Schwaller katja (hrSg.) urbane kämpfe, technopolis in der San francisco bay area, assoziation a, berlin 2019, 231 Seite, 19,80 euro, iSbn: 9783037 772065

Urbane Kämpfe

Google, Facebook, Uber: Das Buch von Katja Schwaller nimmt die Ausbeutungsverhältnisse der Konzerne unter die Lupe, die das neue kapitalistische Akkumulationsmodell prägen und beschreibt Widerstandsformen. Die Autorin lebte in Zürich und so ist auch der Europallee ein Kapitel gewidmet.

Kürzlich hat das Parlament des US-Bundesstaat Kalifornien ein Gesetz beschlossen, das den Beschäftigten der Fahrdienstleister Uber und Lyft ein Recht auf Mindestlohn und weitere Sozialleistungen garantiert. Es ist auch ein Erfolg einer wachsenden Protestbewegung in den USA, die sich gegen Konzerne wie Google, Facebook und Uber richtet. Die Journalistin Katja Schwaller hat ein Buch herausgeben, das über diese ….

….. «urbanen Kämpfe in der San Francisco Bay Area» informiert.

Die Welt der Armut

In 15 Beiträgen und Interviews wird sehr anschaulich beschrieben, welche gravierenden Umwälzungen der Arbeits- und Lebensbedingungen vieler Menschen mit dem Aufstieg der Gig-Ökonomie verbunden sind. Der Soziologe Chris Herring beschreibt die Kriminalisierung von Obdachlosen durch eine mittelständische Bevölkerung, die sofort die Polizei alarmiert, wenn sie einen vermeintlich Wohnungslosen sehen. «Obdachlosigkeit ist in der San Francisco Bay allgegenwärtig. Rund 20000 Menschen schlafen in der Metropolenregion jede Nacht unter Brücken, in Hauseingängen in Autos oder Notübernachtungen», wird die Welt der Armut und Not beschrieben, die oft und gerne übersehen wird, wenn über das Silicon- Valley berichtet wird. Diese Obdachlosigkeit in den Städten ist ein neueres Phänomen.« Erst in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren traten erstmals Szenen auf, wie wir sie in San Francisco nur zu gut kennen: riesige Zeltstädte unter Autobahnbrücken und in Wohnvierteln, lange Schlangen vor Suppenküchen und Tausende, die von Suppenküchen und von Essenstafeln abhängig sind», beschreibt Chris Herring eine Entwicklung im globalen Kapitalismus. Die Armut ist wieder Teil des Alltags und auch längst in fast allen europäischen Metropolen eingezogen.

Der Berg gewöhnlicher Arbeit

Der Wirtschaftsgeograph Richard Walker widerlegt den Silicon-Valley-Mythos von den saube- ren, gut bezahlten Arbeitsplätzen. Das treffe nur für einen kleinen Teil der Techniker zu. Walker richtet seinen Blick auf die vielen «unglamuorösen Jobs in den Maschinenhallen, Lagerhallen, Küchen und Lastwagen», ohne die die Tech-Industrie nicht funk- tionieren würde. «Die Tech-Industrie ist vielleicht die Spitze der modernen industriellen Entwicklung, Innovation und Profitabilität. Doch sie beruht immer noch auf einen ganzen Berg weniger qualifizierter, gewöhnlicher Arbeit», schreibt Walker am Schluss eines aufschlussreichen Aufsatzes. Damit widerspricht er auch Uber-Propaganda, wie sie der südafrikanische Politikwissenschaftler und assoziiertes Mitglied des Einstein-Zentrums in Digitale Zukunft in Berlin Ayad al-Ani in einem Interview mit der linksliberalen Wochenzeitung Jungle World verbreitet. Dort stilisiert er die Crowdworker*innen als Gruppe von Individualist*innen, die Gewerkschaften zur juristischen Beratung akzeptieren, aber auf Konzepte gewerkschaftlicher Gegenmacht nicht ansprechbar sind. Dabei müsste es gerade darum gehen, aus den vielen individuell ausgebeuteten Beschäftigten durch konkrete Kämpfe und Bildungsarbeit eine neue Klas- se mit gemeinsamen Interessen und Kampfaktionen zu formen. Dafür gibt es genügend Anregungen.

