Das Comeback des Gianis Varoufakis

Der ehemalige griechische Finanzminister will die EU reparieren und scheint schon dort angekommen, wo fast alle sein wollen: in der Mitte

Für einige Wochen war Gianis Varoufakis der Held einer kritischen Öffentlichkeit, die nach dem Regierungsantritt der maßgeblich von Syriza gestellten Regierung in Griechenland hofften, dort könnte nun bewiesen werden, dass das wesentlich von Deutschland etablierte Austeritäts-Regime abgewählt werden kann. Das hatten die Wähler in Griechenland im Januar 2015 zweifellos getan und der marxistische Wissenschaftler Varoufakis machte sich daran, dieses Wählervotum umzusetzen.

Wie der eloquente Varoufakis, Wolfgang Schäuble, den Paten, der aus der Kohl-Ära mitgeschleppt wurde, bei EU-Treffen die Stirn bot, das rief die Wut der Deutschländer aller Parteien hervor und Bild gab ihnen mit der Kampagne gegen die Pleitegriechen, die ihre Inseln verkaufen sollen, immer wieder Munition. In diesen Tagen hätten viele, die der griechischen Regierung Erfolg in ihrem Kampf gegen das Austeritätsprogramm wünschten, Varoufakis ihre Stimme gegeben. Sogar außerparlamentarische Linke, die nicht auf Wahlen setzen, verhehlten ihre Sympathie mit dem linken Minister nicht, wie seine nicht unumstrittene Einladung [1] zum Vorbereitungstreffen des linken Blockupy-Bündnisses in Berlin [2] zeigte.

Mit Habermas gegen Schäuble

Da war Varoufakis schon zurückgetreten. Bald wurde bekannt, dass er auf den Treffen Schäuble immer wieder mit Argumenten überzeugen wollte, dass ein Ende des Austeritätsprogramms ökonomisch für Griechenland und den gesamten EU-Raum vernünftig wäre. Doch bei Schäuble, der die Interessen der Deutsch-EU im Blick hatte, stieß er auf taube Ohren.

Schnell stellte sich heraus, dass man mit den Methoden der Habermaschen Kommunikationstheorie keine Politik machen konnte, mochte man auch noch so gut argumentieren können. Aber viel mehr hatte er nicht gegen die Austeritätspolitik der Deutsch-EU vorzuweisen. Nach seinem Rücktritt berichtete Varoufakis über einige eher hilflose Experimente seiner Mitarbeiter, wie man sich vom Euro abkoppeln kann. Dazu kam es bekanntlich nicht, weil Tsipras und die Syriza-Mehrheit solche Experimente ablehnten.

Die Chance, ganz praktisch zu beweisen, dass ein anderes Europa auch mit dieser EU möglich ist, wurde so von Tsipras und Varoufakis nicht genutzt. Wenn auch die Hauptverantwortung natürlich die EU und Deutschland hat, muss man den Kontrahenten in Griechenland zumindest vorwerfen, nicht auf eine Konfrontation mit der Deutsch-EU vorbereitet gewesen zu sein. Das Argument, die Mehrheit der griechischen Bevölkerung wäre dagegen gewesen, ist bestenfalls eine typisch sozialdemokratische Ausrede.

Es gibt Zeiten, da machen große Teile der Bevölkerung politische Erfahrungen in großer Geschwindigkeit. Eine solche Situation bestand in Griechenland spätestens nach dem Referendum im Sommer 2015, mit dem eine große Mehrheit der Bevölkerung die Forderungen der EU-Troika ablehnte. Es waren Tsipras und Varoufakis, die der Bevölkerung keine Perspektive zeigten. Während Tsipras dann den Weg aller regierenden Sozialdemokraten ging, zog sich Varoufakis zeitweise aus der aktiven Politik zurück und bereitete sein Comeback vor.

Zurück als linksliberaler Wahlkämpfer

Dass er nun auf der wesentlich von ihm mltbegründeten linksliberalen Bewegung Diem 25 [3] kandidiert, war erwartbar. Ein Politstar schafft sich eine Bewegung und lässt sich dann von dieser zur Wahl aufstellen. Da die Schwelle bei der EU-Wahl trotz aller Bemühungen der Etablierten niedrig bleibt, dürfte er es auch ins Parlament schaffen. Es wird also dann auch eine griechische Ausgabe von Jean-Luc Melenchon [4] oder auch von Sahra Wagenknecht geben. Mögen die drei auch in der einen oder anderen Frage zerstritten sein, so handelt es sich doch bei allen dreien um linke Reformpolitiker, die von ihrer Unentbehrlichkeit überzeugt sind.

