Peter Nowak berichtet seit Jahrzehnten für diverse linke Medien, darunter das »nd«, über außerparlamentarische Bewegungen und soziale Proteste. Der hier vorab veröffentlichte Text ist die gekürzte Fassung eines Beitrags in dem Buch »KlassenLos – Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten« (256 Seiten, 12 Euro). Nowak hat es gemeinsam mit Anne Seeck, Gerhard Hanloser und Harald Rein im Verlag Die Buchmacherei herausgegeben. Es erscheint Mitte Oktober und behandelt die sozialen und politischen Auseinander­setzungen in Deutschland in den letzten 20 Jahren. Am 16. Oktober stellen die Herausgeber das Buch um 19 Uhr im Stadtteilladen Lunte in der Weisestraße 53 in Berlin-Neukölln vor.

Das Kapital und die Rechte

Rechtspopulistische Empörung gegen das sogenannte Heizungsgesetz kam nicht nur von der AfD. Bei einer Demo in Erding u.a. mit Markus Söder sagte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, die Mehrheit müsse sich »die Demokratie zurückholen«. Statt über die Zumutungen des Kapitalismus wird oft über Querfronten und inner­linke Benimmregeln geredet. Diese Diskussionen überfordern eine ohnehin geschwächte gesellschaftliche Linke.

Es war ein warmer Sommerabend im Jahr 2015, als eine Spontandemonstration durch die Berliner Innenstadt zum Amtssitz des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble führte. Schäuble war das Gesicht jener Troika, die damals der linkssozialdemokratischen Syriza-Regierung in Griechenland das EU-Austeritätsprogramm aufdrückte. Die circa 1200 Demonstrant*innen, darunter viele junge Menschen, unterstützen in Sprechchören die griechische Bevölkerung, die sich gegen die Politik der Austerität wehrte. Doch als sie vor dem menschenleeren, von der Polizei gesicherten Finanzministerium ankam, …

„Das Kapital und die Rechte“ weiterlesen
Zunehmend warnen linke Gruppen vor weiteren Spaltungen, die nur den Rechten nützen

„Trennung verläuft nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften“

Der mit Recht politisch viel kritisierte Kreuzberger Straßenkünstler Sozi36 hatte kürzlich an verschiedenen Stellen eine Parole in das Stadtteil gemalt, die auf viel Zustimmung stieß: "Die Grenze verläuft nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften, sondern zwischen Jeff Bezos und Sozi 36."

Trotz Verbot gingen am Samstag in Hamburg wieder Kritiker der Corona-Maßnahmen auf die Straße. Wie in der letzten Woche entschied auch dieses Mal die Hamburger Justiz in mehreren Instanzen, dass das Demoverbot wegen der aktuellen Corona-Lage verhältnismäßig sei und das Hygienekonzept des Demo-Bündnisses nicht ausreichend sei. Trotzdem gab es am 29. Januar verschiedene maßnahmenkritische „Spaziergänge“ und Demonstrationen, aber auch …

„„Trennung verläuft nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften““ weiterlesen

Solidarität mit Veit Wilhelmy!

Konkurrenz zwischen DGB-Gewerkschaften führt zur Kündigung?

