Wer erinnert sich noch an Angelo Lucifero? Der engagierte Gewerkschaftssekretär avancierte in den 90er Jahren zum Feindbild der Rechten in Thüringen. Denn für ihn war klar, dass eine klassenkämpferische Gewerkschaftspolitik nur im Bündnis mit Antifaschist*innen möglich ist. Da er jedoch am Ende auch von der Gewerkschaftsbürokratie im Stich gelassen wurde und die Drohungen der Rechten immer gefährlicher wurden, zog er sich schließlich aus dem politischen Leben in der ersten Reihe zurück. Jetzt hat der antifaschistische Gewerkschaftler eine späte Würdigung erfahren: Gleich zwei Plakate, die Lucifero auch namentlich gezeichnet hat, sind in dem Band …
… »Druckmachen« zu sehen, das politische Plakat im letzten, von Streiks und Demonstrationen geprägten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts vorstellt.
Es ist eine Fundgrube für alle an der Geschichte der linken Bewegung, und dies insbesondere in Thüringen, interessierten Zeitgenossen. Statt langer Texte wird hier eine Vielzahl grafischer Ausdrucksformen politischen und sozialen Protestes geboten, initiiert und gestaltet von unterschiedlichen gesellschaftlichen Initiativen, Gruppen, Parteien und Einzelpersonen. Deren Schwerpunkte lagen auf dem Kampf gegen Rechte aller Couleur.
Es geht um die Verhinderung rechter Aufmärsche, aber auch um alltägliche Formen von Ausgrenzung, Rassismus und Antisemitismus sowie jegliche Relativierung des Faschismus. Dem diente unter anderem die Besetzung eines Hauses auf dem ehemaligen Gelände der Firma Topf & und Söhne, die bis 1945 die Öfen für die NS-Vernichtungslager produzierte und von Rüstungsaufträgen profitierte. Acht Jahre hielten linke Aktivisten stand, bis zur Räumung 2009. Im Ergebnis wurde ein Erinnerungsort eingerichtet. Ein weiterer Schwerpunkt der politischen Plakate aus Thüringen sind feministische Forderungen.
Nur ganz wenige der insgesamt 160 dokumentierten Plakate sind namentlich gekennzeichnet. Die meisten Plakatgestalter wollten aus Gründen möglicher Repression nicht mit Klarnamen genannt werden. Sie entstammen fast ausschließlich der außerparlamentarischen Linken, gehören dem autonomen und anarchistischen Spektrum an. Dort gilt zumindest theoretisch das Prinzip der Kollektivität; sich als Einzelperson profilieren zu wollen, galt und gilt als unschicklich.
Allerdings sieht es in der Praxis oft anders aus, wie ein Autor mit dem Alias-Namen Pit Plakateur berichtet. Durchaus humoristisch beschreibt er das nicht immer harmonische Verhältnis zwischen linkem »Plenum« und den Plakatkünstlern. Dies ist ein Vorzug dieses Bandes: Die Autor*innen blicken gelassen und entspannt, mit Witz und auch Selbstkritik auf linke Geschichte, die auch ihre eigene war.
Nach der Betrachtung des empfehlenswerten Bandes kann man wehmütig werden, angesichts der Tatsache, dass ein mit der Digitalisierung untergehendes Gewerbe gezeigt wird. Das Buch zeigt, was dadurch verloren geht.
Peter Nowak