Um bei Varoufakis zu bleiben: Er hätte aus seinem Scheitern im Kampf gegen das Austeritätsprogramm eine zeitgemäße linke Analyse des Kapitalismus in der EU und die Rolle des Hegemon Deutschland liefern können, vielleicht sogar einige Skizzen, wie ein Widerstand der europäischen Peripherie dagegen aussehen könnte. Doch was liest [5] man nun über die Diem25-Bewegung, die Varoufakis auf das Schild gehoben hat? „Unser deutscher Wahlflügel wählt die erste transnationale liste.“

Bereits 1999 hatte die Ökosozialistin Jutta Ditfurth in Griechenland für das linke Bündnis (NAR) aus Protest gegen die deutsche rot-grüne Beteiligung am Nato-Krieg gegen Jugoslawien kandidiert [6]. War das dann nicht die erste transnationale Liste zu einer EU-Wahl? Anders als Ditfurth plant Varoufakis wohl auch keine klare Aussage gegen den deutschen EU-Hegemon. Deutsche Medien wie der rbb geben Entwarnung [7]:

Eigentlich war er während der Griechenland-Krise nicht gut auf Deutschland zu sprechen. Doch nun will der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis hier in den Europawahlkampf ziehen – als Spitzenkandidat einer europaweiten Bewegung.

Rbb24 zur Varoufakis-Kandidatur

Drang zur Mitte

Die Verlautbarungen von Diem 25 klingen [8] so, als würde sich da noch jemand für einen Platz in der politischen Mitte bewerben:

DiEM25 ist eine europaweite, grenzüberschreitende Bewegung von Demokraten. Wir glauben, dass die Europäische Union dabei ist zu zerfallen. Die Europäer verlieren ihren Glauben an die Möglichkeit, europäische Lösungen für europäische Probleme zu finden. Zur gleichen Zeit wie das Vertrauen in die EU schwindet, sehen wir einen Anstieg von Menschenverachtung, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus.

Diem 25

Es wird noch nicht mal erwähnt, welchen Anteil die Politik der Deutsch-EU daran hatte, hier hätte doch Varoufakis seine Erfahrungen beitragen können. Die folgende Erklärung zeigt, dass der Mitte Mythos [9] zu den Geburtsfehlern von Diem 25 gehört. Nachdem sie vor dem Erstarken der Rechten gewarnt haben, ziehen sie nun die Konsequenz [10]:

Wenn diese Entwicklung nicht beendet wird, befürchten wir eine Rückkehr zu den 1930er Jahren. Deshalb sind wir trotz unserer unterschiedlichen politischen Traditionen zusammen gekommen – Grüne, radikale und liberale Linke -, um die EU zu reparieren. Die EU muss wieder eine Gemeinschaft fürgemeinsamen Wohlstand, Frieden und Solidarität für alle Europäer werden. Wir müssen schnell handeln, bevor die EU zerfällt.

Diem 25

Hier macht Diem25 den Fehler aller Linksliberalen und Sozialdemokraten. Die rechte Gefahr wird so aufgeblasen, dass man selber dann nur dazu da ist, das Bestehende zu reparieren. Kein Gedanke an den kurzen Frühling von 2015, als durch den Wahlsieg von Tsipras die Frage auf der Tagesordnung stand, ob sich die EU-Peripherie weiter vom deutschen Hegemon die Austerität verordnen lassen will oder ob sie aus diesem Gefängnis ausbricht. Aus diesem Gestus entstanden Zeitschriftenprojekte wie die noch existierende Oxi [11], die an das mehrheitliche Nein für das Troika-Diktat beim griechischen Referendum erinnert. Es ist zu befürchten, dass auch dort der Weg zum Reparaturbetrieb des EU-Wracks gerne eingeschlagen wird.

Bei der Linkspartei grämen sich einige, dass Varoufakis nicht bei ihnen eingestiegen ist. Inhaltlich gäbe es Schnittmengen. Aber Politstars brauchen ihre eigene Homebase und die Varoufakis-Liste kann dem Mitte-Mythos ohne zu viele linke Bezüge besser frönen. Es ist möglich, dass man sich nach der EU-Wahl in einer Fraktion wiederfindet. Das wird auf die neue Zusammensetzung des EU-Parlaments ankommen. Je stärker die Rechten, desto mehr werden die „Linken“ zu Verteidigern des Status Quo mit einigen Reparaturen.

