstanden, scheinbar auch nonkonformistische Personen einzubinden, und durch ihre Rolle in der Causa Wulff galt sie in manchen Kreisen schon fast als seriöses Blatt.

Doch ausgerechnet zum Doppeljubiläum regt sich neue Bild-Kritik mit großem Anspruch. In diesem Jahr jähren sich das 60. Jubiläum der Bild-Zeitung und der 100. Geburtstag des Begründers Axel Springer. Am 23. Juni sollen 14 Millionen Haushalte gratis und unaufgefordert die Bild-Zeitung zugeschickt bekommen.

Das primäre Ziel der aus Einzelpersonen ohne parteipolitischen Hintergrund bestehenden Initiative Alle gegen Bild, die die Kampagne gemeinsam mit campact organisiert hat, ist die Ablehnung des Geburtstagsgeschenks. Auf der Homepage findet sich ein mit Juristen ausgearbeitetes Schreiben, mit dem man dem Springer-Verlag rechtswirksam die Zusendung der Bild-Zeitung untersagen und bei Nichtbeachtung mit einer Unterlassungsklage reagieren kann. „Wenn das einige zehntausend Leute machen, kann es für den Verlag richtig teuer werden“, glaubt Kampagnenaktivist Sebastian Schulze. Er sieht die neue Offenheit von Bild kritisch: „Dass die Bild-Zeitung heute harmlos und mit dem Anspruch auftritt, erwachsen geworden zu sein, macht sie nur noch gefährlicher. Denn damit wird ihre Berichterstattung weniger stark hinterfragt.“

Wie Bild die Schummelei von Erwerbslosen konstruiert

Am Inhalt von Bild habe sich wenig geändert, meint Schulze mit Verweis auf eine Bild-Schlagzeile, in der Hartz IV-Bezieher wieder einmal als Trickser und Schummler dargestellt werden. In typisch populistischer Manier wird dann „Volkes Stimme“ abgefragt.

Erwerbslosengruppen werfen Bild Stimmungsmache gegen Erwerbslose vor. Tatsächlich gibt der Anlass des Bild-Artikels für die Bild-Schlagzeile nichts her. Dabei ging es um vermehrte Sanktionen gegen Erwerbslose trotz des Rückgangs der sogenannten Betrugsfälle. Allerdings hat nicht nur Bild die Gelegenheit genutzt, um Klischees zu verbreiten.

Die Anti-Bild-Initiative will in den nächsten Woche mit einer Plakatserie und Veranstaltungen gegen Bild mobilisieren. Vielleicht könnte dann auch auf Forschungen zum Erfolg der Bildzeitung eingegangen werden, die dem optimistischen Titel der Initiative „Alle gegen Bild“ wiedersprechen. Es ist gerade ein Wesensinhalt des Populismus und Sozialchauvinismus, Teile der Bevölkerung mit den Eliten zusammenzuschweißen.

Bild und Israel

Ein weiterer innerlinker Streitpunkt ist die Haltung der Bild-Zeitung zum Staat Israel. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt/Main zeigt auf, dass für Springer die Integration bekannter NS-Belasteter und ein Bekenntnis zu Israel kein Widerspruch war, was der Publizist Otto Köhler bereits 1967 kritisiert hat. In den in der Ausstellung dokumentierten Artikeln wird beispielsweise gegen Überlebende der Shoah, die als Vertriebene in Deutschland lebten, in antisemitischer Manier gehetzt, während die Erfolge der israelischen Armee gegen die Truppen der arabischen Nachbarstaaten mit Metaphern gelobt wurden, die direkt aus den Wochenschauen des NS-Regimes stammen können. Gleichzeitig wurde der Erfolg der Tsahal in Jerusalem von der Springer-Presse zum Anlass für die Frage genommen, ob das nicht eine Blaupause für das geteilte Berlin sein könnte.

Eine intensive Beschäftigung mit Bild planen linke Gruppen in Berlin auch im Rahmen der 1.Mai-Demonstration. Die soll in diesem Jahr am Springer-Gebäude vorbeiziehen. Doch die Versammlungsbehörde hat schon angekündigt, eine Demoroute in der Nähe des Springer-Hochhauses mit Verweis auf die Vorbereitungen für eine Jubiläumsparty nicht zu genehmigen. Sollte das Routenverbot von der Polizei verkündet werden, wollen die Aktivisten klagen: „Es kann nicht sein, dass wegen einer privaten Feier des Springerkonzerns das Demonstrationsrecht von Tausenden Menschen beschnitten wird“, meint ein Sprecher des 1.-Mai-Bündnisses.
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Peter Nowak