Über die antideutsche Strömung ist schon viel geschrieben worden. Bereits 2004 hat der Publizist Gerhard Hanloser mit dem von ihm herausgegebenen Sammelband Wir war’n die Antideutschesten der deutschen Linken eine in großen Teilen fundierte Kritik an der Entwicklung der antideutschen Strömung veröffentlicht. In dem Band schrieben verschiedene AutorInnen, die nach 1989 ….
…..der antideutschen Strömung zumindest in Teilen nahestanden, deren späteren politischen Weg aber ablehnten. Spätestens nach den islamistischen Anschlägen vom September 2001 ist das politische Milieu, dass sich oft diffus mit dem Label «antideutsch» schmückte, diffundiert. Ein Teil – dazu gehörten die AutorInnen des Bandes von 2004 – hat sich überhaupt nicht mehr darauf bezogen. Aber die AutorInnen haben damals auch anerkannt, dass die Ablehnung von Deutschland nicht nur im Wendeherbst 1989 gute Gründe hatte. Das hebt auch Hanloser in seinem aktuellen Buch positiv hervor. «In den Anfangsjahren der 90er Jahre war die antideutsche Kritik also noch eine Form radikalisierter, linker Politik angesichts einer sie überrollenden historischen Entwicklung», schreibt er im ersten Kapitel. Man kann der antideutschen Linken auch konzedieren, dass auch Teile der Linken, die nie etwas mit ihr zu tun haben wollten, Begriffe wie Volk und Nation hinterfragen. Man kann ihr auch zugutehalten, dass zumindest ein kleiner Teil der Linken immun gegen die schwarzrotgoldene Fahnenschwenkerei geblieben ist, die spätestens seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 von einem Großteil der Grünen und Linksliberalen völlig selbstverständlich akzeptiert wird. Ein kleiner Teil der Antideutschen ging allerdings immer weiter nach rechts, pries den damaligen US-Präsidenten Bush als «Man of Peace», applaudierte allen Kriegen der USA, um dann auch in Deutschland sogar mit AfD-Politikern gemeinsam gegen Islamismus zu demonstrieren. Gegen diese Rechtsantideutschen, wie sich der Flügel um die Zeitschrift Bahamas heute selber nennt, polemisiert Gerhard Hanloser in seinen vor einigen Monaten im Unrast-Verlag herausgekommenen Buch sehr treffend. Sein Titel ist zweifacher Hinsicht unglücklich. Nicht jedes Abzweigen nach rechts sollte gleich mit historischen Begriffen wie Querfront aufgeladen werden. Noch unglücklicher ist der Untertitel, denn es handelt sich nicht um Betrug, sondern um eine Anpassung ehemaliger Linker an die Zumutung von Staat, Nation und Kapital, die bekanntlich in der Vergangenheit nicht nur Antideutsche praktiziert haben. Doch Hanloser zeigt auf 340 Seiten, dass diese Strömung die Integration in das herrschende System oft besonders perfekt vollzogen hat. Gelungen ist das Buch, wo Hanloser auf Grund von eigenen Erfahrungen und Hintergrundwissen beschreibt, wie sich Teile des antideutschen Milieus von ihren eigenen staats- und nationalkritischen Postulaten verabschiedeten. Es ist kein Zufall, dass ein Großteil seiner Beispiele in Freiburg angesiedelt sind. Schließlich hat sich Hanloser in dieser Stadt politisch links sozialisiert und die erste Kontakte mit sich selbst als antideutsch verstehenden Gruppen gehabt. Hanloser kritisiert die Reste der Antideutschen von einem libertären Standpunkt aus oft treffend. Doch leider arbeitet er auch manchmal mit dem Holzhammer und verzichtet auf Differenzierungen. Dass zeigt sich an seiner Kritik an der feministischen Publizistin Ingrid Strobl, die Anfang der 90er Jahre ihre eigene antizionistische politische Geschichte kritisch hinterfragte. Sie hat sich dabei keineswegs bedingungslos hinter die israelische Regierung gestellt, sondern herausgearbeitet, dass Israel sowohl Zufluchtsort der Shoah-Überlebenden ist, als auch ein Nationalstaat, der für die Besatzungspolitik verantwortlich ist. Strobl hat Anfang der 90er Jahre mit erklärten AntizionistInnen, wie drei damaligen Gefangenen des antiimperialistischen Widerstands, in der Zeitschrift Konkret kontrovers über die Haltung der Linken zu Israel diskutiert. Eine solche Debatte wäre später von beiden Seiten nicht mehr möglich gewesen.