Ella/UP1: Gefangenschaft überwinden! Aufruf zu Waldverteidigung und Personalienverweigerung Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2025 112 Seiten, 12,90 Euro ISBN 978-3-939045-55-7

Mut und Solidarität

Die gewaltfreie Aktivistin Ella schreibt über ihre Zeit im Gefängnis Jetzt gibt es die Gelegenheit, mit ihr über ihre politischen Positionen zu streiten. Das erscheint nach der Lektüre ihres Buches besonders notwendig. aber, dass eine solche Diskussion nur außerhalb des Gefängnisses geführt werden kann.

Als „UWP1“ wurde sie vom Gefängnispersonal angesprochen, „unbekannte weibliche Person 1“. In der linken Öffentlichkeit wurde sie unter dem Namen Ella bekannt. Sie protestierte im besetzten Dannenröder Forst in Osthessen gegen den Autobahnbau, wurde bei der Räumung im November 2020 verhaftet
und weigerte sich, …

… ihren Pass zu zeigen. Weil sie auch ihre Fingerkuppen bearbeitet hatte, war eine Identifikation nicht möglich. 529 Tage musste Ella in der JVA Frankfurt am Main in Haft verbringen. Damals sorgte die Kampagne „Free Ella“ dafür, dass sie nicht vergessen wurde. Ein wichtiger Beitrag zur Solidarität war auch der Film „Ella“ der sich vor allem mit dem Vorwurf auseinandersetzte, Ella habe bei der Räumung im „Danni“ einen Polizisten mit ihrem Widerstand in Lebensgefahr gebracht. Später gab der Polizist zu, dass er gesichert und daher nicht gefährdet war. Jetzt hat Ella in einem Buch ihre Position dargestellt. Der gut gestaltete Band dokumentiert auch Aktionen der Solidaritätsbewegung „Free Ella“ mit Fotos. Ella schreibt, wie ihr die Nachrichten darüber, die sie im Gefängnis erreichten, immer wieder Mut gaben, sich nicht unterkriegen zu lassen. Doch sie schreibt auch von Tagen der Verzweiflung und Niedergeschlagenheit. Sehr gut beschrieben ist ihr Kampf um vegane Ernährung hinter Gittern, der sie viel Kraft kostete. Am Ende war sie in diesen Punkt erfolgreich. Heute gibt es auch veganes Essen hinter Gittern.

In Freiheit streiten

Ella spart auch nicht mit Kritik an solidarischen Menschen und Strukturen. Sie beklagt, zu wenig in Solikampagnen einbezogen worden zu sein. Ihrem Anwalt wirft sie vor, sie nicht rechtzeitig darüber informiert zu haben, dass es ein Video gibt, in dem zu sehen ist, wie sie sich mit ihrem Knie gegen einen Polizisten wehrt, der sie im Wald festnehmen will. Der Streit führte sogar zum Anwaltswechsel, was nicht ganz nachzuvollziehen ist, weil der Anwalt von dem linken Grundsatz ausging, dass der offizielle Vorwurf bei der Verteidigung nicht im Mittelpunkt steht und die Solidarität nicht davon abhängig ist.
Nachdem Ella registrierte, dass die Solikampagne nicht stark genug ist, ihre Freilassung durchzusetzen, zeigte sie doch noch ihren Ausweis und gab damit vor den Behörden ihre Anonymität auf. Kurz danach wurde sie freigelassen. Jetzt gibt es die Gelegenheit, mit ihr über ihre politischen Positionen zu streiten. Das erscheint nach der Lektüre ihres Buches besonders notwendig. Denn der von ihr propagierte Anarchoprimitivismus, die Einordnung der Menschen in Stämme und Wurzeln, das Negieren von gesellschaftlichen Widersprüchen und Klassen, scheint nicht geeignet, die menschliche Emanzipation voranzubringen. Wichtig ist aber, dass eine solche Diskussion nur außerhalb des Gefängnisses geführt werden kann. Deshalb war die Kampagne richtig, auch wenn man über Ellas politische Positionen streiten
mag. ■ Peter Nowak