Über Leben in Lesbos

Schon wird von den Wagenknecht-Gegnern bei der Linken kolportiert, deren Migrationskritik hätte eine gemeinsame Kandidatur verhindert. Doch die Pro-Migrationshaltung von Diem 25 ist so abstrakt, wie die der Befürworter offener Grenzen in der Linken. Dazu gehören auch Politiker der Berliner Linken, die in der Realpolitik keine Abschiebung verhindern können.

Varoufakis könnte seine Pro-Migrationsposition untermauern, wenn er den Kampf der Migranten unterstützen würde, die durch den EU-Türkei Deal zu einem Überleben auf Lesbos [12] gezwungen sind. Ein Marsch dieser Menschen Richtung Deutschland wäre analog zu den Flüchtlingsmärschen an die Grenze der USA eine richtige Antwort. Was in Zentral- und Südamerika die USA sind, ist hier Deutschland, Sehnsuchtsort und Verursacher von Leid und Elend. Ein solcher Marsch könnte ein transnationales Europa sichtbar machen, dass sowohl der Rechten wie der unterschiedlichen Mitte-Formationen eine Absage erteilt. Aber Wahlen in der Mitte würde man damit nicht gewinnen.

Peter Nowak

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4234289
https://www.heise.de/tp/features/Das-Comeback-des-Gianis-Varoufakis-4234289.html

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.neues-deutschland.de/artikel/997941.lieber-yanis-willkommen-in-der-bewegung.html
[2] https://www.neues-deutschland.de/artikel/998448.varoufakis-goes-blockupy-ich-war-schon-immer-aktivist.html
[3] https://diem25.org/main-de/
[4] https://melenchon.fr/
[5] https://diem25.org/aufstellung/
[6] http://www.jutta-ditfurth.de/allgemein/kbiografiejd.htm
[7] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2018/11/varoufakis-Spitzenkandidat-europawahl-deutschland-berlin.html
[8] https://diem25.org/was-ist-diem25/
[9] http://www.bertz-fischer.de/product_info.php?cPath=21_48&products_id=511
[10] https://diem25.org/was-ist-diem25/
[11] https://oxiblog.de/
[12] http://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-fluechtlinge-auf-lesbos-insel-der-verdammten-a-1230159.html

Für ein Nein in Griechenland aus unterschiedlichen Gründen

Manchmal hat man den Eindruck, nicht in Griechenland, sondern in Deutschland würde heute abgestimmt über die Austeritätspolitik

Einige der politischen Kräfte, die die Austeritätspolitik unterstützen, würden Griechenland gerne aus den Euro weisen. Da darüber nun Deutschland nicht abstimmen kann und ein Rausschmiss auch in den Statuten der Eurozone nicht vorgesehen ist, hoffen manche, dass ein „Nein“ zur Austeritätspolitik in Griechenland ein Ende der EU-Mitgliedschaft des Landes befördern würde.

Hoffen auf den Grexit

Zu den Anhängern dieser Lesart gehört der Publizist Jürgen Elsässer, einst Theoretiker einer antinationalen Linke, der seit einigen Jahren das Volk zu seiner Bezugsgruppe erklärt „Ich stimme mit Nein, ich stimme für Tsipras“, schrieb [1] Elsässer:

„Zum einen, weil endlich der einzig richtige Gedanke in die Praxis umgesetzt wird, dass das Volk entscheiden muss (ein Gedanke, den Wagenknecht für Deutschland aufgegriffen hat, aber – typisch für einen Volksfeind – von Augstein im obigen Kommentar verworfen wird…). Zum anderen, weil der Sieg des Nein genau das herbeiführen wird, was Tsipras eigentlich gar nicht will: den Grexit.

Ohne Annahme der Spardiktate werden die internationalen Kapitalgeber nämlich den Geldhahn für Griechenland nicht mehr aufdrehen. Es bleibt Tsipras in dieser Situation gar nichts anderes übrig, als – zunächst parallel zum Euro – eine eigene Währung einzuführen, um Gehälter, Renten, Sozialleistungen auszuzahlen. Durch den Sieg des Nein entsteht also eine Dynamik, die über die falsche Ideologie von Syriza hinaustreibt. Syriza wäre in dieser Situation auch dazu gezwungen, zur Bekämpfung der Armut im eigenen Land endlich die Vermögen der reichen Oligarchen anzutasten, also echten Sozialismus zu betreiben – anstatt den bequemen Weg zu gehen und sich das fehlende Kapital vom deutschen Steuerzahler zu besorgen.“

Ein Ende der alternativlosen Tina-Politik

Mit seinem Statement reagiere Elsässer auf eine Erklärung [2] von Jakob Augstein, der auf Spiegel-Online sein Plädoyer für ein Nein zu dem Austeritätsprogramm so begründete:

„Es geht nicht nur um die Zukunft Griechenlands. Sondern um die Frage, ob in Europa das Geld regiert. Das geht uns alle an.“

Augstein sieht in einer Mehrheit gegen die Austeritätspolitik auch ein Scheitern Merkels. Nur so würde in Europa eine relevante Strömung auch über Griechenland hinaus entstehen, die mit der scheinbar alternativlosen Politik der Austerität und des Diktates der Märkte bricht. Ein Nein in Athen würde auch kapitalismuskritischen Bewegungen in anderen europäischen Ländern wie Italien, Portugal und Spanien Auftrieb geben.

