Peter Kern: Die Angestellten zwischen Büroalltag und Fluchtphantasie. Westfälisches Dampfboot, Münster 2020, 152 Seiten, 15 Euro

Tätowiert, aber unorganisiert

Trotz deprimierender Schilderungen über die Zunahme von Mobbing gegen sogenannte Minderleister im Angestelltenmilieu endet Buch verhalten optimistisch.

Es wird viel über Umbrüche und Arbeitsplatzverluste in der Auto- oder 
Kohleindustrie gesprochen. Wenig öffentliche Beachtung findet hingegen 
der Wandel im Milieu der Büroangestellten, die den Produktionsapparat 
programmieren und verwalten. Um sie geht es in dem Buch, das Peter Kern 
unter dem Titel …..

…… »Die Angestellten zwischen Büroalltag und 
Fluchtphantasie« im Verlag Westfälisches Dampfboot veröffentlicht hat.
Kern engagierte sich viele Jahre im undogmatisch linken Sozialistischen 
Büro, arbeitete später im Vorstand der IG Metall und leitet derzeit eine 
Schreibwerkstatt. Auf 150 Seiten widmet er sich dem Strukturwandel im 
Angestelltenmilieu. Augenfällig seien die veränderten Bekleidungsregeln 
und die neuen Einstellungsverfahren, die oftmals im Assessment-Center 
stattfinden. Jeans und Tattoos sind im Büroalltag Normalität. Die 
modischen Embleme der studentischen Subkultur und des 
nonkonformistischen Selbstgefühls seien zum »Fundus geworden, aus dem 
sich die Angestellten in ihrem Bemühen« bedienten, ihrem »Äußeren eine 
kleine persönliche Note zu geben«. Wenig verändert hat sich hingegen an 
der Problematik, die Siegfried Kracauer bereits 1930 in seiner in viele 
Sprachen übersetzten Studie »Die Angestellten« beschreibt: Die große 
Distanz der Angestellten zu den Gewerkschaften und allen Formen 
kollektiver Organisierung ist geblieben. Für die Zukunft der 
Gewerkschaften sei es aber unverzichtbar, gerade im Milieu der 
Angestellten Mitglieder zu gewinnen. Trotz deprimierender Schilderungen 
über die Zunahme von Mobbing gegen sogenannte Minderleister im 
Angestelltenmilieu endet Buch verhalten optimistisch. Das Verdienst von 
Kern ist es, eine in der öffentlichen Wahrnehmung oft übersehene 
Beschäftigtengruppe in den Mittelpunkt der Debatte über die Zukunft der 
Arbeit zu rücken. Peter Nowak

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