Mark Richter, Levke Asyr, Ada Amhang, Scott Niko- las Nappalos (Hg.): Spuren der Arbeit, Geschichten von Jobs und Widerstand, Verlag Die Buchmache- rei, Berlin 2021, 260 Seiten, 14 Euro

Kampf gegen die Arbeit

Beklagt wird auch, dass viele aktive Lohnabhängige ihre eigene Geschichte nicht aufschreiben, weil sie sie für zu unwichtig halten. Darauf erwidern die Macher*innen von Recomposition: »Die Kapitalisten schreiben unsere Geschichte nicht auf. Sie werden es niemals tun. «Gewidmet haben die Herausgeber*innen das Buch allen Kolleg*innen, die in ihrer Praxis Feminismus, Antirassismus und Klassenkampf verbinden.

»Ich hatte schon Wochen, in denen sich jeder Traum um die Arbeit drehte. Das ist das Problem im Kapitalismus: nicht nur den Schaden, den er den Arbeiter*innen und Patient*in- nen zufügt, sondern, dass seine Hölle verweilt, in unsere Träume eindringt und sie entwürdigt.« So beschreibt der Krankenpfleger Scott Nikolas Nappalos, wie ihn seine Lohnarbeit bis in den Schlaf verfolgt. Veröffentlicht hat er seine Erfahrungen auf der Online-Publikation Recomposition, die von Mitgliedern der …

… in den USA und Kanada aktiven Basisgewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW) einige Jahre betrieben wurde. Dort konnten die Beschäftigten ungefiltert über ihren Arbeitsalltag schreiben, über den Frust und die Langeweile, aber auch über Beispiele von Solidarität unter den Kolleg*innen. Eine Sammlung der Texte wurde kürzlich im Verlag »Die Buchmacherei« herausgegeben. 23 Autor*innen, viele mit Alias-Namen, kommen in dem Buch zu Wort. Einige schuften in der Fastfood-Branche, andere sind LKW-Fahrer*innen, Postangestellte, arbeiteten im Pflegebereich, im Bioladen oder als Lehrer. Das Buch ist in die drei großen Kapitel Widerstand, Zeit sowie Schlaf und Träume aufgeteilt.

Am Schluss des Buches diskutieren die Herausgeber*innen mit den ehemaligen Verantwortlichen von Recompostion. »Man lernt aus seinen Niederlagen genauso wie aus seinen Erfolgen«, erklärte die IWW-Aktivistin Marianne. Beklagt wird auch, dass viele aktive Lohnabhängige ihre eigene Geschichte nicht aufschreiben, weil sie sie für zu unwichtig halten. Darauf erwidern die Macher*innen von Recomposition: »Die Kapitalisten schreiben unsere Geschichte nicht auf. Sie werden es niemals tun.«

Besonders eindrucksvoll ist die Klage über durch die entfremdete Lohnarbeit vergeudete Lebenszeit, die in vielen Beiträgen eine wichtige Rolle spielt. So beschreibt Pablo Barbanegra die permanente Schlaflosigkeit eines Lehrers, der sich im Unterricht bemüht, die Leidenschaft der Schüler*innen zu fördern und dafür viel Vorbereitungszeit braucht. Im Personenverzeichnis erfährt man, dass Barbanegra eine Pause vom Lehrerberuf macht. Es gibt in dem Buch viele Texte, die von Hoffnungs- losigkeit und Verzweiflung geprägt sind ohne einen Hauch von Solida- rität. So schreibt »der Unsichtbare« einen Essay über einen pakistanischen Journalisten, der sich für Menschen- rechte in seinem Land einsetzte, dafür verfolgt wurde und in Kanada Asyl beantragte. Weil die konservative kanadische Regierung unter Stephan Harper mit einer Anti-Asyl-Rhetorik Wahlen gewinnen will, wurde der alte Journalist plötzlich zur Gefahr erklärt und ausgewiesen. Peter Nowak

Gewidmet haben die Herausgeber*innen das Buch allen Kolleg*innen, die in ihrer Praxis Feminismus, Antirassismus und Klassenkampf verbinden.

Peter Nowak

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