Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift Cilip widmet sich einem Staatsapparat, der bisher wenig Beachtung fand.

Werden unsere Grundrechte verzollt?

Zum Repertoire des Zolls gehören wie bei den übrigen Polizeibehörden auch verdeckte Maßnahmen, Observationen und der Einsatz von V-Leuten. Der Zoll ist auch berechtigt, bei Telekommunikationsbehörden Daten abzufragen. Wie andere Polizeibehörden organisiert sich der Zoll grenzüberschreitend, wie der Artikel von Matthias Monroy detailliert darlegt.

Der 30. März 2019 wird für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des linken Clubs Mensch Meier in Berlin noch lange in Erinnerung bleiben. In den frühen Abendstunden tauchten einige….

…. Männer auf und begehrten autoritär Einlass. Die Mitarbeiter des Clubs, die gerade eine Solidaritätsparty für die Organisation Seawatch vorbereiteten, dachten an einen Angriff von Rechten und verbarrikadierten sich. Es gab danach einen Polizeieinsatz mit Festnahmen und Gerichtsprozessen.

Es stellte sich heraus, dass Mitarbeiter des Zolls Zugang zu den Räumen des Clubs verlangten. Als Grund diente eine ein Jahr alte anonyme Meldung, dass im „Mensch Meier unversteuerte Alkoholika verkauft würden. „Zugriff aufgrund eines anonymen Hinweises, über ein Jahr nach dessen Eingang und das, ohne weitere Sachaufklärung betrieben zu haben – für die Polizei ein Wunschtraum“, kommentiert der Referent für Innenpolitik bei der Fraktion „Die Linke“ Dirk Burczyk die Befugnisse des Zolls in der aktuellen Ausgabe der Cilip, die mit ihren Untertitel „Bürgerrechte und Polizei“ schon ihren Schwerpunkt deutlich macht. 

Seit vier Jahrzehnten widmet sich die Cilip den staatlichen Einschränkungen von Bürger- und Grundrechten, zunächst in der BRD und seit 1990 im noch größeren Gebiet Deutschlands. Ihre Relektüre widerlegt die offizielle Behauptungen, dass Menschenrechtsverletzungen in Deutschland vor 1989 nur in der DDR stattgefunden haben.

Auch der Zoll kann V-Leute einsetzen

Doch auch in den aktuellen Ausgaben werden neue Formen von Grundrechtseinschränkungen beleuchtet. Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Zoll, der bisher vor allem als Finanzpolizei und nicht als Akteur bei der Einschränkung von Grundrechten wahrgenommen wurde, obwohl er Teil des Polizeiapparates ist. Seine Befugnisse gehen sogar, wie das Beispiel „Mensch Meier“ zeigte, darüber hinaus.

So wurde kaum öffentlich bekannt, dass der Zoll 2017 zehn Reedereien zur Herausgabe von Passagierlisten für sämtliche Fähr- und Kreuzfahrschiffe in Ostseehäfen aufgefordert hat. Dabei bezog sie sich auf die allgemeine Befugnisse zur Aufklärung von Steuerstraftaten. Nach der Intervention des Bundesdatenschutzbeauftragen stellte der Zoll diese Praxis ein.

Man hätte denken können, dass im Rahmen des freien Warenverkehrs im EU-Raum der Zoll eher an Bedeutung verloren hat. Doch wie in den Beiträgen der Cilip gut dargelegt wird, ist das Gegenteil der Fall. Die Aufgaben des Zolls haben sich gewandelt und so mussten eben die Clubmitarbeiter von Mensch Meier registrieren, dass der Zoll Räume mitten in Berlin betreten kann. Der Politologe Eric Töpfer führt in seinem Beitrag aus, dass die dem Zoll obliegende Finanzkontrolle bei Schwarzarbeit berechtigt ist, Wohnungen zu durchsuchen. Wird der Zutritt verweigert, muss sie Unterstützung durch die Polizei einfordern.

Zum Repertoire des Zolls gehören wie bei den übrigen Polizeibehörden auch verdeckte Maßnahmen, Observationen und der Einsatz von V-Leuten. Der Zoll ist auch berechtigt, bei Telekommunikationsbehörden Daten abzufragen. Wie andere Polizeibehörden organisiert sich der Zoll grenzüberschreitend, wie der Artikel von Matthias Monroy detailliert darlegt.

Kann der Zoll in grundgesetzlicher Hinsicht reformiert werden?

Dass der Zoll bisher so wenig im Blickfeld kritischer Bürgerrechtsarbeit lag, kann an der Ambivalenzen seiner Arbeit liegen, die auch in der Cilip-Ausgabe benannt werden. Am Beispiel des Kampfes gegen die Geldwäsche und Finanzkriminalität macht der Referent für Finanzfragen bei der Linksfraktion Stefan Herweg Vorschläge, wie sinnvolle Betätigungsfelder für einen reformierten Zoll aussehen könnte. „Dabei sollte die Erweiterung von Kompetenzen und Datenzugriffsrechten … auf den Kern der Bekämpfung von Geldwäsche und damit unmittelbar auch von anderer (Finanz)Kriminalität beschränkt bleiben“, betont Herweg.

Allerdings wird ihm auch klar sein, dass Vorschläge für Reformen bei den gegenwärtigen politischen Kräfteverhältnissen Theorie bleiben werden. Wer will kontrollieren und durchsetzen, dass die Kompetenzen des Zolls auf die von Herweg benannten Aufgaben beschränkt bleibt? Zeigt nicht das Wirken anderer staatlicher Organe, dass diese Beschränkungen bei den heutigen Kontrollmöglichkeiten kaum durchzusetzen sind?

Die Politologin Jenny Künkel beleuchtet die Rolle des Zolls beim Kampf gegen illegale Beschäftigung und angeblichen Sozialleistungsmissbrauchs. Betroffen seien vor allem arme Migrantinnen und Migranten aus den neuen EU-Ländern, deren soziale Rechte durch das Agieren des Zolls massiert eingeschränkt werden, kritisiert Künkel. Sie benennt als Alternative den Ausbau des bundesweiten Netzwerkes von Beratungsstellen für Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter aus Osteuropa, um Lohndumping zu bekämpfen. 

Künkel sieht also die Notwendigkeit, dass gegen Sozialdumping vorgegangen werden muss, aber sie plädiert für Organe, die auch das Vertrauen der migrantischen Beschäftigen haben. Nur so kann verhindert werden, dass der Kampf gegen Lohndumping vor allem als Kampf gegen die Rechte der Beschäftigten ausgetragen wird. Es wäre zu diskutieren, ob nicht auch bei anderen notwendigen Aufgaben wie dem Kampf gegen die Geldwäsche solche zivilgesellschaftlichen Strukturen den Zoll ebenso überflüssig machen könnten, sie ähnliche Initiativen den Verfassungsschutz obsolet machen könnten.(Peter Nowak)