Felix Wemheuer: Chinas große Umwälzung. Papyrossa, 271 S., br., 16,90 €.; Wu Yiching: Die andere Kulturrevolution. 1966– 1969. Der Anfang vom Ende des chinesischen Sozialismus. Hg. v. Ralf Ruckus. Mandelbaum, 330 S., br., 25 €.

Von Rebellen zum Global Player

Alle drei Autoren einigt die Ansicht, dass von Sozialismus in China keine Rede mehr sein könne, ungeachtet der Phraseologie. Wemheuer spricht von einem chinesischen Staatskapitalismus. ohne Neoliberalismus. Zugleich registrieren alle drei eine durchaus lebhafte Opposition in China.

Vor über 50 Jahren bewegte die chinesische Kulturrevolution die Linken in aller Welt. Viele, die damals mit Mao-Poster durch die Straßen liefen, haben diese Zeit bald als Jugendsünde abgebucht. Wenn heute über China diskutiert wird, dann über den globalen Konkurrenten des globalen Kapitalismus. Autor*innen von China-Büchern verstehen sich als Berater*innen von Politik und Wirtschaft, wollen Ratschläge geben, wie Bundesregierung oder EU mit der asiatischen Großmacht umgehen sollten. Diesen Anspruch weisen Felix Wemheuer und Ralf Ruckus für sich zurück. Ersterer, Professor für Neuere China-Studien an der Kölner Universität, setzt sich ….

…… in seiner neuen Publikation mit der Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas und der Kulturrevolution auseinander. Ruckus hingegen forscht seit Jahren zur autonomen Arbeiterbewegung und über Arbeitskämpfe in verschiedenen Branchen in China. In seinem neuen Buch kommen jedoch nun Akteur*innen zu Wort, die vor 50 Jahren als Rote Rebell*innen durch chinesische Dörfer und Provinzen zogen. Während jene im Westen gemeinhin als eine von Mao manipulierte, willenlose Masse dargestellt werden, nimmt Ruckus sie als junge Menschen ernst, die eine bessere Gesellschaft anstrebten. Manche fühlten sich allerdings später von Mao verraten – und zwar, als dieser im Bündnis mit dem Militär die Kulturrevolution abbrach.

Wemheuer hinterfragt den Verratsvorwurf. Ein Teil der jungen Rebell*innen der Kulturrevolution nahm später führende Positionen in Staat und Partei ein, viele wurden jedoch auch wieder aus ihren zentralen Funktionen gedrängt. Die Kulturrevolution hat jedenfalls der Rekrutierung junger Kader gedient, um die Partei vor einer Gerontokratie zu bewahren, wie sie etwa die KPdSU ereilte.

Wenige Jahre nach der Kulturrevolution begann bereits der Aufstieg Chinas zum globalen Player in einem Weltsystem, gegen das diese explizit gerichtet war. Wemheuer fragt, ob die aktuelle Entwicklung nicht die Warnungen der in der Kulturrevolution entmachteten Fraktionen der KP Chinas bestätigt habe. Eine Ansicht, die auch Wu Yiching vertritt. Der Historiker von der University of Toronto zieht in seinem auf Deutsch von Ralf Ruckus herausgegebenen Buch eine direkte Verbindung zwischen dem Scheitern der Kulturrevolution und der Rückkehr der zeitweise entmachteten KP-Fraktionen in die führenden Funktionen und zu ihrer alten Reformpolitik. Sie hätten objektiv den Grundstein für die heutige wirtschaftliche und politische Stärke Chinas auf der Weltbühne gelegt.

Alle drei Autoren einigt die Ansicht, dass von Sozialismus in China keine Rede mehr sein könne, ungeachtet der Phraseologie. Wemheuer spricht von einem chinesischen Staatskapitalismus. ohne Neoliberalismus. Zugleich registrieren alle drei eine durchaus lebhafte Opposition in China.