
Der Streit um den Wasservertrag mit dem Autobauer Tesla für dessen Werk in Grünheide geht in die nächste Runde. Bei einer Versammlung des Wasserverbands Strausberg Erkner (WSE) am 5. März stand der Verbandsvorsteher des regionalen Wasserversorgers, André Bähler, in der Kritik. Er soll einen schon beschlossenen Vertrag zum Nachteil von Tesla verändert haben, so der Vorwurf der Bürgermeister der Gemeinden Petershagen-Eggersdorf und Neuenhagen, Marco Rutter und Ansgar Scharnke.
Wer das kürzlich erschienene Buch „Eine Gigafabrik in Grünheide“ von
Heidemarie Schroeder gelesen hat, weiß mehr über die Hintergründe der Auseinandersetzung, die in den aktuellen Meldungen nicht erwähnt wurden. Die Autorin …
… lebt in Grünheide und engagiert sich in regionalen Initiativen gegen die Ansiedlung des Tesla-Werks. Auf 200 Seiten gelingt es Schroeder, auch für Laien gut lesbar die Hintergründe der Auseinandersetzung um das Tesla-Werk in Grünheide darzustellen. Dabei macht sie schon im Vorwort deutlich, dass sie keine neutrale Beobachterin in dem Konflikt ist. „Ich habe Kindheit und Jugend in den 1960er und frühen 1970er Jahren in der DDR verbracht.“ In den Nachwendejahren arbeitete Schroeder zunächst als wissenschaftliche Assistentin am Physiologischen Institut der Charité und betrieb danach gemeinsam mit ihrem Mann eine Zahnarztpraxis in Berlin-Friedrichshain.
Neuer Nachbar
„Ich wählte Rot, wenn es um den Bund ging, und Grün in Berlin, weil ich auf bessere Radwege und eine grünere Stadt hoffte“, umreißt Schroeder ihre politische Positionierung. Dabei bleibt offen, ob mit Rot die SPD gemeint ist oder PDS und Linke. Doch dann bekam Schroeders Ferienhaus in Grünheide neue Nachbarn. „Es war uns, als die freudige Nachricht der Tesla-Ansiedlung durch alle Medien ging, nicht sofort klar, was es für uns bedeuten würde, wenn eine E-Autofabrik in Grünheide errichtet werden würde.“ Doch das sollte sich bald ändern. Nach einem Exkurs zum südlich angrenzenden Logistikzentrum,
dem früheren Dienstkomplex Freienbrink der DDR-Staatssicherheit, stellt Schroeder sehr anschaulich die Probleme dar, die die Ansiedlung der
Gigafactory im Landschaftsschutzgebiet mit sich bringt. Sie beschreibt,
wie die Befürworter der Tesla-Fabrik dabei vorgegangen sind: „Ein Kiefernstangenwald sei dieser Wald gewesen, eine Plantage, eine Monokultur, die von Anbeginn für ihre spätere Verwendung in der Papierindustrie angelegt worden war und nun einfach erntereif sei.“
Fakten statt Mythen
Dagegen betonten die KritikerInnen der Tesla-Ansiedlung, darunter auch Förster, dass der angeblich entbehrliche Wald ein erhaltenswerter
Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten war. Doch sie drangen
mit ihren Argumenten auch deshalb kaum durch, weil die Tesla-Ansiedlung von der überwiegenden Mehrheit der Parteien und Medien euphorisch begrüßt wurde. Man rollte Tesla-Chef Elon Musk mit Verweis auf die neu entstehenden Arbeitsplätze im wahrsten Sinne den roten Teppich aus. Alle, die kritische Fragen stellten, wurden schnell als Querköpfe abqualifiziert, die sich dem Fortschritt in Brandenburg verweigern würden. Eine besondere Note bekam diese Story bei den Grünen, die stets hervorhoben, dass es in Grünheide ja um eine Fabrik für Elektroautos gehe. Auch diesen Mythos vom grünen Kapitalismus nimmt Schroeder kenntnisreich auseinander. Dabei holt sie sich Unterstützung von WissenschaftlerInnen aus den jeweiligen Fachgebieten.