Ein Solidaritätsaufruf für gekündigte Gewerkschafter ist in diesen Tagen wahrlich nicht selten. Doch der von zahlreichen Gewerkschaftern unterzeichnete Offene Brief gegen die Entlassung von Veit Wilhelmy richtet sich an den Vorstand der IG BAU (IG Bauen-Agrar-Umwelt).
Wilhelmy war seit Jahren im Rhein-Main-Gebiet als Gewerkschaftssekretär im Bereich Gebäudereinigung aktiv. Dass der IG-BAU-Vorstand Wilhelmy gleich viermal fristlos gekündigt hat, liegt nicht daran, dass er in der Mitgliederwerbung erfolglos gewesen wäre. Vorgeworfen wird ihm, dass er auch in einem Betrieb, der zur IG BCE gehört hat, Mitglieder geworben hat. Nun ist es längst kein Geheimnis mehr, dass es zwischen DGB-Gewerkschaften eine heftige Konkurrenz um die Mitglieder gibt. Dass deswegen Gewerkschaftsmitglieder gekündigt werden, ist hingegen neu.
Als weiteren Kündigungsgrund führte der IG-BAU-Vorstand gegen Wilhelmy an, er habe einen Unternehmer wegen Behinderung einer Betriebsratswahl angezeigt, ohne sich zuvor die Vollmacht vom Bundesvorstand der Gewerkschaft geholt zu haben. Aktive Gewerkschafter an der Basis würden sich oft mehr Gewerkschaftssekretäre wünschen, die auch mal unbürokratisch handeln. Beim dritten Vorwurf, Wilhelmy habe eine Kollegin zu vergünstigen Bedingungen in die Gewerkschaft aufgenommen, fragt man sich, wieviel Entscheidungsfreiheit den Sekretären eigentlich gelassen wird.
Wilhelmy ist seit Jahren über gewerkschaftliche Kreise hinaus als Initiator des Wiesbadener Appells bekannt, der das Recht auf politischen Streik in Deutschland fordert. 2009 hatte Wilhelmy auf einem Gewerkschaftstag der IG BAU gegen den Willen des Vorstands einen Antrag für ein umfangreiches Streikrecht erfolgreich durchgesetzt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Kündigungen nichts mit diesen Aktivitäten Wilhelmys zu tun haben, wie der Vorstand der IG BAU betont. Schließlich haben auch in der Vergangenheit verschiedentlich Einzelgewerkschaften Gewerkschaftssekretären gekündigt, die sich besonders für die Rechte der Kollegen einsetzten und dafür auch bereit waren, Konflikte mit Unternehmen und der Politik in Kauf zu nehmen. Ein Beispiel dafür war 2007 die Kündigung des thüringischen Ver.di-Sekretärs Angelo Lucifero,   der ebenfalls über Gewerkschaftskreise hinaus für sein antifaschistisches Engagement bekannt war.

Solidarität mit Veit Wilhelmy!

aus: SoZ,  Juli 2015

Peter Nowak

Angelo Lucifero im Fadenkreuz von VS-Nazis

Am 14. Mai 2001 fand anlässlich zahlreicher Skandale, in die der Verfassungsschutz (VS) Thüringen verwickelt war, eine kleine Kundgebung mit Straßentheater vor dem VS-Gebäude in der Haarbergstraße statt. Initiator war Angelo Lucifero, hauptamtlicher Gewerkschafter, Antifaschist und damals Zielscheibe einer mit VS-Geldern finanzierten Nazi-Kampagne. Sein Fall verdient verstärkte Beachtung, nachdem die zweifelhafte Rolle des thüringischen Verfassungsschutzes unter Helmut Roewer im Zusammenhang mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in der Öffentlichkeit Thema geworden ist.
Der Spiegel schrieb am 11.9.2000: „Angelo Lucifero, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) in Thüringen, soll Opfer einer gemeinsamen Intrige von Neonazi Thomas Dienel und dem Landesverfassungsschutz geworden sein. Im Herbst 1997, behauptet Dienel, habe das Landesamt eine Flugblattkampagne der rechten Szene gegen Lucifero finanziell unterstützt. Auf den Blättern war ein fingierter Aufruf aus der Antifa-Szene zu lesen, der den Anti-Nazi-Aktivisten Lucifero der Zusammenarbeit mit dem Rechtsradikalen bezichtigte.“ Auf einem zweiten gefälschten Flugblatt beschwerten sich anonyme HBV-Mitglieder über den Missbrauch ihrer Beiträge durch Lucifero. Daraufhin erstattete dieser Anzeige gegen „Dienel und unbekannt“.
Für seine Dienste für die Behörde hat der Neonazi Dienel bis 1998 vom thüringischen Verfassungsschutz rund 2205000 Mark kassiert. Seine Spitzeltätigkeit wurde im Juni 2000 bekannt. Daraufhin wurde Helmut Roewer in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Stellt sich doch die Frage: Nutzte der VS die von ihm finanzierten Neonazistrukturen, um den engagierten Gewerkschafter und Antifaschisten Lucifero zu diskreditieren, der Rechten aller Couleur, aber auch der Kapitalseite ein Dorn im Auge war?
Die Kampagne gegen Lucifero wurde jahrelang fortgesetzt. 2007 hatten seine Feinde ihr Ziel erreicht. Als Lucifero sich auf einer Erwerbslosendemonstration gegen eine Gruppe von angreifenden Neonazis mit einer Pistole verteidigte, ließ ihn auch Ver.di fallen. Seitdem hat er sich zurückgezogen. „Heute soll man ihn möglichst in Ruhe lassen“, hieß es kürzlich im ND. Das Agieren der thüringischen VS-Nazis gegen einen linken Gewerkschafter dürfte kein Einzelfall sein. Das durch die NSU-Affäre entstandene Interesse sollte genutzt werden, um den Fall öffentlich bekannter zu machen.
http://www.sozonline.de/
Peter Nowak
aus Sozialistische Zeitung (SoZ) März 2012