Regierende Bürgermeisterin will Koalition mit der CDU statt mit Grünen und Linken. Doch in der SPD gibt es Bedenken wegen rassistischer Kampagnen. Auch Umweltbewegte sind entsetzt.

Berlin droht Traumhochzeit für Immobilien- und Autolobby: Giffey will „Schwarz-Rot“

Wer die Geschichte der SPD kennt, wird sich keine Illusionen machen, dass sie Giffey die Gefolgschaft aufkündigen werde. Es gibt aber ein Problem, das sie umtreibt und mit Schrecken an das letzte Bündnis mit der CDU denken lässt. In dieser Zeit wuchs die außerparlamentarische Bewegung in Berlin, vor allem die Mieterbewegung, die sprichwörtlichen Berliner Mietrebellen, wurden zum politischen Faktor. Der Kampf um linke Hausprojekte, die der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) rechtswidrig räumen lassen wollte, mobilisierte eine große Zahl von Menschen gegen die Senatspolitik. Vor der Rückkehr einer rebellischen Stadtgesellschaft bei einer offen rechten Senatsregierung haben manche in der SPD Angst.

Grüne und Linke in Berlin gaben sich am Mittwoch in Berlin überrascht, dass die noch Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) ein Bündnis mit der CDU für den Rest der Legislaturperiode vorschlagen wird. Giffey fügte hinzu, wenn ihre Partei das ablehne, stehe sie nicht mehr für das Amt zur Verfügung. Doch für politische Beobachter war dieser Schwenk zu den Konservativen keineswegs überraschend. Giffey wollte schon bei den vorletzten Wahlen …

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Sarrazin und SPD: Der 3. Trennungsversuch

Egal, wie er ausgeht, die SPD hat den Schaden

„Warum die SPD einen Thilo Sarrazin in ihren Reihen nicht dulden kann“, lautete das Plädoyer von Sigmar Gabriel [1] für einen schnellen Rausschmiss des Bankdirektors in Ruhestand und Hobby-Eugenikers Thilo Sarrazin aus der Partei. Es ist acht Jahre alt, stammt vom September 2010.

Gabriel ist als Parteichef schon längst Geschichte und Sarrazin noch immer Parteimitglied. Nachdem auch die jetzige Parteivorsitzende Nahles schon mal mit einem Rausschmiss von Sarrazin gescheitert ist, startet sie nun den dritten Anlauf. Eine Kommission hat nämlich in einem nicht öffentlichen Bericht die nicht sehr überraschende Entdeckung gemacht, dass auch Sarrazins neuestes Buch Feindliche Übernahme [2] nicht den Grundsätzen der SPD entspricht.

Dort vertritt der Autor die Thesen, dass eine Einwanderung aus islamischen Staaten eine Gefahr sei und gestoppt werden müsse. Damit füge er nach Meinung der Verfasser des Gutachtens der SPD Schaden zu.

Was sagen die Buschkowskys der SPD dazu?

Doch das dürften nicht alle SPD-Genossen so sehen. Der Typus Heinz Buschkowsky, gegen den auch schon Ausschlussanträge gestellt wurden [3] ist dort schließlich an der Basis zahlreich vertreten. Der hat wie der ehemalige Neuköllner Bürgermeister seinen Sarrazin im Bücherregal, würde sicher nicht alle seine Formulierungen unterschreiben, ist aber davon überzeugt, dass Sarrazin eher zur SPD gehört als der Islam zu Deutschland. Wenn Buschkowsky Sarrazin kritisiert, hört sich das so an [4]: „Das ist eine These, lieber Thilo, der ich nicht beitreten möchte.“

Noch ist nicht klar, wie der 3. Ausschlussversuch ausgeht. Doch klar ist, die SPD hat schon jetzt den Schaden. Zunächst erinnert sie die Öffentlichkeit daran, dass der Autor von Büchern wie „Deutschland schafft sich ab“ und eben „Feindlicher Übernahme“ noch SPD-Mitglied ist. Darauf legt Sarrazin auch viel Wert, denn seine Aufmerksamkeit bekommt er dadurch, dass er eben als rechter Stichwortgeber fungiert und nicht bei der AfD, sondern in der SPD ist. So jemand wird schnell mit dem Begriff Querdenker belegt und das ist dann noch als Lob gemeint. So titelt das Hamburger Abendblatt und nicht etwa die Junge Freiheit: „Ein Rauswurf des Querdenkers macht die SPD zu einer Sekte der Rechtgläubigen“ [5].

Es ist nicht die einzige Pressereaktion, die die SPD nicht etwa dafür kritisiert, dass sie es noch immer nicht geschafft hat, Sarrazin los zu werden, sondern dass sie es zum dritten Mal versucht. Die Presseschau zeigt, der Mann hat in der bürgerlichen Presselandschaft seine Fans. Die ihm nicht so wohlgesonnen sind, kritisieren die SPD, dass die ihm wieder Aufmerksamkeit und neue Leser beschert. Sarrazin hat die von ihm erwartete Rolle schon eingenommen und sieht den Ausschlussantrag als Angriff auf die parteiinterne Meinungsfreiheit.

In den 1970er Jahren reichte es bereits [6], einen Aufruf für Frieden und Abrüstung zu unterzeichnen, unter dem auch DKP-Mitglieder standen, um bereits beim ersten Mal aus der SPD ausgeschlossen [7] zu werden.

