Maik Fielitz/Holger Marcks: Digitaler Faschismus, Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus. Dudenverlag, 256 S., geb., 18 €.

Gaslighting und Dogpilling

Im letzten Kapitel setzen sich die Autoren für eine Regulierung der digitalen Medien ein, für eine »Ermächtigung des Gemeinwesens über die neuen Technologien«. Dazu hätte man von den Autoren, die aus der außerparlamentarischen Linken kommen, gerne Ausführlicheres gelesen. In den USA wird immerhin in sozialen Bewegungen bereits die Vergesellschaftung von Internetkonzernen diskutiert. Statt konkrete gesellschaftskritische Akzente zu setzen, beschwören Fielitz und Marcks immer wieder ziemlich vage die »offene Gesellschaft«, die vor den rechten Internetstrategien verteidigt werden muss.

Endlich wird hierzulande ernsthaft diskutiert, welchen Anteil die sozialen Medien an der akuten Rechtsentwicklung in jüngster Zeit haben. Den Sozialwissenschaftlern Maik Fielitz und Holger Marcks geht es darum, nicht nur Fragen aufzuwerfen, sondern auch …

… Antworten zu geben. Sie offerieren überzeugende Beispiele dafür, dass soziale Medien die Ideologien rechter Bewegungen kolportieren, deren Thesen in eine breite Öffentlichkeit transportieren. Dies werde verstärkt durch emotionale Geschichten, mit denen sich im Netz Menschen gegenseitig aufputschen. »Im Idealfall gelingt es der extremen Rechten mit ihren dramatischen Erzählungen Storytelling, bestimmte Begebenheiten zu einem transformativen Ereignis hochzustilisieren.« Es werden beispielsweise Geschehnisse reflektiert, »die eine Zäsur im politischen Diskurs zur Folge haben«, schreiben die Verfasser mit Verweis auf die Ereignisse in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln. Damals erstatteten knapp 500 Frauen Anzeige, weil sie Opfer sexueller Übergriffe geworden sind. Doch nicht sexistische Männergewalt, sondern Ausländerkriminalität stand bald im Vordergrund der Debatte, obwohl die Herkunft der Täter – wie sich bald zeigte – sehr unterschiedlich war. Die vor allem im Internet geführte Kampagne wird heute oft als Kipppunkt gedeutet, an dem die anfängliche flüchtlingsfreundliche Stimmung der Mehrheit der deutschen Bevölkerung in Ablehnung und Feindschaft umschlug. Auch der Wiederaufstieg der AfD, die zu dieser Zeit schon als ein bald erledigtes Phänomen erachtet wurde, wird mit diesem Datum in Verbindung gebracht.

Fielitz und Marcks benennen in ihrem Buch einige Methoden, mit denen Meinungen fabriziert und gelenkt werden. Dazu gehört das Gaslighting (»Gasbeleuchtung«), mit dem in der Psychologie eine Form von psychischem Missbrauch bezeichnet wird, der Menschen gezielt desorientiert, manipuliert oder zumindest verunsichert. Das führe dazu, dass Bürger, die vordem keine Bezüge zu Rechten hatten, sich nunmehr Demonstrationen zur angeblichen »Rettung des Abendlandes« anschließen oder die Erderwärmung für eine Manipulation halten.

Die Autoren befassen sich eingehend mit Strategien der Rechten und Rechtsextremen, die Menschen, die ihnen widersprechen, zum Schweigen bringen sollen. Etwa durch das Dogpilling (»Hundehaufen«), eine Form der Online-Belästigung. Dazu zählen beispielsweise die aggressiven Kampagnen gegen Politiker*innen, die sich gegen Rechts positionieren. Dogpilling kann aber auch feministische Publizist*innen treffen oder Menschen, die sich mit Zivilcourage für Geflüchtete einsetzen.

Im letzten Kapitel setzen sich die Autoren für eine Regulierung der digitalen Medien ein, für eine »Ermächtigung des Gemeinwesens über die neuen Technologien«. Dazu hätte man von den Autoren, die aus der außerparlamentarischen Linken kommen, gerne Ausführlicheres gelesen. In den USA wird immerhin in sozialen Bewegungen bereits die Vergesellschaftung von Internetkonzernen diskutiert. Statt konkrete gesellschaftskritische Akzente zu setzen, beschwören Fielitz und Marcks immer wieder ziemlich vage die »offene Gesellschaft«, die vor den rechten Internetstrategien verteidigt werden muss. Zudem hätte man sich eine Erörterung der Frage gewünscht, ob und inwieweit nicht auch schon vor dem Internetzeitalter rechte Manipulationsstrategien wirkmächtig waren. Man denke nur an die Kampagnen des Springer-Konzerns 1968 und gegen die APO. Die Publizistin Daniela Dahn fragte in ihrem gemeinsam mit dem Psychologen Reiner Mausfeld veröffentlichten Buch »Tamtam und Tabu«, wie es zu erklären sei, dass noch Ende 1989 nur fünf Prozent der DDR-Bürger*innen einen kapitalistischen Weg gehen wollten, bei den letzten Volkskammerwahlen im März 1990 dann jedoch jene Parteien siegten, die für die Wiederkehr des Kapitalismus in Ostdeutschland standen. Den überraschenden Meinungsumschwung erklärte sie mit der Verbreitung von Fakenews in »Bild« und »Spiegel« sowie gezielter Panikmache. Die Methoden sind also älter als das Internet. Peter Nowak