Doch bei einem Thema hat sich die Autorin besonders viel Wissen angeeignet. Es geht um die Ansiedlung von Tesla ausgerechnet in einer Wassermangelregion und einem Trinkwasserschutzgebiet. Sehr sachkundig geht Schroeder auf die Grund- und Abwasserprobleme ein. Dabei beschreibt sie, wie PolitikerInnen massiven Druck auf den lokalen Wasserverband ausübten, weil dort die MitarbeiterInnen faktenorientiert arbeiteten und Tesla keine Sonderrechte zugestehen wollten. Hier liegen die Wurzeln des Konflikts, der
jetzt wieder mit voller Härte ausbrach. Erneut agierten lokale Bürgermeister gegen den Wasserverband, der Tesla mit Verweis auf die angespannte Wassersituation Grenzen setzen wollte.
Keine echte Bürgerbeteiligung
Schroeder schildert, wie die unterschiedlichen politischen Ebenen von
den Kommunen bis zum Bund Einfluss genommen haben, damit das Tesla-Werk möglich schnell errichtet werden konnte. Die von der Politik so hochgelobte Bürgerbeteiligung erlebte Schroeder als Farce. Die BewohnerInnen hätten den begründeten Eindruck gehabt, dass die Entscheidung für den Bau der Autofabrik schon vorher feststand. Schließlich hatten vor allem PolitikerInnen aus Brandenburg intensiv für die TeslaAnsiedlung geworben. Schroeder kommt zu dem ernüchternden Fazit: „Der Ministerpräsident und der
Wirtschaftsminister Brandenburgs fädelten das Projekt der Ansiedlung Teslas unter Wahrung absoluter Geheimhaltung ein. Eine Einbeziehung der Bürger, bevor die Messen gesungen waren, unterblieb. Eine echte Bürgerbeteiligung während des Genehmigungsverfahrens gab es nicht. Standortalternativen wurden zu keinem Zeitpunkt geprüft und ein Versagen einer Betriebsgenehmigung war zu keinem Zeitpunkt eine Option.“
Neuer Schwung
Auch die meisten etablierten Umweltverbände wie der BUND oder zumindest ihre Leitungen hatten kein Interesse, gegen eine Fabrik zu protestieren, die Elektroautos herstellt. Den in sie gesetzten, enttäuschten Hoffnungen widmet Schroeder ein eigenes Kapitel. Dort geht sie auch auf den „Mut kleiner Verbände“ ein und schreibt: „Ein anderer eher kleiner Umweltverband, der uns trotz geringer personeller Kapazitäten und trotz eines immer größeren Berges von zu bewältigenden Aufgaben von Anfang an unterstützt, ist die Grüne Liga.“
Schroeder erwähnt, dass die Grüne Liga Brandenburg nicht nur fachliche und juristische Unterstützung leistet. Ihre Mitglieder beteiligten sich auch an den zahlreichen Protestaktionen gegen Tesla in Grünheide. Dieser Widerstand hat in den letzten Jahren durch die Klimabewegung neuen Schwung bekommen. Das zeigte sich deutlich beim Weltwassertag 2022. Schroeder schreibt: „Von
diesem Zeitpunkt an erhielten wir die Unterstützung von immer mehr jungen Frauen und Männern, die meist dem linken Spektrum zuzuordnen sind. Sie hörten sich unsere Geschichten an, sie machten sich diese zu eigen und verbreiteten sie in ihren Netzwerken.“ Bei aller Freude über diese neuen BündnispartnerInnen verschweigt Schroeder auch manche Differenzen nicht, wenn AktivistInnen aus Großstädten radikalere Aktionsformen praktizieren wollen. Das Buch war fertig, bevor Tesla-Boss Elon Musk sich als Unterstützer von Donald Trump und Förderer von Rechtsaußenbewegungen in aller Welt einen Namen machte. Darauf geht Schroeder deshalb nur ganz kurz ein. Es könnte also sein, dass die Proteste gegen Musk und Tesla noch zunehmen. Das Buch liefert eine gute Grundlage für alle, die sich kritisch mit der Gigafactory in Grünheide auseinandersetzen wollen. ■
Peter Nowa