Dabei geht es nicht nur um Wahlergebnisse, sondern auch einen erneuten Aufbruch auf den Straßen und Plätzen. Schließlich soll nicht vergessen werden, dass der Wahlsieg von Syriza ohne die Bewegung der Empörten nicht möglich gewesen, die in den Jahren 2010 bis 2012 auf den großen Plätzen griechischer Straßen gegen die Politik der Austerität demonstrierten und von einem großen Polizeiaufgebot mit Tränengas und Wasserwerfern empfangen wurde. Damals gingen auch in Spanien und vielen andereneuropäischen Ländern Menschen mit ähnlichen Forderungen auf der Straße.

Dass die EU-Eliten vor einem Wideraufflammen einer solchen Bewegung große Angst haben und deswegen die Tsipras-Regierung als kurze Episode in EU-Geschichte gerne schnell verabschieden wollen, machte heute im Interview [3] mit dem Deutschlandfunk noch einmal der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz deutlich. Dabei zeigte sich, dass der Schulterschluss zwischen Sozialdemokraten, Liberalen und Konservativen, wie wir ihn in den letzten Wochen in Deutschland beobachten konnten, auch im EU-Parlament funktioniert. Während Schulz die Korruption in Griechenland kritisiert, singt er ein Loblied auf EU-Kommissionspräsident Juncker, dem selbst die konservative Welt bescheinigt [4], dass er sich aus dem Luxemburger Korruptionssumpf nach Brüssel gerettet hat.

Mit der gleichen Chuzpe lobt sich Schulz in dem Interview selber dafür, dass er angeblich der Versuchung widerstanden habe, in Griechenland Wahlkampf zu machen. Dass er mehrmals erklärte, dass er sich einen schnellen Abgang von Tsipras wünsche, scheint für ihn kein Wahlkampf zu sein. Wenn Schulz nun erklärt: „Ich glaube, eine Reihe von Leuten in seiner Partei, die um jeden Preis einen anderen Weg gehen wollen. Sie setzen alle Dinge außer Kraft, die sie mit den europäischen Partnern vereinbart haben“, zeigt sich in wenigen Sätzen das Elend einer Sozialdemokratie, die nichts mehr hasst, als andere Wege. Damit ist Schulz nur das Abziehbild von Sigmar Gabriel, der in den letzten Wochen die Konservativen im politischen Kampf rechts überholen will.

„Politik wird durch Zwang ersetzt“

Schulz und Gabriel verweisen die Chimärevon der angeblichen Mehrheit links von der Union, die ein Bündnis mit Grünen, SPD und Linkspartei angeblich möglichwürde, auf den ihr zugehörenden Platz: als Hoffnungsprogramm für prekäre linke Akademiker, die sich einen Posten in einer der vielen Kommissionen, die angeblich das politische Feld für diese Kombination bereiten sollen, erhoffen.

Da ist in diesen Tagen sogar eine altgediente rechte SPD-Frontfrau wie Gesine Schwan schlauer. Die später vor allem als Universitätspräsidentin bekannt gewordene Schwan hatte Ende der 1980er Jahre die SPD einmal verlassen, weil sie ihre Partei für zu linkslastig hielt. Nun kritisiert sie in einem Interview [5] mit der Wochenzeitung Freitag eine EU, die die griechische Regierung auf die Einhaltung eines Austeritätsprogramms verpflichten will, das mit ihrer Wahl in Griechenland eindeutig abgewählt worden war.

„Die EU tut sich mit dem Interessenausgleich zurzeit extrem schwer. Das konnte man auch beim Flüchtlingsgipfel vergangenes Wochenende sehen, wo der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi entsetzt war über den Mangel an Solidarität unter den Mitgliedsstaaten. In der derzeitigen Situation verschweigt man da gern auch, dass Griechenland trotz seiner schwierigen Lage sehr viele Flüchtlinge aufnimmt und sich bemüht, sie menschlich unterzubringen“, moniert Schwan den Zustand des unsolidarischen Europa.

