Linke Militanz

Die Erinnerung einer linken Aktivsten

Anne Reiche hat ein Buch geschrieben, das die Biografie einer militanten Linken erzählt, das berührt, gerade weil es so ehrlich ist, weil es Trauer und Niederlagen nicht verschweigt. Reiche beschreibt, wie sie in den späten 1960er Jahren…

…ihr Studium zugunsten des Engagements in der radikalen Linken aufgeben hat. Sie hatte Freund*innen, die zum Blues gehörten, der radikalen Westberliner Linken, die damals Tausende umfasste. Durch die Aussage eines Kronzeugen wurde sie zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Dort schloss sie sich dem Gefangenenkollektiv der RAF an. Reiche beschreibt anschaulich Kämpfe und Niederlagen unter Isolationshaftbedingungen. Nach ihrer Freilassung 1982 nach zehn Jahren Knast engagierte sich Reiche in den besetzten Häusern der Hamburger Hafenstraße. Sehr anschaulich beschreibt die Autorin, wie sich um die Häuser eine linksautonome Szene entwickelte, in der sie am radikalen Flügel aktiv war. Sie beschreibt die Euphorie nach einer erfolgreichen linken Kundgebung genauso wie die Niederlagen. Dabei verschweigt Reiche auch nicht die Narben, die ihr die eigenen Genoss*innen beigebracht haben, beispielsweise in der Genossenschaft der Hafenstraßen-Häuser nach deren Legalisierung. Das Buch kann auch als Widmung an den Sänger Rio Reiser gelesen werden, mit dem sie eine langjährige Freundschaft verband. Es ist ein sehr trauriges und sogleich sehr kämpferisches Buch, so wie Rios Songs oft traurig und gerade deshalb extrem kraftvoll waren.

Erstveröffentlichungsort:
https://www.akweb.de/ak_s/ak648/02.htm