Schiffmann Michael (Hg). Mumia Abu-Jamal, Texte aus dem Todestrakt, Essays eines politischen Gefangenen in den USA, Westend-Verlag, 240 Seiten, 25 Euro, ISBN: 978-3864893803

Kein neues Verfahren für Mumia

In den USA hat das Common Pleas Court in Philadelphia den Antrag des US-Journalisten Mumia Abu-Jamal auf einen neuen Prozess abgelehnt. Ein neues Buch macht Mumia auch einer jüngeren Generation bekannt.

Überraschend kommt die Ablehnung nicht, sie hatte sich durch Entscheidungen in den Vorinstanzen schon abgezeichnet. Trotzdem sprechen Aktivist:innen des weltweiten Solidaritätsnetzwerkes für Mumia Abu-Jamal von einem herben Rückschlag. Er war im Sommer 1982 aufgrund fragwürdiger …

… Beweise wegen angeblichen Mordes an einem Polizisten zum Tod verurteilt worden.

Unschuld ist bewiesen
Vor mehr als 25 Jahren sorgte eine weltweite Solidaritätsbewegung dafür, dass die Todesstrafe gegen Mumia in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wurde. Doch weil lebenslänglich in den USA bedeutet, dass die Verurteilten bis zum Lebensende das Gefängnis nicht verlassen können, war damit für Mumia und seine Unterstützer:innen der Kampf noch nicht beendet. Seitdem will die Solidaritätsbewegung erreichen, dass mit einem neuen Gerichtsprozess bewiesen werden kann, dass der Journalist nicht für den Mord an den Polizisten verantwortlich ist. Mumia Abu-Jamal hat seine Beteiligung von Anfang an bestritten. Im Laufe der Jahrzehnte konnte bewiesen werden, dass der zuständige Richter, der Mumia schuldig sprach, alles getan hat, um ein faires Gerichtsverfahren zu verhindern. Bewiesen werden konnte das, nachdem im Dezember 2018 im Gerichtsgebäude Dokumente gefunden wurden, die Mumia Abu Jamal entlasten und von der Staatsanwaltschaft nicht weitergeleitet
wurden.

Aktuelle Rechtsprechung missachtet
Doch die Richterin Lucretia Clemons entschied nun, dass die Dokumente für eine neue Beweisanhörung nicht ausreichen würden. Die wäre aber notwendig gewesen, damit es zu einem neuen Prozess kommen kann. Lucretia Clemons räumte auch ein, dass Mumia Abu-Jamal bei seinen Gerichtsprozessen durch eine rassistische Auswahl der Jury, die über Schuld oder Unschuld der Angeklagten entscheidet, benachteiligt wurde. Damals wurden Personen mit schwarzer Hautfarbe gezielt ausgeschlossen. Doch dieser Sachverhalt hätte Mumia bereits in den 1990er-Jahren vorbringen müssen. Er sei jetzt verjährt, erklärte die Richterin. Das sorgte für Widerspruch bei Jurist:innen, die darauf verwiesen, dass die gezielte Diskriminierung von schwarzen Geschworenen erst durch die Aktenfunde 2018 bewiesen werden konnte. Mit der Entscheidung setze sich die Richterin in zwei Punkten über die aktuelle Rechtsprechung hinweg, so die kritischen Jurist:innen. Danach reicht ein Nachweis, dass es eine rassistische Diskriminierung von Jury-Mitgliedern gibt, um ein Urteil aufzuheben. Auch der Nachweis, dass die Staatsanwaltschaft Dokumente, die den Angeklagten entlasten, zurückhält, macht nach dieser Rechtsprechung das Urteil ungültig. Das hätte bedeutet, dass das Urteil aufgehoben werden muss und Mumia freigelassen hätte werden müssen. Danach hätte die Staatsanwaltschaft einen neuen Prozess anstrengen müssen, mit einem Gericht ohne Diskriminierung und mit den zurückgehaltenen entlastenden Dokumenten, so die Kommentare von Jurist:innen in den USA.

Weltweite Solidarität
Das war auch das Ziel der Solidaritätsbewegung für Mumia, die bereits seit 40 Jahren besteht. Markus Matter vom Berliner Solidaritätsbündnis für Mumia sieht es im Gespräch mit dem vorwärts als einen grossen Erfolg, dass die transnationale Solidaritätsbewegung eine solche lange Ausdauer hat. «Viele, die heute in den USA aktiv sind, waren noch nicht geboren, als Mumia verurteilt wurde», erklärt er. Gerade die antirassistische Black-Lives-Matter Bewegung habe das Interesse für das Schicksal von Mumia auch bei einer jungen Generation wachgehalten. Schon kurz nach dem bekannt wurde, dass es in absehbarer Zeit keinen neuen Prozess für den Journalisten geben wird, gab es in den USA Proteste. Auch in anderen Ländern gab es Aktionen zu Mumias Geburtstag. Am 24.April wurde er 69 Jahre alt. In vielen Städten gab es aus diesen Anlass Veranstaltungen mit dem neuen Buch, das unter dem Titel «Texte aus dem Todestrakt» kürzlich im Westend-Verlag erschienen ist. In dem Buch sind grösstenteils Texte von Mumia Abu Jamal veröffentlicht, die noch nicht auf Deutsch erschienen waren. Herausgegeben wurde es von Michael Schiffmann, der schon seit den 1990er-Jahren in der Mumia-Solidaritätsbewegung aktiv ist. Peter Nowak