Um eine Stellungnahmezu den deutschnationalen Ausfällen von Sigmar Gabriel [6] gebeten, der über Bild verkündete, der deutsche Arbeiter werde sich nicht durch eine in Teilen kommunistische Regierung erpressen lassen, antwortete Schwan: „Ich habe ihn wissen lassen, dass ich nicht glauben kann, dass er das gesagt hat. Wenn er es aber wirklich gesagt haben sollte, schäme ich mich dafür.“

Dass hat auch schon der Wirtschaftsexperte Gustav Horn getan [7], der vor wenigen Tagen auch erklärte, erwürde aus ökonomischen Gründen heute in Griechenland mit Nein stimmen.

„Deutschland hat nie gezahlt“

Am Freitag waren in Berlin und einigen anderen Städten noch einmal außerparlamentarische Linke [8] auf die Straße gegangen, die von Gabriel nicht enttäuscht sind und sich auch nicht für ihn schämen, weil sie keine Erwartungen in ihn und seine Partei hatten und haben. Dort stand neben der Werbung für ein Oxi in Athen die Kritik an der Rolle Deutschlands nicht nur bei der Austeritätspolitik im Mittelpunkt.

Aktivisten der antinationalen Gruppen Top Berlin und Cosmonautilus [9] wurden von der Polizei eingekesselt und festgenommen, weil sie Deutschland mit „Scheiße“ in Verbindung gebracht haben. Mittlerweile wurde das inkriminierte Motto auch zu anderen Anlässen [10] verwendet. Es könnte sich eine jahrelange auch juristische Auseinandersetzung wiederholen, wie sie in den 90er Jahren beim Slime-Refrain „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ geführt wurde. Erst nach vielen Jahren wurde juristisch anerkannt [11], dass er unter die Kunstfreiheit fällt. Zuvor wurden immer wieder Flugblätter mit dem Slogan beschlagnahmt und Lautsprecherwägen durchsucht, wenn das Lied gespielt wurde.

Doch unabhängig vom Wortlautkönnte man auch einfach die Parole „Deutschland hat nie gezahlt“ [12] (), verwenden, mit dem der Ökonom Thomas Pickettyan einige historische Fakten, die hierzulande nicht gerne gehört werden, erinnerte. Dabei hat er noch einen für Griechenland wichtigen Fakt nicht erwähnt. Deutschland hat die im NS-Regime erpressen Darlehen [13] ebensowenig beglichen, wie Reparationen für die Verbrechenzwischen 1940 und 1944 bezahlt und noch in den 1950er Jahren die Freilassung der wenigen verurteilten Täter aus Wehrmacht und NS mit Erpressung an die griechische Regierung durchgesetzt.Im Zusammenhang mit dem griechischen Referendum wird zumindest zeitweise daran wieder erinnert.

http://www.heise.de/tp/news/Fuer-ein-Nein-in-Griechenland-aus-unterschiedlichen-Gruenden-2735302.html

Peter Nowak

Links:

[1]

https://juergenelsaesser.wordpress.com/2015/07/03/ich-stimme-mit-nein-ich-stimme-fur-tsipras/#more-7472)

[2]

http://www.spiegel.de/politik/ausland/augstein-zu-griechenland-nein-zum-referendum-kolumne-a-1041705.html

[3]

http://www.deutschlandfunk.de/griechenland-schulz-warnt-vor-nein-beim-referendum.868.de.html?dram%3Aarticle_id=324536

[4]

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article134116041/Der-Luxemburg-Sumpf-des-jovialen-Herrn-Juncker.html

[5]

https://www.freitag.de/autoren/jan-pfaff/politik-wird-durch-zwang-ersetzt

[6]

http://www.bild.de/politik/ausland/alexis-tsipras/vize-kanzler-gabriel-macht-griechen-chefs-schwere-vorwuerfe-41350198.bild.html

[7]

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gustav-horn-ueber-sigmar-gabriel-es-gab-spd-chefs-die-sich-fuer-so-etwas-geschaemt-haetten/11917634.html

[8]

http://griechenlandsoli.com/2015/07/02/oxi-aktionen-in-mehr-als-einem-dutzend-deutschen-stadten/

[9]

http://cosmonautilus.blogsport.de/2015/07/03/deutschland-du-alte-scheisse/

[10]

http://www.watson.ch/!451641669

[11]

https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20001103_1bvr058100.html

[12]

http://www.zeit.de/2015/26/thomas-piketty-schulden-griechenland

[13]

http://griechenlandsoli.com/2015/04/26/zuruckzahlen-deutschland-muss-endlich-seine-bestehenden-kreditschulden-an-griechenland-begleichen/