Von San Francisco in Europaallee

In mehreren Kapiteln werden unterschiedliche Protestformen gegen Google, Uber und Co. vorgestellt. Dazu gehört die Blockade von Google-Bussen, in denen die gutbezahlte Schicht der Beschäftigten von ihren Lofts zu ihren Arbeitsplätzen transportiert werden. Die Herausgeberin des Buches Katja Schwaller hat lange in der Schweiz gelebt, das Buch wurde auch von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia finanziell gefördert. Wichtiger ist, dass Schwaller in der Einleitung Bezüge zur Schweiz herstellt:«DieBayAreamag in gewisser Weise das Laboratorium der High-Tech- Industrie aus dem Silicon Valley sein. Doch Letztere ist eine globale Operation: Von den iphone-Fabriken im chinesischen Shenzhen zu den Bergbauminen im Kongo, von den Amazonverarbeitungszentren in Virginia zum gigantischen Google-Campus in San Jose, von der geplanten Smart City in Toronto bis zur Startup-Szene in Berlin oder der Europaallee in Zürich».

Über die schreibt die Schweizer Künstlerin Romy Rüegger einen kurzen Beitrag im Buch. Dort ist sie auf die Veränderungen eingegangen, die der Züricher Boulevard durch den Zuzug von Google erfahren hat. «Die fehlenden Bäume in der Europaallee sind ersetzt durch unterirdische Stränge, Stromkabel und Datenleitungen». Vor allem aber sind die Grundstückspreise rund um den Züricher Hauptbahnhof nach Angaben des Vereins Neugass um 89 Prozent gestiegen. Ruegger erwähnt aber auch, dass das zivilgesellschaftliche Engagement Spuren hinterlassen hat. «Unter Druck der Öffentlichkeit und mit Verweis auf die 30-Prozent- Klausel für genossenschaftliches Wohnen, welche die Stadt Zürich erreichen soll, wurde von Initiativen aus der Bevölkerung ein Teil der noch unbebauten Bahnhofseinfallsschneisen mittlerweile für genossen- schaftliches Bauen eingefordert». Es wird zu beobach- ten sein, ob solche Projekte mehr sind als ein ökolo- gisches Mäntelchen, dass sich Konzerne wie Google gerne umhängen, um sich als die freundlichere, öko- logischere Variante des Kapitalismus anzupreisen.

Erfolg ist möglich

Die im Buch vorgestellten Widerstandsformen gegen Uber, Google und Co. zeigen, dass man auch Er- folg haben kann, wenn man sich auf die Kooperations- und Dialogangebote dieser Konzerne nicht einlässt.

Eryn McElroy stellt ein Mappingprojekt vor, auf denen Orte der Verdrängung aufgeführt sind. Darüber berichtete McElroy 2017 in Berlin auf einer Veranstaltung Berliner Anti-Google-Kampagne. Mittlerweile ist der geplante Google-Campus in Berlin-Kreuzberg für einige Jahre verschoben worden. Davon handelt der letzte Beitrag des Buches. Die Berliner Anti-Google- Aktivist*nnen haben von ihren Freund*nnen in den USA gelernt, dass nicht Verhandlungen mit den Konzern sondern Widerstand Erfolge bringen. McElory beschreibt, wie sich in den urbanen Kämpfen verschiedene Widerstandsformen zusammengefunden haben. Betriebliche Kämpfe gegen eine Kündigung mit Stadtteilinitiativen, die sich gegen die Gentrifizierung wehrten.

Das Buch ist aber vor allem deshalb so wichtig, weil die Ausbeutungsverhältnisse der Konzerne unter die Lupe nimmt, die das neue kapitalistische Akkumulationsmodell prägen werden. Auch die durchaus begrüssenswerte Bewegung gegen die alte fordistische Automobilindustrie läuft Gefahr, am Ende Uber, Google und Co. in die Hände zu spielen, wenn sie keine klar antikapitalistische Perspektive entwickelt. Konzernsprecher*innen von Uber reden in höchsten Tönen von der Verschrottung der alten Automobilindustrie und bieten ihre Produkte als Alternative an. Aber die gesamte app-basierte Ökonomie ist weder ökologisch noch frei von Ausbeutung. Es wäre überhaupt nichts gewonnen, wenn auf den Fordismus der Uberismus folgt. Daher wird im Buch der Widerstand des 21. Jahrhunderts beschrieben.

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