Miquel Ramos: Antifacistas – Wie die spanische extreme Rechte seit den 1990er Jahren bekämpft wird, Bahoe Books, Wien 2025, 543 Seiten, 26 Euro, ISBN 976-3-903478-21-3

Geschichte der spanischen Antifa

Ramos berichtet, wie sich die antifaschistische Bewegung weiter entwickelt hat. Nicht mehr der Kampf gegen die Nazis auf der Straße steht im Mittelpunkt. Vielmehr wird an Beispielen aus verschiedenen Städten gezeigt, das Stadtteilarbeit, gewerkschaftlicher Kampf und der Widerstand gegen Zwangsräumungen wesentliche Teile der antifaschistischen Arbeit sind.

Es war der erste Tag nach den Osterfeiertagen im Jahre 1993. Unser Lehrer Entric betrat mit ernster Miene das Klassenzimmer.“ Mit diesen Sätzen beginnt Miquel Ramos sein Buch über die Geschichte des spanischen Antifaschismus. An diesem Frühjahrstag vor 22 Jahren erfuhr der damals 14-jährige Autor, dass sein enger Freund und Mitschüler Guillem von einem Neonazi ermordet wurde. „Unser Lehrer erzählte uns, dass Guillem aus Hass getötet wurde, weil er Antifaschist war. Er verließ die Klasse und wir blieben schweigend zurück.“ (S. 12). Für Ramos war dieses Datum der Beginn seines antifaschistischen Aktivismus. In jungen Jahren beteiligte er sich an …

… verschiedenen Protesten gegen die Rechten. Später beschäftigte er sich auch wissenschaftlich und journalistisch mit den Neofaschisten in Spanien. 2022 veröffentliche er in Spanien sein antifaschistisches Grundlagenwerk. Jetzt hat es der Bahoe-Verlag in deutscher Übersetzung herausgegeben. Das war eine gute Entscheidung. Ramos ist auch gut mit der Geschichte der antifaschistischen Bewegung in Deutschland vertraut. Die rassistischen Pogrome in Ost- und Westdeutschland kommen bei ihm ebenso vor, wie der Nazimord an dem jungen Antifaschisten Silvio Meier in Ostberlin. Auch das von Neonazis Anfang 1990 besetzte Haus in der Weitlingstraße Berlin-Lichtenberg wird von ihm erwähnt. Allerdings ist seine Einschätzung, dass es durch den Druck der Antifaschist*innen schon nach wenigen Monaten geräumt wurde, dann doch zu optimistisch. Tatsächlich bekamen die jungen Neonazis damals zunächst einen legalen Mietvertrag in einem anderen Haus. Neben beständigem antifaschistischen Druck sorgten zudem auch Zerwürfnisse innerhalb der Neonazi-Szene dafür, dass die Neonazis das Projekt bald aufgaben. Auch die spanische Rechte hat sich immer wieder zerstritten. Das können wir bei Miquel Ramos erfahren. Im Zentrum seines Buches steht aber nicht die Geschichte der alten und neuen Rechten in Spanien, sondern die Geschichte der vielfältigen antifaschistischen Bewegung. Dass das auch ein Teil seiner eigenen Geschichte ist, macht Ramos deutlich. „Es gibt keine Objektivität, weder bei der Auswahl der Themen, die veröffentlicht werden, noch bei der Art und Weise, wie sie erzählt werden, noch bei der Auswahl der Personen, die diese Berichte ergänzen“ (S. 522) betont er. Es ist gerade die Schreibweise eines seit seiner Jugendzeit engagierten Antifaschisten, die sein Buch so lesenswert macht. In 53 Kapiteln erzählt er die Geschichte der antifaschistischen Bewegung in Spanien der letzten 30 Jahre. Neben seinen persönlichen Erlebnissen innerhalb der antifaschistischen Bewegung, kommen auch viele weitere Kennerinnen der rechten Szene in Spanien zu Wort. Auch bei ihnen handelt es sich zumeist um langjährige Antifas und Autorinnen. Die Parallelen zur antifaschistischen Bewegung in Deutschland in dieser Zeit sind unverkennbar, wie sie in dem Film „Antifa – Schulter an Schulter, weil der Staat versagt“ (siehe Rezension in dieser GWR) dokumentiert ist. Ramos erzählt, wie auch in vielen Städten Spaniens die Polizei die rechte Szene mit Samthandschuhen anfasste und gleichzeitig die Antifas kriminalisierte und mit hohen Haftstrafen bedrohte.

Kritik und Selbstkritik in der Antifa

Ramos berichtet aber auch über antifaschistische Kritik und Selbstkritik. „Mitte der 1990er Jahre schlossen sich Aktivistinnen der Koordination des Kollektivs Lucha Autonoma zusammen, weil sie sich darüber empörten, dass auf antifaschistischen Demonstrationen häufig homophobe, prostituiertenfeindliche und chauvinistische Äußerungen zu hören waren, und es schien unmöglich, eine antiautoritäre und antisexistische Kritik am Antifaschismus zu verbreiten“, heißt es auf Seite 473. Ramos berichtet, wie sich die antifaschistische Bewegung weiter
entwickelt hat. Nicht mehr der Kampf gegen die Nazis auf der Straße steht im Mittelpunkt. Vielmehr wird an Beispielen aus verschiedenen Städten gezeigt, das Stadtteilarbeit, gewerkschaftlicher Kampf und der Widerstand gegen Zwangsräumungen wesentliche Teile der antifaschistischen Arbeit sind.
Besonders mit dem Aufstieg der spanischen Rechtspartei Vox, die durchaus mit der AfD verglichen werden kann, ist diese Neuorientierung umso wichtiger. Auch die Gedenkarbeit an die von den Faschisten getöteten Menschen, hat einen wichtigen Stellenwert in der antifaschistischen Bewegung in Spanien bekommen. Auch Guillem Agulio i Salvador, der 1993 von einem Neonazi ermordete Freund von Ramos, hat in den letzten Jahren in seiner Heimatstadt viele Ehrungen erfahren, nachdem Freund*innen und junge Antifas die Kampagne „Der Kampf geht weiter“ gegründet hatten.
Peter Nowak

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