Auch die AfD will wieder ausschließen

Auch die AFD will wieder mal bekannte Rechte ausschließen. Es handelt sich um die ultrarechte Juristin Doris von Sayn-Wittgenstein [8], die sogar fast in den Parteivorstand gewählt worden wäre und Landesvorsitzende der AfD Schleswig-Holstein war.

Sie soll 2014 für einen revanchistischen, von einer verurteilten Holocaustleugnerin mit gegründeten Verein geworben haben. Doch der Hintergrund des Ausschlusses sind persönliche Intrigen und Machtkämpfe, die es bei der AfD immer wieder gibt. So dürfte das Verfahren wie das von Björn Höcke eingestellt werden. In den 1970er Jahren haben manche gewitzelt, Linksintellektuelle könnten sich mit einen Parteiausschlußverfahren ehrenhalber aus der SPD ihre politische Biographie interessanter gestalten. Das könnte von rechts auch Schule machen.

Peter Nowak

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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.zeit.de/2010/38/SPD-Sigmar-Gabriel/komplettansicht
[2] https://www.zeit.de/2018/36/feindliche-uebernahme-thilo-sarrazin-islam-buch
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/ex-buergermeister-von-neukoelln-buschkowsky-ausschluss-aus-der-spd-nahezu-ausgeschlossen/23136408.html
[4] http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Buschkowsky-knoepft-sich-Sarrazin-vor-Vergleich-mit-Trump
[5] https://www.focus.de/politik/deutschland/so-kommentiert-deutschland-spd-will-parteiausschluss-von-thilo-sarrazin-ankuendigung-von-ausschlussversuch-ist-fuer-sarrazin-verfruehtes-weihnachtsgeschenk_id_10082077.html
[6] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40859265.html
[7] https://www.tagesspiegel.de/politik/spd-ausschlussverfahren-sarrazin-bleibt-nur-links-gehts-raus/4153102.html
[8] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/doris-von-sayn-wittgenstein-afd-spitze-will-politikern-aus-partei-ausschliessen-a-1244190.html

Halber Erfolg für Sarrazin

Der Auftritt von Buschkowsky soll die SPD-Basis mit dem Ausschluss von Sarrazin versöhnen

Eine Personalie sorgte auf dem SPD-Parteitag (siehe Links „angetäuscht“) für Aufsehen: Der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, gehörte neben dem ehemaligen Bundespräsidentschaftskandidaten Joachim Gauck zu den Gastrednern. Der Neuköllner Lokakpolitiker erfüllte dort ganz die Erwartungen. Er redete über die Integrationspolitik und nahm dabei kein Blatt vor den Mund:

„Wer dauerhaft zu uns kommt, hat auch die Pflicht, einen eigenen Beitrag zur Integration in die Gesellschaft zu leisten, zum Beispiel durch Teilnahme an Integrationskursen. Dazu brauchen wir eine konsequente und schnellere Anwendung der bestehenden Gesetze und keine weiteren Gesetzesverschärfungen!“

In Zukunft solle der Abbruch von Integrationskursen ebenso wenig akzeptiert werden wie das Schulschwänzen, betonte Buschkowsky

Beruhigung der SPD-Basis

Genau deshalb wurde er eingeladen. Diese Thesen hat Buschkowsky schon seit mehreren Jahren vertreten und sich dabei im SPD-Mittelbau nicht unbedingt Freunde gemacht. Als Mann für das Grobe hat er sich seit Jahren immer wieder zum Thema Integration zu Wort gemeldet.

Von seinen Kritikern wurde Buschkowsky öfter mit Sarrazin verglichen. Dem hat er auch sein überraschendes Comeback auf dem SPD-Parteitag zu verdanken. Damit soll der Basis signalisiert werden, dass die Kritik am Multikulturalismus kein Ausschlussgrund aus der SPD ist. Das aber behaupteten viele Sarrazinfans in und außerhalb der SPD.

Von Buschkowsky abgeschrieben

Buschkowsky lehnt einen Ausschluss von Sarrazin ab und hat sich zu seinem umstrittenen Buch sehr unterschiedlich geäußert. So bescheinigt er im gleichen Interview Sarrazin, dass er die Sachprobleme zutreffend beschrieben, aber auch, dass er Formulierungen gebraucht habe, die am Rande des Rassismus angesiedelt seien.

Zudem grenzt sich Buschkowsky von Sarrazins Ausflügen in die Eugenik ab, weist aber nicht uneitel darauf hin, dass die in seinen Augen brauchbaren Teile des Buches von ihm abgeschrieben sein sollen. Tatsächlich beruft sich Sarrazin in seinem Buch auf intensive Gespräche mit Buschkowsky.

Dessen Auftritt auf dem SPD-Parteitag ist so auch ein halber Sieg Sarrazins. Während man sich von den Ausflügen in die Genetik distanziert, werden seine Thesen zur Integrations- und Unterschichtenproblematik, die vor einigen Jahren noch auf große Kritik auch in liberalen Kreisen gestoßen wären, heute weitgehend unterstützt. So wird ein Buschkowsky, der mit seiner Kritik an der multikulturellen Gesellschaft in der SPD lange Zeit im Rechtsaußen angesiedelt war, zum Gastredner des Parteitages.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148457

Peter Nowak