Philipp Metzger: Wohnkonzerne enteignen Wie Deutsche Wohnen und Co. ein Grundbedürfnis zu Profit machen Mandelbaum Verlag, Wien/Berlin 2021 294 Seiten, 17 Euro ISBN 978-3-85476-695-7

Wohnraum muss keine Ware sein

Nach dem Scheitern des Mietendeckels ist das Volksbegehren zur Enteignung von Wohnungskonzernen ein neues Pilotprojekt für eine nach-neoliberale Phase. In ihrem Beitrag benennen die AutorInnen aus der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ auch die Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen mussten. So hätten auch viele Deutsche-Wohnen-MieterInnen zunächst Vorbehalte gegen die Enteignungsforderung geäußert, weil sie sie mit der radikalen Linken verbanden. Zu lange ist schon vergessen, dass die Sozialisierung von Betrieben in den Programmen vieler DGB-Gewerkschaften stand. Dass es schließlich gelungen ist, die Enteignung von Wohnkonzernen wieder politisch zu diskutieren und dafür fast 60 Prozent Zustimmung zu bekommen, ist schon ein Erfolg der Berliner Kampagne.

Die Kampagne „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ hat nicht nur in Berlin die Diskussion darüber entfacht, dass es doch sinnvoll wäre, dass Wohnraum keine Ware sein muss und dass Enteignungen von Immobilienkonzernen im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung liegen könnten. Der Soziologe Philipp Metzger hat in seinem Buch viele Argumente dafür gesammelt. Der größte Teil des Buches zeichnet auch für Laien verständlich nach, wie in der Mieternation Deutschland die profitorientierten Immobilienkonzerne politisch gewollt …

… die Macht bekamen, die sie heute haben. Metzger zeigt auf, wie in der Ära von CDU-Kanzler Kohl mit dem Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau die Weichen dafür gestellt wurden. Die Privatisierung des kommunalen Wohnungsbestands in der ehemaligen DDR in den 1990er Jahren hat die neoliberale Transformation des deutschen Wohnungsmarktes weiter vorangetrieben.

In der Zeit der rot-grünen Bundesregierung vor etwa 20 Jahren wurde diese Politik fortgesetzt. Die Deregulierung des Kapitalmarkts unter dem rot-grünen Kabinett Schröder wie auch unter den folgenden Merkel-Regierungen „war ein wichtiger Wegbereiter der aktuellen Industrialisierungsprozesse“, schreibt Metzger. In den folgenden Kapiteln zeichnet er den Aufstieg der börsennotierten Wohnkonzerne nach und beschreibt deren Geschäftsmodelle sehr differenziert. Ein eigenes Kapitel widmet er den Wohnkonzernen Vonovia und Deutsche Wohnen.

Im Schlussteil befassen sich weitere AutorInnen mit besonderen Aspekten der Finanzialisierung des Deutschen Wohnungsmarktes. Mit der Rolle der Investmentgesellschaft Blackrock als Kapitalorganisator beschäftigt sich der Publizist Werner Rügemer. Die Berliner Linksparteipolitikerin Katalin Gennburg zeigt am Beispiel von Airbnb, wie durch die Wohnraumverwertung im digitalen Zeitalter einkommensschwache MieterInnen verdrängt werden.

Wohnungspolitische Alternativen

Allerdings benennt Gennburg auch außerparlamentarische Bündnisse, die einer solchen kapitalistischen Landnahme Grenzen setzen können. Ihr Beitrag verweist auf die Texte im letzten Abschnitt, die sich mit Alternativen für eine andere Wohnungspolitik befassen. Sie wurden von verschiedenen Aktiven der MieterInnenbewegung verfasst.

Philipp Möller von der Berliner Mietergemeinschaft beschreibt, dass der mittlerweile vom Bundesverfassungsgericht gekippte Mietendeckel „eine post-neoliberale Phase in der Wohnungspolitik“ hätte einleiten können. Möller geht in einem kurzen historischen Exkurs auf die Vorläufer des Mietendeckels in der Weimarer Zeit ein, als massive Eingriffe in den Wohnungsmarkt auch von bürgerlichen Parteien verteidigt wurden, die heute schon „Kommunismus“ rufen, wenn die Wohnkonzerne nur in ihren Profiten etwas geschmälert werden oder mehr Steuern zahlen sollen.

Nach dem Scheitern des Mietendeckels ist das Volksbegehren zur Enteignung von Wohnungskonzernen ein neues Pilotprojekt für eine nach-neoliberale Phase. In ihrem Beitrag benennen die AutorInnen aus der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ auch die Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen mussten. So hätten auch viele Deutsche-Wohnen-MieterInnen zunächst Vorbehalte gegen die Enteignungsforderung geäußert, weil sie sie mit der radikalen Linken verbanden. Zu lange ist schon vergessen, dass die Sozialisierung von Betrieben in den Programmen vieler DGB-Gewerkschaften stand. Dass es schließlich gelungen ist, die Enteignung von Wohnkonzernen wieder politisch zu diskutieren und dafür fast 60 Prozent Zustimmung zu bekommen, ist schon ein Erfolg der Berliner Kampagne.

Peter Nowak